Berlin. Der FDP-Fraktionschef Christian Dürr spricht über die Blockade des Lieferkettengesetzes – und die Zukunft der Regierungskoalition.
Das eigenartige Abstimmungsverhalten, das die Ampelregierung bisweilen in der EU zeigt, hat in Brüssel einen Namen: „German Vote“. Am Freitagnachmittag wurde das Votum über die Lieferkettenrichtlinie der EU, mit der Unternehmen zur Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards gebracht werden sollen, in letzter Minute vertagt. Die Mehrheit war nicht mehr sicher, weil die FDP die Ampelregierung zur Enthaltung zwingt. Sind die Freien Demokraten dabei, Deutschland in der EU zu isolieren? Oder bereiten sie den Ausstieg aus der Ampelkoalition vor? FDP-Fraktionschef Christian Dürr gibt Antworten.
Die FDP blockiert das europäische Lieferkettengesetz. Was versprechen Sie sich von diesem Manöver?
Christian Dürr: Wir erweisen dem zentralen Anliegen – nämlich der Einhaltung der Menschenrechte – einen Bärendienst, wenn wir die Lieferketten-Richtlinie in ihrer jetzigen Form verabschieden. Es droht die Gefahr, dass sich Unternehmen aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken zurückziehen. Die FDP ist die einzige Partei, die den Kampf gegen Bürokratie ernst nimmt. Die Koalition hat vereinbart, dass es keine weiteren bürokratischen Belastungen für Unternehmen und Mittelständler geben darf.
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Wir haben gegenüber der EU bereits im Jahr 2022 kommuniziert, dass wir unter solchen Bedingungen nicht zustimmen werden. Insofern ist unsere Haltung nur folgerichtig. Unsere Richtschnur ist, alles zu verhindern, was uns schwächt und alles dafür zu tun, unsere Wirtschaft wieder nach vorn zu bringen. Im Übrigen zeigt die Vertagung der Abstimmung, dass es im Europäischen Rat keine hinreichende Mehrheit für den Vorschlag gibt. Auch andere Länder haben Bedenken.
Die FDP hat sich auch gegen schärfere Klima-Auflagen für Lastwagen gestemmt. Welche EU-Vorhaben wollen Sie als nächstes scheitern lassen?
Es geht doch nicht darum, Vorhaben scheitern zu lassen. Es geht mir um die Auseinandersetzung in der Sache: Gesetze, die unausgereift sind und ihren Zweck verfehlen, werden wir nicht durchwinken. Die FDP hat ein klares Programm, das darauf ausgelegt ist, unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Das wünschen wir uns auch für Europa. Wenn Gesetze für die Betriebe zu mehr Auflagen und Zettelwirtschaft führen, ohne dass klar ist, ob sie ihren Zweck erfüllen – wie bei der Lieferketten-Richtlinie – dann legen wir ein Veto ein. Bei der Abstimmung über Lastwagen und Busse konnten wir der EU-Kommission ins Stammbuch schreiben, dass alle klimaneutralen Technologien zulässig sein müssen, also auch E-Fuels und andere klimaneutrale Kraftstoffe. Ich erwarte jetzt, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das umsetzt.
Die FDP ist in Umfragen unter die Fünf-Prozent-Schwelle gerutscht – und stellt jetzt parteipolitische Profilierung über das Wohl des Landes.
Das Gegenteil ist der Fall. Denken Sie mal ein Jahr zurück: Beim Verbrenner-Aus auf EU-Ebene haben wir auch damals schon Veto eingelegt, weil wir auf Technologieoffenheit setzen. Unsere Politik orientiert sich also nicht an Umfragen, sondern an Überzeugungen.
Die Querschüsse der FDP wecken Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands.
Nein, das Gegenteil ist richtig. Das sehen wir auch daran, dass jetzt immer mehr Mitgliedstaaten skeptisch bei dieser Richtlinie sind. Für mich zählt, dass wir am Ende vernünftige Gesetze auf den Weg bringen, die die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken, nicht schwächen. Bei der Lieferketten-Richtlinie hat Deutschland frühzeitig Bedenken angemeldet und sie im Rahmen der Ratspositionierung vor über einem Jahr schriftlich an die Mitgliedstaaten kommuniziert. Insofern bin ich überzeugt, dass unsere europäischen Nachbarn das durchaus nachvollziehen können.
Die FDP tut sich immer schwerer, mit SPD und Grünen auf einen Nenner zu kommen. Bereiten Sie den Ausstieg aus der Ampelkoalition vor?
Wenn die FDP nicht in dieser Koalition wäre, dann würde doch niemand für Bürokratieabbau und mehr Wachstum kämpfen. Die ganzen bürokratischen Regelungen kommen schließlich von CDU-Politikerin von der Leyen in Brüssel. Zudem haben wir gemeinsam in der Koalition ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht, das Migration von den sozialen Sicherungssystemen in den Arbeitsmarkt lenkt. Das wäre mit CDU und CSU niemals möglich gewesen. Ich gebe zu, dass der Weg nicht immer einfach ist und es auch öfter mal laut wird. Aber am Ende schaue ich auf die Ergebnisse. Und die stimmen.
Vorgezogene Neuwahlen schließen Sie aus?
Ja. Die Spekulationen darüber überlasse ich Friedrich Merz und Markus Söder, die sich kurioserweise mehr mit Koalitionsoptionen befassen als mit Sachpolitik. Das für die Wirtschaft so wichtige Wachstumschancengesetz, das den Betrieben Steuersenkungen bringt, wird noch immer von der Union blockiert. Wir werden in den kommenden Monaten daran arbeiten, unseren Standort attraktiver zu machen und unsere Wirtschaft nach vorne zu bringen.
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