Berlin. Dass es gelingen wird, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, ist unwahrscheinlich. Klimaschützer brauchen einen Plan fürs Danach.
Noch ist die Grenze nicht übertreten. Die Meldung des EU-Klimadiensts Copernicus, dass die vergangenen zwölf Monate mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Temperaturschnitt lagen, ist zunächst eine Momentaufnahme – wenn auch eine erschreckende.
Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingen wird, nicht zumindest für einige Jahrzehnte 1,5 Grad Erwärmung zu überschreiten, ist inzwischen sehr gering. Zu groß sind die Änderungen, die dafür in sehr kurzer Zeit passieren müssten, zu hartnäckig die Interessen und Beharrungskräfte, die sich dagegen stemmen, Emissionen zügig zu reduzieren. Schon die bloße Feststellung, dass man von fossilen Energien wegkommen muss, um katastrophale Folgen zu vermeiden, erforderte bei der vergangenen Weltklimakonferenz harte Kämpfe.
Die Zahl ist und bleibt wichtig als Orientierung für Klimaschutz
In nicht allzu ferner Zukunft wird die Welt deshalb wohl über diese Schwelle treten und dann fürs Erste auf der anderen Seite leben.
1,5 Grad – Klimaschützerinnen und -schützer jubelten, als es diese Marke in den Text des Pariser Abkommens schaffte. Sie signalisierte Dringlichkeit, sie diente und dient noch immer als Orientierung, wenn es darum geht, das Handeln von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft an dem zu messen, was nötig ist. Die Zahl ist und bleibt nützlich als Referenzpunkt. Doch Klimaforscherinnen, Aktivisten, Politiker, alle, die sich professionell für Klimaschutz einsetzen, brauchen einen Plan dafür, was kommunikativ danach kommt.
Sie brauchen eine Antwort auf die Frage: Was kommt danach? Denn die Gefahr besteht, dass eine Öffentlichkeit, die sich an 1,5 Grad orientiert hat, die Waffen streckt, wenn dieser Kampf für das Klima verloren ist. Dabei kommt schon kurz danach die nächste Grenze, um die es sich zu kämpfen lohnt. Nicht 2 Grad, sondern 1,51. Denn jedes Zehntel-, jedes Hundertstelgrad Erwärmung, das vermieden wird, ist ein Erfolg, jedes weitere, das dazu kommt, ist mehr Chaos, mehr Unberechenbarkeit, mehr Leid.