Berlin. Der französische Präsident bezeichnet den CDU-Politiker als „Baumeister Europas“. Und Friedrich Merz erinnert an seinen einzigen Streit.

Politik als Lebenselixier: Das ist das Fazit, das in den vergangenen Wochen viele Rednerinnen und Redner zum Tod von Wolfgang Schäuble gezogen haben. Oft auch mit dem Satz: Sein Intellekt, seine Überzeugungskraft und auch seine Schärfe werden uns fehlen. Der Deutsche Bundestag würdigte nun den CDU-Politiker, der wie kein anderer die vergangenen Jahrzehnte in Deutschland und Europa prägte. Alle Verfassungsorgane waren dabei, dazu Altkanzlerin Angela Merkel, seine hinterbliebene Ehefrau Ingeborg Schäuble sowie seine Kinder.

Würdigte Wolfgang Schäuble im Deutschen Bundestag: Der französische Präsident Emmanuel Macron.
Würdigte Wolfgang Schäuble im Deutschen Bundestag: Der französische Präsident Emmanuel Macron. © DPA Images | Michael Kappeler

„Er hat als Architekt der Deutschen Einheit Historisches vollbracht“, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zur Eröffnung. Seine Leidenschaft habe dem Parlament gegolten, „immer galt erst das Amt, dann seine Person“. 51 Jahre Abgeordneter: Er habe die Gründergeneration im Bundestag getroffen, „niemand hat länger in einem deutschen Parlament gearbeitet als er.“ Und mit dieser Erfahrung habe er gewusst, dass unsere Demokratie nicht selbstverständlich sei. „Sie ist es wert, verteidigt zu werden – und sie muss verteidigt werden.“

Altkanzlerin Angela Merkel trägt sich ins Kondolenzbuch ein.
Altkanzlerin Angela Merkel trägt sich ins Kondolenzbuch ein. © Getty Images | Sean Gallup

Friedrich Merz erinnert sich ganz persönlich „an meinen Freund“

NameFriedrich Merz
Geburtsdatum11. November 1955
AmtCDU-Vorsitzender
ParteiCDU
Parteimitglied seit1972
FamilienstandVerheiratet, drei Kinder
Größe1,98 Meter
WohnortArnsberg

bezeichnete sich als Weggefährten und Freund von Wolfgang Schäuble und sprach über die gemeinsame Liebe zum Sport, vor allem zum Fußball. Er erinnerte an Schäubles Idol, den Fußballer Fritz Walter, mit dem Deutschland 1954 die Weltmeisterschaft gewann. An geteilte Werte wie Fleiß, Hartnäckigkeit – und Anstand. Er selbst habe sich nur ein einziges Mal mit seinem Freund gestritten: Als 2012 „sein Verein“, der BVB, den DfB-Pokal gewann und Bayern verlor. „Wir haben danach nie wieder darüber gesprochen.“

Die Witwe von Wolfgang Schäuble, Ingeborg Schäuble, erreicht mit ihrer Tochter Christine und ihrem Schwiegersohn Thomas Strobl den Bundestag.
Die Witwe von Wolfgang Schäuble, Ingeborg Schäuble, erreicht mit ihrer Tochter Christine und ihrem Schwiegersohn Thomas Strobl den Bundestag. © Getty Images | Sean Gallup

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Abgesehen von derartigen Anekdoten erinnerte Merz an Schäubles politische Stationen, die geprägt waren von stetigen Wechseln zwischen Regierung und Opposition, Höhen und Tiefen. Was bleibe nach 50 Jahren Bundestag: der Dreiklang Deutsche Einheit, Berlin, Europa. Und sein Vermächtnis: „Ohne Parlamentarismus ist alles nichts“.

Emmanuell Macron auf Deutsch zum Tod von Schäuble: Europa hat eine Säule verloren

Emmanuel Macron nutzte seine Würdigung für Wolfgang Schäuble als großen Europäer, um die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft hervorzuheben. Deutschland habe einen Staatsmann verloren, sagte er – und Europa eine Säule. Dann hielt Macron inne und ergänzte: „Und Frankreich einen Freund“, sagte er. Ihm werde nun die große Ehre zuteil, dass er im Bundestag sprechen dürfe und somit Schäubles Wunsch erfüllen könne.

Emmanuel Macron gibt Ingeborg Schäuble beim Trauerstaatsakt für den gestorbenen früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble im Plenarsaal im Deutschen Bundestag einen Handkuss.
Emmanuel Macron gibt Ingeborg Schäuble beim Trauerstaatsakt für den gestorbenen früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble im Plenarsaal im Deutschen Bundestag einen Handkuss. © DPA Images | Michael Kappeler

Macron hielt seine Rede in weiten Teilen auf Deutsch – eine besondere Geste. Darin zeichnete er den Verlauf nach, den Schäubles Beziehung zu Frankreich nahm. Sein Leben in Freiburg während der französischen Besatzungszeit. Colmar und Straßburg so nah und doch so fern. Ein französischer Offizier, der in seinem Elternhaus untergebracht war. „Er lernte Französisch“, sagte er, habe Albert Camus gelesen und Catherine Deneuve verehrt – „und auch die Kriegsgräber in den Vogesen besucht“.

Bärbel Bas (SPD), Bundestagspräsidentin, spricht beim Trauerstaatsakt für den gestorbenen früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble im Plenarsaal im Deutschen Bundestag.
Bärbel Bas (SPD), Bundestagspräsidentin, spricht beim Trauerstaatsakt für den gestorbenen früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble im Plenarsaal im Deutschen Bundestag. © DPA Images | Michael Kappeler

Der französische Präsident erinnerte an die Unterzeichnung des Élysée-Vertrages vor genau 61 Jahren, am 22. Januar 1963 , und damit an die Gründerväter Europas, an Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl wie auch an François Mitterrand und Jacques Delors, der nur wenige Tage vor Schäuble starb. Wolfgang Schäuble, sagte Macron, „war der Baumeister“ der Aussöhnung. Seine Methode: „Eine Vision, fest verankert im Pragmatismus“.

Die Wiedervereinigung sei der Start in eine neue Ära für die deutsch-französische Freundschaft gewesen. Schäuble sei damals nicht immer innerhalb der Euro-Gruppe verstanden worden. „Aber der Respekt für einen Freigeist blieb“, sagte der Präsident durchaus mit Faszination in der Stimme.

Und dann die nächste Zeitenwende: Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Schäuble habe sich sofort für den Beitritt der Ukraine in EU und Nato eingesetzt, erinnerte sich Macron. Eben in der Tradition eines Europas in Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. „Dieses Europa können wir nur gemeinsam erhalten“, sagte Macron. Der französische Präsident bezeichnete die Verbindung Deutschlands und Frankreich als „Formel, als Gleichung, durch die unsere beiden Länder aufblühen konnten.

Zum Schluss kam Macron wieder auf Schäubles Leben zurück, eingeteilt in das Davor und das Danach. Vor und nach der Aussöhnung. Vor und nach der Wiedervereinigung. Vor und nach dem Attentat, das zu seinem Schicksal wurde. Macron: „Nun beginnt ein neues Danach. Nehmen wir sein Erbe an“. Der Bundestag dankte es ihm mit stehenden Ovationen.

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