Berlin. Der Drogenschmuggel blüht, Geldwäsche und Gewalt nehmen zu. Die Innenministerin will dagegen vorgehen – und plant eine heikle Mission.
Wenn es Nacht ist, schleichen Jugendliche von den Ladeflächen der Lastwagen. Sie gehen durch das Hafengelände, suchen das Versteck, den Container mit Kokain. Sie wissen die Nummer, den Stellplatz. Wenn sie die Drogen aus den Bananenkisten geholt haben, kriechen sie zurück in den Lkw. Und harren aus, bis der Tag beginnt. Dann fährt der Fahrer sie raus, runter vom Hafen. Das Kokain ist in Deutschland. Unbemerkt.
Diese Geschichten erzählen Drogenfahnder über belgische und niederländische Häfen. Kartelle, die junge Menschen bestechen, damit sie „Ware“ schmuggeln. In Antwerpen, aber auch im holländischen Rotterdam, kommen Massen an Kokain aus Südamerika in Europa an. Doch auch deutsche Ermittler sind alarmiert. 2023 entdeckten sie so viel Kokain wie noch nie, rund 40 Tonnen. Vor allem der Hafen im Hamburg ist im Visier der Mafia-Organisationen.
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Gerade erst verurteilte ein Gericht in Hamburg mehrere Kokainhändler zu hohen Haftstrafen. Drei der Angeklagten sollen ihre Jobs in der Hafenlogistik genutzt haben, um die Container mit der Ladung aus Südamerika aus dem Hafen zu bringen. Andere Verurteilte arbeiteten selbstständig als Fuhrunternehmer an den Terminals. Die Fälle zeigen: Drogenkartelle agieren wie internationale Firmen. Den Anbau in Kolumbien oder Peru bauen die Organisationen seit Jahren aus, verfeinern Düngemittel und Ernteverfahren. Die Lieferketten sind detailliert geplant. In Deutschland nehmen Scheinfirmen die Ware ab.
Faeser: „Wir brauchen einen maximalen Ermittlungsdruck“
Seit Jahren stehen Drogenbanden im Visier der Polizei. Oftmals erwischen die Ermittler das letzte Glied in der Kette der Kartelle: den Straßendealer, den Hafenarbeiter, den Fahrer. Doch die globalen Strukturen der organisierten Kriminalität bleiben im Verborgenen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will den Banden nun eine „internationale Sicherheitspartnerschaft“ entgegenstellen. „Diese Drogen zerstören Menschen und liefern der organisierten Kriminalität riesige Einnahmen.“
In Kürze reist Faeser nach Informationen unserer Redaktion nach Südamerika, geplant sind wohl Brasilien, Peru und Kolumbien. Sie will die Zusammenarbeit der Polizei stärken. Ihr Abteilungsleiter war schon vor Ort zu Vorgesprächen, das Bundeskriminalamt hat sogenannte „Verbindungsbeamte“ in den Ländern stationiert, Deutschland kooperiert bei der Ausbildung von Beamtinnen und Beamten. Bisher ist Brasilien zentraler Partner der deutschen Ermittler. Im Mai plant die Bundesregierung eine internationale Konferenz von Sicherheitsexperten in Hamburg.
Es ist eine heikle Mission: In Ecuador eskalieren gerade Unruhen, in Bolivien kommt es immer wieder zu Gewalt, Kolumbien ist seit Jahrzehnten von Machtkämpfen und Korruption geprägt. Eine Zusammenarbeit deutscher Behörden mit den instabilen Staaten, in denen der Anbau und Handel mit Kokain boomen, ist brisant. Und dennoch will die Ministerin es versuchen – und auf ihrer Lateinamerika-Reise mehr darüber erfahren, „welche Firmen oder Scheinfirmen in den Handel mit Drogen involviert sind, wir wollen erkennen, wo Druck auf Hafenarbeiter ausgeübt wird“, sagt Faeser unserer Redaktion. „Wir sehen, wie Drogenbanden versuchen, Hafenarbeiter für ihre illegalen Deals einzuspannen. Wir brauchen einen maximalen Ermittlungsdruck.“
Deutschland ist für Drogen-Mafia ein Geldwäsche-Paradies
Wichtig sei es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Häfen „widerstandsfähig gegen Korruption“ zu machen. Faeser sagt: „Unsere Behörden müssen Firmen besser aufklären über die Anwerbeversuche der Drogenkartelle. Die Betriebe müssen genau hinschauen, wer mit welcher Motivation bei ihnen anfängt. Mitarbeiter brauchen Ansprechstellen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können, wenn Kriminelle auf sie Druck ausüben. Und Firmen müssen faire Löhne zahlen, damit das Geld aus Drogengeschäften nicht attraktiv für manche Beschäftigte ist.“
Die Innenministerin hebt hervor: „Drogenbanden üben eine unfassbare Spirale der Gewalt aus.“ Ermittler in den Niederlanden und Belgien hätten sogar Folterkammern entdeckt, Journalisten und Staatsanwälte wurden bedroht oder sogar ermordet. Es ist diese wachsende Gewalt, die auch Ermittlern Sorge bereitet. Von Frankreichs Behörden gehackte Krypto-Handys der Drogenbanden zeigen, wie sehr Waffen, Erpressungen und Morddrohungen die Szene prägen. Unsere Redaktion hat mit mehreren Kriminalbeamten gesprochen, die seit Jahren Drogenhändler ins Visier nehmen. Auch sie fordern vor allem mehr Prävention – also den Blick auf die Unternehmen, die ihre Macht in Häfen missbrauchen. Oder die missbraucht werden, ohne es zu wissen.
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Zugleich warnen Ermittler, dass die Macht der Kartelle nur dann erfolgreich bekämpft werden kann, wenn den Banden der Geldhahn zugedreht wird. Das heißt vor allem: Drogen-Millionen dürfen nicht mehr den Weg in legale Wirtschaftskreisläufe finden. Doch noch immer gilt Deutschland unter Fachleuten als „Paradies für Geldwäsche“. Immobilien, Autos, Luxusuhren – all das können Kriminelle mit Bargeld bezahlen. Und so ihr Kokain-Cash waschen.
Aber auch die Mafia macht Fehler. Ermittlern in Nordrhein-Westfalen fiel eine Kfz-Werkstatt auf, die auf einmal eine sogenannte „EORI-Nummer“ beantragte. Eine Kennung der Behörden zur Importerlaubnis. Warum aber muss eine Autowerkstatt auf einmal Ware aus Lateinamerika einführen? Die Polizei wurde hellhörig – und deckte einen Drogenring auf, der von den Niederlanden über Deutschland bis nach Italien reicht. Es ist ein Erfolg der Polizei, aber ein bisher seltener.
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