Brüssel. Die Ampel-Koalition verschärft die Asylpolitik, Großbritannien geht viel weiter: Was am Ruanda-Modell gut ist – und was nicht.
Deutschland macht Ernst mit einem härteren Kurs in der Migrationspolitik: Abgelehnte Asylbewerber sollen endlich konsequenter abgeschoben werden, Schleusern drohen härtere Strafen. Die Ampel-Koalition hat das entsprechende Gesetz am Donnerstag durch den Bundestag gebracht. Die Botschaft: Wer absehbar keinen Anspruch auf Schutz hat, sollte sich erst gar nicht auf die riskante Reise nach Europa machen. Daran führt kein Weg vorbei angesichts der steigenden Zahl von Asylbewerbern, die längst viele Kommunen gefährlich überfordert und die Gesellschaft zu spalten droht.
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Allerdings: Der Kurswechsel hin zu einer Politik, die irreguläre Flüchtlingseinreisen deutlich reduziert, wird mit Rücksicht auf Koalitionskompromisse in kleinen Schritten vollzogen. So verblasst die Berliner Kehrtwende hinter einer Entscheidung des britischen Parlaments: Menschen, die irregulär nach Großbritannien kommen, sollen unabhängig von ihrer Herkunft ins ostafrikanische Ruanda abgeschoben werden und nur dort einen Asylantrag stellen können. Asyl in Großbritannien ist damit nicht verbunden – dafür erhält Ruanda Millionen-Gelder aus London. Die Briten wollen sich also weitgehend freikaufen von der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz.
Ein Tabubruch in der europäischen Asylpolitik – zumal nicht garantiert ist, dass sich Ruanda an menschenrechtliche Standards halten wird. Unklar, ob dieses Modell brutaler Abschottung jemals den Praxistest besteht. Trotzdem ist nicht alles falsch am britischen Sonderweg: Die Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union zu verlagern, kann durchaus sinnvoll sein – wenn sie in europäischer Regie ablaufen und anerkannte Asylbewerber dann in ausreichenden Kontingenten in Europa aufgenommen würden. Nicht das Asylrecht, das Verfahren würde aus praktischen Gründen ausgelagert.
Denn das gegenwärtige System ist ungerecht, ineffizient und überlässt die Migrationssteuerung kriminellen Schleppern. Es zwingt Menschen in Not auf lebensgefährliche Fluchtrouten: Allein bei der Passage übers Mittelmeer sind in den letzten Jahren über 25.000 Migranten qualvoll ertrunken. Nicht die besonders Hilfsbedürftigen erhalten am Ende Schutz, sondern jene, die körperlich und finanziell belastbar den Weg nach Europa geschafft haben. Für sie aber führt dann zu oft schon das bloße Asylgesuch nach jahrelangem Aufenthalt zu einem Bleiberecht – auch wenn sie erkennbar keinen Schutzanspruch hatten. Es spricht deshalb viel dafür, mit Drittstaaten außerhalb der EU bei den Asylverfahren zusammenzuarbeiten.
Asylverfahren in Dritt-Staaten: Debatte ist wichtig, aber sie ersetzt keine praktische Politik
Die Bundesregierung hat den Ministerpräsidenten beim letzten Migrationsgipfel, kaum beachtet, eine Prüfung dieses Modells zugesagt. Sie muss nun auch zügig liefern. Allerdings: Noch ist kein Land in Sicht, das zu einer solchen Kooperation unter Garantie europäischer Menschenrechtsstandards bereit wäre. Ohne europaweite Abstimmung ist das Drittstaats-Modell sowieso nicht möglich.
Die Debatte darüber sollte ohne Denkverbote geführt werden, sie ersetzt aber nicht die mühsame Arbeit an konkreten Schritten jetzt: Konsequentere Abschiebungen gehören dazu, der Kampf gegen Schlepper, der in der EU vereinbarte bessere Außengrenzschutz mit Schnellverfahren für chancenlose Asylbewerber – all das können Bausteine sein für mehr Migrationskontrolle, ohne Menschenrechte zu verletzen. Wer Schutz braucht, muss ihn weiter bekommen. Schnelle Lösungen für alle Flüchtlingsprobleme gibt es nicht, schon gar nicht in Afrika – das zu versprechen wäre töricht.