NRW will soziale Lasten der Schulen besser berücksichtigen. Jetzt zeigt sich, zu welchen Verschiebungen der neue Sozialindex führt.
Der neue „schulscharfe Sozialindex“ hat in Nordrhein-Westfalen zu deutlichen Verschiebungen bei der Bewertung von Brennpunkt-Risiken geführt. Nach Überarbeitung jener Skala, die soziale Herausforderungen besser abbilden soll, wurden nach Angaben des NRW-Schulministeriums 2.948 Schulen einer höheren Stufe zugeordnet. Bei 1026 Schulen habe sich nichts geändert, insgesamt 99 Schulen seien im Rahmen der Aktualisierung heruntergestuft worden. Die aktuelle Einordnung kann man hier nachlesen.
Stufe 9 bedeutet die höchste Belastung, Stufe 1 die niedrigste. Bewertet werden die Dichte der Kinder- und Jugendarmut im Einzugsgebiet, der Schüleranteil mit vorwiegend nichtdeutscher Familiensprache, Migrationshintergrund der Schülerschaft und der Anteil von Kindern mit diagnostiziertem Förderbedarf.
Schulsozialindex soll in NRW Ungleiches ungleich behandeln
Mit dem Index will Schulministerin Dorothee Feller (CDU) die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft jeder einzelnen Schule stärker gewichten. So sollen Lehrerstellen und Fördermittel vermehrt in jene Stadtviertel gelenkt werden, in denen sie besonders benötigt werden, weil Startvoraussetzungen für die Kinder objektiv schlechter sind. „Ziel ist es, Ungleiches ungleich zu behandeln und die Unterstützung dorthin zu steuern, wo sie am dringendsten gebraucht wird“, hieß es am Freitag aus dem Schulministerium.
Für die einzelne Schule kann die Einstufung spürbare Folgen für ihre Ausstattung haben. Bereits im laufenden Schuljahr wurden landesweit 6.315 Stellen des sogenannten „Mehrbedarfs“ nach sozialen Kriterien verteilt. Nach den Sommerferien will Feller hier den aktualisierten Sozialindex noch stärker gewichten. „Die notwendigen Umsteuerungen werden dort, wo es erforderlich ist, schrittweise und mit Augenmaß vorgenommen“, hieß es. Kommunen und Bezirksregierungen würden einbezogen, damit „Brüche in der Unterrichtsversorgung vermieden“ werden - etwa an Schulen in Vorzeigevierteln, die ja trotzdem auch Lehrermangel haben.
Lehrerstellen sollen stärker nach sozialen Kriterien in NRW verteilt werden
Der Index sorgt in vielen Lehrerkollegien für erhebliche Verunsicherung. Manche Schulen, die plötzlich als „Brennpunkt-Schulen“ in Stufe 9 geführt werden, sorgen sich um ihren Ruf bei Eltern und angehenden Lehrern. Andere, die plötzlich besser dastehen und mit weniger Lehrerstellen rechnen müssen, beklagen hinter vorgehaltener Hand eine statistische „Wunderheilung“, ohne dass sich an der Zusammensetzung der Schülerschaft etwas verändert habe.
Das Schulministerium verweist auf eine veränderte Datenbasis und Berechnungsmethode. Fünf Prozent der besonders belasteten NRW-Schulen wurden vorab der Sozialindexstufe 9 zugeordnet, die verbleibenden zueinander in acht Stufen ins Verhältnis gesetzt. „Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass sich auch die tatsächlichen Verhältnisse an den Schulen entsprechend verschlechtert oder verbessert haben“, betont das Ministerium. Der Sozialindex wurde erstmals 2020 von Experten der Ruhr-Universität Bochum entwickelt und im Herbst 2023 reformiert.