Düsseldorf. Toter Flüchtling in Mülheim: Jetzt gibt es neue Zahlen zur medizinischen Versorgung im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen der Polizei.

Nach dem Polizeieinsatz mit Todesfolge am Wochenende in einem Mülheimer Flüchtlingsheim geht die Diskussion über die Gefährlichkeit von Tasern weiter. Wie das NRW-Innenministerium mitteilte, kam es landesweit im Zeitraum Januar bis einschließlich November 2023 insgesamt zu 1245 Einsätzen des Distanzelektroimpulsgeräts (DEIG) im Wachdienst. In 1003 Fällen sei es bei der Androhung geblieben.

Von 237 betroffenen Personen mussten jedoch 81 ambulant und 18 stationär medizinisch versorgt werden. Obwohl damit mehr als 40 Prozent der Taser-Opfer behandlungsbedürftig gewesen wären, trat das Innenministerium dem Eindruck übermäßiger Gesundheitsgefahren entgegen. „Bei jedem Abschuss wird durch die Polizei medizinische Versorgung gewährleistet“, erklärte ein Sprecher von Innenminister Herbert Reul (CDU). Es sei ebenso zu berücksichtigen, dass die erfassten medizinischen Versorgungen nicht immer durch den Einsatz des Tasers ausgelöst worden sein müssen. Es können auch andere Einsatzfolgen wie Stürze oder vorherige Gewaltanwendungen der Grund gewesen sein.

Taser bei der NRW-Polizei: Grüne pochen auf unabhängige Untersuchung

Am Wochenende war ein 26-jähriger Guineer nach einem Polizeieinsatz mit Taser in einem Flüchtlingsheim in Mülheim gestorben. Der Westafrikaner stand ersten Ermittlungen zufolge erheblich unter Drogen und wies gesundheitliche Vorschädigungen auf.

Der Taser ist umstritten. Für Menschen mit unerkannten Herzproblemen kann der Elektroschock tödlich sein. Zuletzt war es in NRW wiederholt zu dramatischen Vorfällen gekommen. Seit Anfang 2022 testen mittlerweile 18 Polizeibehörden die Elektropistole. Die Wirksamkeit werde beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) „ständig überprüft“, erklärte das Innenministerium.

Grünen-Innenexpertin Julia Höller stellte am Dienstag gegenüber unserer Redaktion klar, dass eine weitergehende Untersuchung des Einsatzmittels folgen muss: „Völlig unabhängig vom Mülheimer Fall, in dem wir die Ermittlungen abwarten müssen, wird es ganz grundsätzlich in diesem Jahr eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation des Einsatzes von Distanzelektroimpulsgeräten bei der Polizei geben. Das haben wir mit der CDU so verabredet.“

Taser als Alternative zur Schusswaffe? Nur für „statische Einsatzsituationen“

Die Grünen stehen dem Taser skeptisch gegenüber und haben sich nach Eintritt in die CDU-geführte Landesregierung im Sommer 2022 zunächst lediglich bereiterklärt, bereits angeschaffte Geräte noch an ausgewählte Polizeibehörden zu verteilen. Von der wissenschaftlichen Untersuchung will man den Kauf weiterer Taser sowie Einsatz- und Trainingsvorgaben abhängig machen.

Experten halten den Elektroschocker zwar für eine wichtige Alternative zur Schusswaffe, weisen aber darauf hin, dass er sich nur für „statische Einsatzsituationen“ eigne, bei der eine bewaffnete Person nicht bereits zum Angriff auf den Beamten übergeht. Durch Stromabgabe an zwei verschossene Pfeilelektroden soll kurzzeitig eine neuromuskuläre Lähmung eintreten.