Ohne Umweg durchs Sozialsystem: Land und Arbeitsagentur wollen in NRW bei Asylbewerbern neue Wege gehen. Es sind weitreichende Pläne.

Landesregierung und Arbeitsverwaltung in Nordrhein-Westfalen wollen die Job-Vermittlung von Flüchtlingen neu organisieren. „Bei den Geflüchteten ist der alles bestimmende Faktor die Zeit“, sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, am Freitag in der Landespressekonferenz.

Ziel müsse es sein, Migranten künftig berufsbegleitend zu integrieren und nicht erst ins Sozialsystem zu schicken. Bislang dauere es allein mehrere Wochen, bis Flüchtlinge einen Platz im Integrationskurs bekommen. Dieser wiederum erstrecke sich über neun Monate. Um die Vorqualifikation abzuklopfen, müsse überdies ein Berufsanerkennungsverfahren in einer von bundesweit 800 Anerkennungsstellen erfolgen. „Wenn wir die geflüchteten Menschen allein lassen, dann werden die im Dschungel untergehen“, sagte Schüßler.

NRW erfasst Qualifikation von 40.000 Flüchtlingen in Integrationskursen

NRW will nun bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine Job-Perspektive für Menschen ausloten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger in Deutschland bleiben werden. Allein im ersten Quartal des Jahres will die Arbeitsagentur bei allen 40.000 Flüchtlingen, die zurzeit Integrationskurse besuchen, die Qualifikation erfassen. Schüßler erkennt bei Handwerksbetrieben die Bereitschaft, etwa ausländische Elektriker ohne Berufsanerkennung vorab als Helfer einzustellen und berufsbegleitend nachzuqualifizieren.

NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht Staat und Privatwirtschaft gleichermaßen in der Pflicht, die Arbeitsmarktintegration durch Anerkennung von Berufsabschlüssen zu vereinfachen: „Wenn wir in einem Land wie Nordrhein-Westfalen im Ganzen 12.000 oder 13.000 Anerkennungsverfahren haben und davon allein 8000 im Gesundheitsbereich, dann wissen Sie, dass da noch sehr viel Luft nach oben ist.“ Auch Kammern und Standesorganisationen müssten sich Gedanken darüber machen, wie sie Zugewanderte mit ihren Berufsabschlüssen „fair in den Qualifikationsrahmen, den wir hier in Deutschland nun mal haben, einordnen“.

Nur 19 Prozent der Ukrainer fanden eine sozialversicherungspflichtige Arbeit

Zurzeit kümmern sich die 53 Jobcenter in NRW allein um 108.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die oft überdurchschnittlich gut qualifiziert sind. Seit dem russischen Überfall auf ihre Heimat konnten dennoch nur rund 19 Prozent in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse integriert werden.

Insgesamt leidet der NRW-Arbeitsmarkt weiterhin unter einer Schieflage: Es gibt zurzeit „nur“ etwa 711.000 Arbeitslose, wovon aber 450.000 ohne Berufsabschluss sind. 120.000 der insgesamt 150.000 offenen Stellen richten sich an Fachkräfte. Arbeitsminister Laumann legt deshalb ein besonderes Augenmerk auf die rund 10.000 Schüler, die sich in Bildungsgängen der Ausbildungsvorbereitung an Berufskollegs befinden. Sie sollen mit 130 neuen „Übergangslotsen“ bei der Suche nach Ausbildungs- und Praktikumsstellen unterstützt werden.