Berlin. Sahra Wagenknecht gründet in Kürze ihre neue Partei. Auch für zwei andere prominente Politikerinnen wird dieses Jahr entscheidend.
In einem aktuellen Politiker-Ranking des Meinungsforschungsinstituts INSA sind sie die drei beliebtesten Frauen unter vielen Männern: Die frühere Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht, FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und AfD-Chefin Alice Weidel. Die drei Frauen haben eins gemeinsam: Sie stehen für bedeutende politische Entwicklungen im Jahr 2024.
Die 54-jährige Wagenknecht gründet am 8. Januar ihre neue Partei und könnte die deutsche Parteienlandschaft damit nachhaltig verändern. Strack-Zimmermann tritt als Spitzenkandidatin bei der einzigen deutschlandweiten Wahl des Jahres an. Ein weiteres Erstarken der AfD nutzt den Ambitionen von Parteichefin Alice Weidel.
Sahra Wagenknecht
Montag ist es so weit: Aus dem Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ wird eine Partei. Nach der offiziellen Gründung will Wagenknecht ihre weiteren Pläne öffentlich vorstellen, wie eine Sprecherin Wagenknechts dieser Redaktion bestätigte. Ein erster Parteitag ist für den 27. Januar angesetzt. Etwa 400 Mitglieder soll die inhaltlich noch nicht genau umrissene Partei zu Beginn haben. Inhaltlich steht Wagenknecht sowohl für konservative Positionen, etwa in Migrationsfragen, während sie sozialpolitisch weit links zu verorten ist.
Am Montag dürfte Wagenknecht erklären, wer die Partei in den Europawahlkampf führen soll. Sie selbst will nicht Spitzenkandidatin für die Wahl im Juni sein. „Die neue Wagenknecht-Partei hat personell bisher nur Sahra Wagenknecht als Gallionsfigur vorzuweisen, auf die alles ausgerichtet ist“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel dieser Redaktion. „Ihre Mitstreiter sind bisher nur das zweite Aufgebot der Linkspartei, deren Ausstrahlungskraft sehr gering ist.“ Abzuwarten bleibt, ob Wagenknecht am Montag noch prominente Gesichter präsentiert.
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Die neue Partei strebt außerdem an, bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September anzutreten. Offen ist noch, ob Wagenknecht und ihre Unterstützer es rechtzeitig schaffen, die örtlichen Strukturen aufzubauen und geeignetes Spitzenpersonal zu finden. Es muss sich also noch zeigen, in welchem Ausmaß Wagenknecht in diesem Jahr das deutsche Parteiengefüge aufmischen kann.
„Vor der Europawahl kann zwar ein erster Hype um die Partei entstehen, wenn Wagenknecht aber nicht selbst antritt, kann das auch zu Enttäuschungen in der Wählerschaft führen“, warnt Politikexperte Schroeder. Das Gleiche gelte für die Landtagswahlen. „Die AfD wäre aber die Partei, die am stärksten Federn lassen würden, wenn Wagenknecht es schafft, vom Gründungsparteitag über die Europawahl bis zu den Landtagswahlen eine Mobilisierung aufzubauen.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Die Europawahl am 9. Juni gilt als bedeutender deutschlandweiter Stimmungstest – die Abstimmung ist schließlich die letzte bundesweite Wahl vor der nächsten Bundestagswahl, die planmäßig im Herbst 2025 stattfinden soll. Mit Blick auf die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen und aktuelle Umfragen müssen die drei Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP vor der Europawahl zittern. Schneiden sie schlecht ab, lässt das Schlüsse auf die Chancen einer Wiederwahl der Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu. Die FDP will eine Katastrophe bei der Europawahl mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann abwenden.
Die streitbare Politikerin ist wohl die bekannteste Frau in den Reihen der Partei. Seit Beginn der Legislaturperiode hat sich die 65-jährige Verteidigungspolitikerin als strengste Kritikerin von Olaf Scholz innerhalb der Koalition hervorgetan. Unermüdlich forderte Strack-Zimmermann vom Kanzler, die militärische Unterstützung für die Ukraine auszuweiten. Derzeit setzt sie sich dafür ein, das Land im Krieg gegen Russland mit deutschen Taurus-Marschflugkörpern zu unterstützen. Mit ihrer Spitzenkandidatur für das Europaparlament steht Strack-Zimmermann nicht nur für das Bemühen der FDP, sich gegen den aktuellen Abwärtstrend der Ampel-Parteien zu stemmen.
Alice Weidel
Das Jahr 2024 dürfte von großer Bedeutung für die Pläne von Alice Weidel sein. Bei den drei Landtagswahlen im Osten kann die Partei aufgrund aktueller Umfragen mit starken Ergebnissen rechnen. „Auf Landesebene werden die anderen Parteien es vermutlich schaffen, die AfD von der Macht fernzuhalten“, erwartet Politikexperte Schroeder. Er rechnet allerdings damit, dass die AfD bei den Kommunalwahlen in neun Bundesländern im Frühsommer viele Mandate gewinnt. „Das sind daher die wichtigsten Wahlen für die AfD in diesem Jahr.“
Schroeder sieht innerhalb der Wählerschaft eine „Normalisierung“ der AfD: „Sie wird nicht mehr nur als extremistische Partei gesehen, sondern als Wettbewerber für dessen Wahl man sich nicht mehr schämen muss.“ Das kann auch Folgen für die nächste Bundestagswahl haben. Parteichefin Weidel kündigte vor einem halben Jahr bereits an, dass die AfD dann erstmals einen Kanzlerkandidaten aufstellen wolle. Wer das sein könnte, ließ sie zunächst offen. Ein Kanzlerkandidatin oder eine Kanzlerkandidatin stünde öffentlich stark im Fokus.
„Für die AfD wäre es aber auch eine weitere Chance zur Mobilisierung“, erwartet Schroeder. „Wenn jemand diese Rolle übernehmen kann, dann ist das Alice Weidel. Sie ist eloquenter und kontrollierter als ihr Co-Parteichef Tino Chrupalla.“ Für den Politikwissenschaftler ist klar: „Wahlerfolge der AfD in diesem Jahr dienen also auch den Absichten von Alice Weidel.“ Weidel, Wagenknecht, Strack-Zimmermann: drei Politikerinnen in einem entscheidenden Jahr ihrer Karrieren.
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