Düsseldorf. Kita-Kollaps in NRW: Gruppenschließung und reduzierte Betreuungszeiten nerven offenbar mehr berufstätige Eltern als bisher angenommen.

Krankheitsfälle und Personalmangel zwingen immer mehr Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen zur Schließung oder Einschränkung des Betreuungsangebotes.Laut der jüngsten Erfassung der Landesjugendämter für den Landtag hat jede vierte der NRW-weit 10.700 Einrichtungen ihre Öffnungszeiten reduziert, Gruppen geschlossen oder den Betrieb vorübergehend sogar vollständig eingestellt.

Da bislang nur die Meldungen bis Ende Oktober ausgewertet werden konnten, muss davon ausgegangen werden, dass die sich Personalsituation in den Wintermonaten sogar weiter verschärft hat. „Die nach drei Jahren Pandemie ohnehin personell schon angespannte Situation in den Kitas trifft zusammen mit einem seit langem bekannten und sich verschärfenden Fachkräftemangel und dazu noch auf aktuelle, saisonale Krankheitswellen“, sagte NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) unserer Redaktion und räumte Belastungen für Mitarbeiter, Familien und Kinder ein.

Wann Kita-Träger in NRW Personalengpässe melden müssen

Kita-Träger sind gesetzlich verpflichtet, Personalunterbesetzungen zu melden. Mit dem Landesjugendamt müssen dann Maßnahmen „zur Sicherstellung des Kindeswohls“ abgestimmt werden. In der Regel bedeutet das eine Einschränkung der Betreuungszeiten, was berufstätige Eltern häufig in Bedrängnis bringt.

Paul verwies auf ihr „Sofortprogramm Kita“, das den Einsatz von Ergänzungskräften und die Einstellung von ausländischen Erzieherinnen kurzfristig erleichtern soll. Zudem will das Land künftig einen schnelleren Überblick gewinnen, in welchen Einrichtungen die Lage besonders dramatisch ist. Um erstmals ein zentrales Bild über die Personalsituation zu bekommen, führe das Land aktuell ein Online-Modul mit landeseinheitlicher Datenerfassung ein, erklärte eine Ministeriumssprecherin. „Damit sollen die betriebsbedingten Schließungen von Betreuungseinrichtungen, die Wiederaufnahme des Betriebs sowie Meldungen potentieller Kindeswohlgefährdungen zentral erfasst und somit auch für das Land besser auswertbar werden.“

In NRW fehlen angeblich 110.000 Kita-Plätze

Für die Opposition im Landtag ist das alles zu kurz gesprungen. SPD-Familienexperte Dennis Maelzer fordert schon länger ein kreditfinanziertes 500-Millionen-Rettungspaket, um die von Tarifsteigerungen und Inflation gebeutelten Kita-Träger vor der Insolvenz zu bewahren. Zudem müsse schneller und massiver in die Fachkräfteoffensive investiert werden. Es klaffe landesweit inzwischen eine Lücke von mehr als 110.000 Betreuungsplätzen, so Maelzer: „Es ist längst ein Verteilungskampf um die Kita-Plätze entbrannt und insbesondere Kinder aus armen Familien verlieren ihn.“

Objektiv hat Ministerin Paul jedoch das Problem, dass der Betreuungsbedarf in NRW schneller wächst als die Zahl von Berufsanfängern, die sich bei eher schlechter Bezahlung für den anspruchsvollen Job in der frühkindlichen Bildung entscheiden. Von 2012 bis 2022 ist der Personalbestand in den Kitas zwar von 66.200 auf 91.400 kräftig gewachsen, im vergleichbaren Zeitraum sind aber auch über 1450 neue Kitas entstanden.