Berlin. Ein Bündnis verleiht der Forderung nach einem Verbot von Feuerwerk noch in diesem Jahr mit erschreckenden Zahlen Nachdruck.
Ein breites Bündnis aus 19 Organisationen bestehend aus Vertretern von Gewerkschaft der Polizei (GdP) über Bundesärztekammer und Tierschutzorganisationen fordert unter Führung der Deutschen Umwelthilfe ein schnelles Verbot von Besitz und Verkauf von Feuerwerkskörpern. Sie setzen sich unter dem Motto „#Böllerciao“ für ein friedliches Silvester ein. Mit der Präsentation der erschreckenden Zahlen haben die Beteiligten ihrer Forderung jetzt noch einmal Nachdruck verliehen. Mehr als 168.000 Menschen haben einen entsprechenden Offenen Brief der DUH am Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterzeichnet.
„Wir haben immer mehr Zahlen, wie viele Menschen geschädigt werden“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. So mussten einer Erhebung von Augenkliniken zufolge 838 Menschen bundesweit um den Jahreswechsel mit entsprechenden Verletzungen ambulant oder stationär behandelt werden. Ein neuer Rekordwert, der selbst deutlich über den rund 500 Fällen vor der Corona-Pandemie liegt. Zu Zeiten der Pandemie behandelten die Kliniken lediglich 79 respektive 193 Menschen.
Aktionsbündnis für Böllerverbot präsentiert erschreckende Zahlen
Durch die „archaische Böllerei“, wie es Resch nennt, komme es immer wieder auch zu Verletzungen Unbeteiligter. Dabei seien in den oben genannten Zahlen Behandlungen bei niedergelassenen Augenärzten oder solche bei anderen Fachrichtungen noch gar nicht mitgezählt. Zusammengenommen werde diese zehnmal so hoch geschätzt. Für den DUH-Geschäftsführer unverständlich, wo doch andere potenzielle gefährliche Tätigkeiten wie das Fahren eines Autos an den Besitz eines Führerscheins geknüpft seien und nicht alkoholisiert ausgeführt werden dürften.
Jürgen Resch sieht dabei die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatte im Auftrag der Verbraucherzentrale Brandenburg jüngst ermittelt, dass 59 Prozent der Bevölkerung ein Verbot von Böllern und Raketen befürworten.
Verletzungen an Silvester auf Allzeithoch: Ärzte schlagen Alarm
Die erschreckenden Daten untermauert Dr. Ameli Gabel-Pfisterer, Augenärztin am Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam. Die bislang „nie erreichten“ Daten vom Jahreswechsel 2022/23 seien besonders fundiert, da sich mittlerweile mehr als 90 Prozent der Augenkliniken beteiligten. Nach Zahlen aus der Studie von 2016 bis heute sind in rund 40 Prozent der Fälle Minderjährige betroffen, oft sogar Kinder unter zwölf Jahren. „Viele Verletzungen passieren erst am Neujahrstag, wenn die Kinder nach Böllerresten suchen“, sagt die Medizinerin. Verantwortlich dafür seien in erster Linie reguläre Feuerwerkskörper, selbstgebastelte und solche aus dem Ausland nur ein zusätzlicher Faktor.
Verletzungen durch Feuerwerkskörper sind dabei nicht nur ein Problem in der Zivilbevölkerung. Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), fürchtet ein „unfassbar arbeitsreiches“ Silvester. „Es wird gezielt und geplant auf Polizeibeschäftigte geschossen“,sagt er. Angriffe gebe es aber auch auf Feuerwehrleute und Rettungskräfte und das inzwischen auch zu Gelegenheiten wie Halloween. Sie müssten deswegen in Gruppenstärke geschützt werden.
Feuerwerk hat schwerwiegende Folgen für Tiere
Welche Folgen die Knallerei um den Jahreswechsel auch auf die Tierwelt hat, erläutert Dr. Moira Gerlach vom Deutschen Tierschutzbund. In 46 Prozent der Haushalte hierzulande lebe mindestens ein Haustier. Dazu käme die landwirtschaftliche Haltung und 48.000 heimische Wildtierarten. „Tiere sind extrem gestresst, verkriechen sich, sind tagelang wesensverändert“, sagt die Tierärztin. Aufgeschreckte Vögel prallten gegen Gegenstände, verbrauchten Energie, die zum Überleben in der kalten Jahreszeit essenziell sei. Bei Hunden und Katzen sei untersucht, dass sich die Geräuschangst meistens von Jahr zu Jahr verschlimmere.
Dabei sei der Tierschutz im Grundgesetz verankert, niemand dürfe ihnen ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Aus Sicht der Tierärztin sei das eigene Vergnügen kein entsprechender Grund.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fühlt sich bislang nicht richtig ernst genommen vonseiten der Politik. Gesprächsanfragen bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) blieben bislang unbeantwortet. Bezüglich der Ausweisung einzelner Verbotszonen sagt er: „Die Städte gehen an die Grenze dessen, was der Gesetzgeber erlaubt“. Gebe es kein bundesweites Verbot, so sei zumindest eine einheitliche Regelung wünschenswert, die es erlaube, ganze Städte als Verbotszone auszuweisen.
Der große Wurf fehlt jedoch bislang. Dabei habe die Corona-Zeit gezeigt, dass solche Vorhaben bei entsprechendem politischen Willen binnen Wochen – also auch noch bis Silvester – umsetzbar seien. Polizeigewerkschafter Kopelke will die Hoffnung daher, eine entsprechende Regelung noch in diesem Jahr durchzusetzen, nicht aufgeben.