Berlin. Ob Geld, Rechte oder Mitarbeiter: Sahra Wagenknecht verlässt die Linke – für die Fraktion steht viel auf dem Spiel. Wie geht es weiter?
In der Linksfraktion im Bundestag bereiten sie sich auf das Ende vor. 38 Abgeordnete zählt die Fraktion derzeit, 108 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es. Doch das könnte sich bald ändern – denn Sahra Wagenknecht gründet eine Partei und verlässt ihre bisherige politische Heimat. Weitere Mitstreiter wollen ihr folgen und die Linksfraktion verlassen, manche haben das bereits getan. Die Linke erfüllt damit nicht mehr die Bedingungen für eine Fraktion im Bundestag.
Parteigründung: Es gilt als sicher, dass Wagenknecht nicht alleine geht
Nach der Geschäftsordnung des Bundestags kann eine Fraktion gebildet werden, wenn es sich um einen Zusammenschluss von mindestens fünf Prozent der Parlamentsmitglieder handelt. Derzeit hat der Bundestag 736 Mitglieder – um eine Fraktion bilden zu können, bedarf es deshalb mindestens 37 Abgeordnete. Schon zwei Abgänge sind genug, damit die Linksfraktion diese Schwelle unterschreitet.
Und das scheint nun eingetreten zu sein. Denn Wagenknecht geht nicht allein. Am Montag hat die 54-Jährige in Berlin den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ präsentiert – explizit zur Vorbereitung einer neuen Partei. Bei der Vorstellung des Projekts waren auch zwei mit dabei sein, die derzeit noch der Linksfraktion angehören: Ex-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali und der Parlamentarier Christian Leye. Ali kündigte dabei an, dass sie selbst und weitere Abgeordnete aus der Linken ausgetreten sein.
Sowohl im neuen Verein als auch in der Linken Mitglied zu sein, ist ohnehin keine Option, das machte Linken-Chef Martin Schirdewan deutlich. Es sei klar, „dass die, die sich an der Bildung einer Konkurrenzpartei beteiligen, in unserer Partei nichts mehr zu suchen haben und rausfliegen werden“, sagte er am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Damit meine er alle, die diesem Verein beitreten oder ihn gegründet haben. Und ohne in der Partei zu sein, könne man auch kein Mitglied in der Linksfraktion sein.
In der Linken bereitet man sich deshalb darauf vor, dass es die Fraktion bald nicht mehr geben wird. Er gehe davon aus, „dass wir den Fraktionsstatus im Januar verlieren werden, wenn die neue Partei real gegründet wird“, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch dem „Tagesspiegel“. Auch Wagenknecht selbst kündigte inzwischen an, dass die Linken-Fraktion im Bundestag nicht weiter bestehen könne. Die Jobs der 108 bisherigen Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind damit in Gefahr.
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Wegen Wagenknecht-Partei: Linke verliert Gelder und parlamentarische Rechte
Für die Linke bedeutet der Zerfall der Fraktion nicht nur den Verlust von Fraktionsgeldern und Mitarbeitern, sondern auch weniger parlamentarische Rechte im Bundestag, etwa bei Redezeiten oder in parlamentarischen Gremien.
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Die verbleibenden Abgeordneten haben laut Geschäftsordnung die Möglichkeit, eine Gruppe zu bilden. Bisher konnten Gruppen im Bundestag – entsprechend ihrer Größe – Mitglieder in den Ältestenrat sowie in die Ausschüsse entsenden. Sie erhielten begrenzte Mittel für Mitarbeitende und die Büroinfrastruktur. Sie konnten bislang jedoch keine namentlichen Abstimmungen verlangen oder beantragen, ein Regierungsmitglied herbeizurufen.
Dass es in dieser Legislaturperiode überhaupt eine Linksfraktion gibt, liegt an einer Besonderheit des Wahlrechts: Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die Linkspartei die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, kam bundesweit nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen. Doch in drei Wahlkreisen – zwei in Berlin, einer in Leipzig – schafften es Kandidaten der Partei, trotz des insgesamt miserablen Ergebnisses die Direktmandate zu holen. Und eine Besonderheit im Wahlrecht, die sogenannte Grundmandatsklausel, stellte in der Folge sicher, dass die Partei entsprechend ihres Wahlergebnisses Abgeordnete in den Bundestag schicken und eine Fraktion stellen konnte. (mit afp)