An Rhein und Ruhr. Land und Kommunen fangen Kostensteigerungen bei Kitas nur teilweise und verspätet auf. Deswegen fehlt Geld. Schließungen drohen. Demo geplant.
Die Träger von Kitas und Ganztagsangeboten an Schulen (OGS) schlagen Alarm. Steigende Energie- und Personalkosten treiben Einrichtungen in die roten Zahlen. „Ein Viertel der 1750 Kitas in evangelischer Trägerschaft sieht für das kommende Jahr Liquiditätsengpässe“, so Henrike Tetz, Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche im Rheinland. Insgesamt entstehe bei den so genannten Freien Trägern von Kitas 2024 eine Liquiditätslücke von rund 500 Millionen Euro.
Grund sind steigende Energiepreise und ein Tarifabschluss mit Lohnsteigerungen von zehn bis elf Prozent. Das Land erhöht zwar auch seine Beiträge – aber erst mit einer Verzögerung von anderthalb Jahren. Hinzu kommt: Viele Kirchengemeinden können ihren Eigenanteil nicht mehr finanzieren.
Personaldecke ist so dünn, dass Betreuung oft wackelt
Henrike Tetz: „Unsere Sorge ist, dass Träger ihre Einrichtungen abgeben oder schließen und das in einer Situation, wo es zu wenig Betreuungsplätze gibt. Es ist jetzt schon so, dass die personelle Ausstattung am Limit ist. Wenn jemand erkrankt, sind wir unterbesetzt und müssen Betreuungszeiten kürzen.“ Für Eltern wie Kinder eine sehr unsichere und unbefriedigende Situation. Und eine, die sich fortsetzen könnte.
Denn für Aus- und Weiterbildung fehlen dann ebenfalls Personalressourcen, so die Evangelische Kirche. Die Caritas und die katholischen Gemeinden, die rund 2250 Kindertageseinrichtungen im Land betreiben, sehen es ähnlich: „Das geht bis hin zu Insolvenzen einiger Träger und führt dazu, dass wir Einrichtungen schließen müssen“, so Stephan Jentgens, Diözesan-Caritasdirektor in Aachen und Vorsitzender der NRW-Ausschusses für Kitas in der freien Wohlfahrtspflege.
Das Land, so Jentgens und die Diakonie, haben 100 Millionen zur Zwischenfinanzierung zugesichert– etwa die Hälfte ihres Beitrags. Noch mehr Geld müsste allerdings von den Kommunen kommen. „Da ist eine vorzeitige Erhöhung der Kostenpauschalen allerdings eine Billigkeitslösung“, so Jentgens. Heißt: Mehr zu zahlen ist den Kommunen freigestellt, so sie nicht der Haushaltssicherung unterliegen.
Kirchengemeinden können Kitas nicht mehr mitfinanzieren
„Wir sind an einem Kipppunkt“, so die Freien Träger unisono, die vier von fünf Kitas im Land betreiben. Zwar seien Kitas so ziemlich das Letzte, was Kirchengemeinden aufgeben wollten, doch bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen finanzieren viele schon jetzt nicht den für „reiche Träger“ vorgeschriebenen Anteil von zehn Prozent.
Alle Hoffnungen ruhen auf einer Neufassung des Kita-Gesetzes (KiBiZ) mit neuer Finanzierung ab 2026. Dann, wenn auch der Rechtsanspruch für den Offenen Ganztag greift. Doch auch da signalisieren die Freien Träger: Mehr als Verwahrung wird es kaum geben, wenn die Finanzierung nicht gelöst wird. Auch hier finanzieren Kommunen eher nach politischem Willen und Kassenlage.
Die Folge: Gerade in ärmeren Kommunen ist der Offene Ganztag, für den ab 2026 ein Rechtsanspruch besteht, besonders drastisch unterfinanziert, kritisiert der Paritätische NRW. „Die OGS in NRW ist strukturell unterfinanziert, Träger gehen auf dem Zahnfleisch. Hinzu kommt: Es mangelt an landesweiten Standards. Gerade in finanzschwachen Kommunen, wo eine gute Bildung und Betreuung der Kinder besonders wichtig wäre, wird die OGS noch schlechter finanziert. So kann das nicht weitergehen, die Qualität der OGS darf nicht vom Wohnort abhängen!“, so Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des Paritätischen NRW
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, rufen die Freien Träger am Donnerstag zu einer Demonstration vor dem Landtag auf – um fünf vor zwölf. Sie rechnen mit 10.000 Teilnehmern.