Essen. Feuerwehrleute haben in Essen gegen die geplante Anhebung der Lebensarbeitszeit protestiert. Was sie in der Innenstadt genau gefordert haben.
Mit so viel Resonanz hatte die Gewerkschaftsführung nicht gerechnet: Mehr als 150 Feuerwehrleute aus Essen, Mülheim und Oberhausen haben am Donnerstag (12. Oktober) in der Essener Innenstadt gegen Pläne der Landesregierung protestiert, ihre Lebensarbeitszeit von jetzt 60 auf 62 Jahre zu verlängern. Hauptrednerin Andrea Becker (Verdi) brachte die Botschaft an die Regierung auf den Punkt: „Finger weg von der Anhebung der Altersgrenze, sonst kriegt Ihr Stress mit uns.“
Für eine gute Stunde in der Mittagszeit beherrscht die Feuerwehr den kleinen Hirschlandplatz in Essens Mitte. Feuerwehr- und Rettungswagen fahren vor. Die meisten Demonstranten tragen – obwohl gar nicht im Dienst – Uniformen, Dienstanzüge oder Einsatzkleidung. Immer wieder brandet lautstarker Beifall auf, immer wieder erfüllt ein gellendes Trillerpfeifen-Konzert den Platz. Man spürt: Die Stimmung ist gereizt.
In vielen Wachen an Rhein und Ruhr laufen schon seit einiger Zeit Foto-Aktionen. Gezeigt werden blaue Protest-Banner mit einem deutlichen Nein zu den Düsseldorfer Regierungsplänen. In Essen bringen Feuerwehrleute aus drei Revier-Großstädten ihren den Protest am Donnerstag auf die Straße. Vom „Essener Signal“ ist die Rede. Auf Schildern, Papptafeln und Bannern ist die klare Lösung zu lesen. Sie lautet: „Die 60 muss bleiben.“ Ihr Buhmann ist Innenminister Herbert Reul (CDU), der das Landesbeamtengesetz novellieren möchte.
„Körperliche Fitness und mentale Stärke sind das A und O in unserem Job“
Hauptbrandmeister Stefan Dolczewski (46) steht seit bald 20 Jahren in Diensten der Essener Berufsfeuerwehr und deckt das komplette Einsatzspektrum ab: Brandschutz, Rettungsdienst und Leitstelle. Er versieht in der Leitstelle einen Bürojob, um beim Löscheinsatz am nächsten Tag in voller Montur und unter Pressluftatmer ins Feuer zu gehen, um Menschenleben zu retten.
„Körperliche Fitness ist das A und O in unserem Job, genauso wichtig ist die mentale Stärke“, sagt der Essener. Jedes Jahr gelte es, diese Fitness in Ernstfall-Übungen nachzuweisen. Mit 46 fühlt sich der Feuerwehrmann fit, aber er ahnt, dass es in zehn Jahren anders sein könnte.
Die von der Regierung geplante Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 62 hält er deshalb für einen Irrweg. „Die Belastungen in unserem Beruf sind inzwischen so groß, dass es für diejenigen, die auf die 60 zugehen, eine riesige Herausforderung ist, dem Druck standzuhalten“, argumentiert Dolczewski.
24-Stunden-Schichten mit 20 Einsätzen und Dienste mit 50 Stunden pro Woche
Personalratschef Kai-Uwe Gaida („Wir haben einen dicken Hals“) rechnet vor, dass allein in Essen aktuell 140 ausgebildete Feuerwehrleute und Rettungssanitäter fehlen. „Wir bilden so viel aus, wie es nur geht, aber wir sind völlig am Limit“, fügt er hinzu. Die Kolleginnen und Kollegen müssten immer wieder 24-Stunden-Schichten absolvieren und seien gut 50 Stunden pro Woche im Dienst. 18 bis 20 Einsätze binnen 24 Stunden seien der Normalfall. „Danach sind die Leute fertig.“
Gaida kennt die Psyche der Feuerwehrleute und weiß allzu gut, dass sie alles andere als wehleidig sind oder fortwährend stöhnen. Er trifft den Ton, indem er sagt: „Die Feuerwehr funktioniert bei uns nur, weil die Kolleginnen und Kollegen ihren Job mit Herzblut machen.“
Andrea Becker, die Verdi-Hauptrednerin, findet ebenfalls Worte, die die Feuerwehr-Seele berühren. „Ihr macht einen Knochenjob und haltet den Laden am Laufen“, sagt sie. Vom Eintritt in den Feuerwehrdienst bis zur Pensionierung blieben die Anforderungen im Alltag gleich hoch. „Das Feuer brennt nicht langsamer und die Leitern sind am Ende des Berufslebens genauso lang wie am Anfang.“ Die Gewerkschaftsführerin vergisst auch nicht, die zunehmenden Angriffe auf Feuerwehrleute und Rettungssanitäter zu erwähnen. „Ihr habt mehr Respekt verdient.“ Bei Sätzen wie diesen brandet Beifall auf.
Die Verdi-Gewerkschafter rufen – rhetorisch passend – dazu auf, „die Flamme des Protestes“ ins ganze Land zu tragen. Eine erste, zweistündige Mahnwache ist für den 26. Oktober vor dem Düsseldorfer Landtag geplant, die zweite soll Ende November stattfinden und 24 Stunden dauern.
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