Berlin. Nach den Wahlen ringen SPD, Grüne und FDP um Fassung. Nancy Faeser erhält eine Job-Garantie, Christian Lindner wirkt ungewohnt still.
Demut ist ein Begriff, den man nicht unbedingt mit Christian Lindner in Verbindung bringt. Normalerweise strotzt der FDP-Chef und Bundesfinanzminister vor Selbstvertrauen. Nach dem Wahldebakel seiner Liberalen in Hessen und Bayern allerdings war am Montag in Berlin ein ziemlich leiser Lindner zu sehen. Alle drei Ampel-Partner hätten bei den Landtagswahlen deutlich verloren, sagte er. Man müsse feststellen, „dass die Koalition den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger nicht entspricht“. Auch er selbst habe einen Anteil daran.
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Seit knapp zwei Jahren reagieren SPD, Grüne und FDP nun gemeinsam im Bund. Bei Landtagswahlen werden sie seitdem fast regelmäßig abgestraft. So heftig wie die Liberalen, die gleich reihenweise aus den Parlamenten flogen und in Hessen jetzt nur mit Mühe auf fünf Prozent der Stimmen kamen, traf es die beiden anderen Partner bislang allerdings nicht. Am Montag versuchten alle drei Parteien nach den Sitzungen ihrer Gremien, irgendwie einen Weg nach vorn zu beschreiben. Allerdings ist die Ratlosigkeit förmlich mit Händen zu greifen.
Ampel: Thema Migration steht weit oben auf der Tagesordnung
Lindner sagte, der gemeinsame Auftrag der Koalition sei nun, in sich zu gehen und die Regierungsarbeit kritisch zu prüfen. Für den 20. Oktober sei ein Koalitionsausschuss anberaumt, dass sei eine erste Gelegenheit dazu. Die wahlentscheidenden Themen in Bayern und Hessen seien eigentlich FDP-Themen gewesen seien – nämlich die wirtschaftliche Entwicklung, ein Klimaschutz „mit Augenmaß“, die Eindämmung der Migration und weniger Vorschriften, die die Freiheit der Menschen beschränken.
Auch die Sozialdemokraten konnten am Montag noch keinen Plan präsentieren, wie die Ampel die zweite Hälfte der Wahlperiode überstehen will. SPD-Chefin Saskia Esken erinnerte die Koalition daran, dass sich die Menschen keinen Streit wünschten, sondern Orientierung und Sicherheit sowie Antworten auf die großen Herausforderungen der Zeit. „Viele Antworten hat die Ampel gegeben, aber viele hat sie eben auch im Streit gegeben.“ Die Regierung sei aber handlungsfähig.
Grüne wollen nach der Wahl Vertrauen zurückgewinnen
Gemeinsam mit der in Hessen als Spitzenkandidatin gescheiterten Innenministerin Nancy Faeser hob die SPD-Chefin hervor, dass das Thema Migration für die Koalition oben auf der Tagesordnung stehe. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft sowie die geplante Stabilisierung der Renten sollen die Ampel wieder in die Offensive bringen. Ein angekündigtes Rentenpaket lässt allerdings seit Monaten auf sich warten.
Faeser erhielt am Tag nach ihrer Wahlschlappe eine Jobgarantie von Kanzler Olaf Scholz: „Er ist fest entschlossen, auch weiterhin mit Nancy Faeser als Bundesinnenministerin im Kabinett zusammenzuarbeiten“, stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit klar.
Kommentar: Verzockt! Faeser richtet gleich doppelten Schaden an
Grünen-Chef Omid Nouripour sagte nach der Sitzung seines Parteivorstandes: „Es gilt für die Ampel-Parteien, dass wir Vertrauen zurückgewinnen.“ In der Gesellschaft gebe es große Verunsicherung, die Koalition müsse sich mit der wirtschaftlichen Lage und der hohen Inflation befassen. Die Koalition müsse das gemeinsam Erreichte besser darstellen, anstatt die eigene Politik durch ständigen Streit zu übertönen. Sein Eindruck am Tag nach der Wahl sei, dass dies alle Koalitionspartner so sähen, ergänzte Nouripour.
Partei | Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) |
Gründung | 23. Mai 1863 |
Ideologie | Sozialdemokratie, Sozialstaat, Europäische Integration |
Vorsitzende | Saskia Esken und Lars Klingbeil (Stand: April 2023) |
Fraktionsstärke | 206 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023) |
Bekannte Mitglieder | Olaf Scholz, Karl Lauterbach, Frank-Walter Steinmeier |