Berlin. CDU-Ministerpräsident Boris Rhein ist einer der Gewinner bei der Landtagswahl in Hessen. Von Parteichef Merz hebt er sich deutlich ab.
Boris wer? Vor der Wahl am Sonntag war der 51-jährige CDU-Mann außerhalb von Hessen den wenigsten ein Begriff, kaum jemand hatte ihn als Machtfaktor jenseits der Landesgrenzen auf dem Schirm. Jetzt hat Boris Rhein der Union mit einem satten Plus von knapp acht Prozent einen „sensationellen“ Sieg verschafft, wie Parteichef Friedrich Merz jubelt. Dabei ist Rhein alles andere als ein glühender Merz-Fan. Der alte und vermutlich neue hessische Regierungschef hat als Landesvater Erfolg mit einem Stil, der auf Schärfe verzichtet. Das war nicht immer so.
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„Ich glaube, die Strategie ist richtig gewesen, zwar eine sehr klare konservative Sprache zu sprechen, aber eben keine falschen Signale zu senden“, sagt Rhein am Tag nach der Wahl. Was der Hesse unter falschen Signalen versteht, war kurz vor der Wahl deutlich geworden. Mit Blick auf die Äußerungen von Friedrich Merz zum angeblich massenhaften Missbrauch von Zahnarztbehandlungen durch abgelehnte Asylbewerber erklärte Rhein: „Das ist eine Wortwahl, die hätten Sie so von mir nicht gehört.“ Auch Merz‘ Satz, dass die Grünen keine Koalitionspartner für die Union sein könnten, dürfte Rhein irritiert haben: Er regiert in Hessen erfolgreich ein schwarz-grünes Bündnis.
Der Jurist, der im Frühjahr 2022 Nachfolger von Ministerpräsident Volker Bouffier wurde, kennt sich aus mit Konstellationen, die auf den ersten Blick nicht gut zusammenpassen: Seine Frau Tanja Raab-Rhein (51) lernte er vor 27 Jahren beim Jurastudium in Frankfurt kennen: Liebe auf den ersten Blick sei es nicht gewesen, erzählte die heutige Richterin am Landgericht einmal. Ihr späterer Mann, damals Mitglied in der Jungen Union, sei ihr „zu konservativ“ gewesen.
Rhein selbst sagt dazu: „Sie hielt mich für einen stockkonservativen JU-Fuzzi, mir hat sie zu grün gedacht, weil sie gegen die Atomversuche der Franzosen in der Südsee war und eine Kampagne gegen Jacques Chirac unterstützt hat.“ Heute leben die beiden als Familie in Frankfurt, einer der beiden Söhne ist bereits erwachsen.
Boris Rhein: Karriere mit Höhen und Tiefen
Rhein wurde mit 27 Jahren ins Landesparlament gewählt, 2010 wurde er Innenminister. In der konservativen Hessen-CDU passte er als Law&Order-Mann ins Bild. Doch die Karriere verlief mit Höhen und Tiefen: Nach dem steilen Aufstieg bis in die Landesregierung unterlag Rhein 2012, damals war er gerade 40 Jahre alt, bei der Stichwahl um den Frankfurter Oberbürgermeisterposten dem SPD-Kandidaten. Eine herbe Schlappe – doch Rhein rappelte sich wieder auf: 2014 gelangte er als Wissenschaftsminister in Hessens erste schwarz-grüne Landesregierung, 2019 rückte er an die Spitze des Landtags.
Erst konservativer Hardliner, dann schwarz-grüner Landesvater – und als nächstes Reservist für die Kanzlerkandidatenfrage in der Union? Die Parallelen zu Parteifreund Hendrik Wüst sind unübersehbar. Anfang August traf sich der Hesse mit dem NRW-Ministerpräsidenten in Outdoorjacke und Wanderschuhen, um von Nordhessen über die Landesgrenze ins westfälische Sauerland zu wandern. Einer fehlte: Friedrich Merz, der dort zu Hause ist, war nicht dabei.
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Boris Rhein ist kein Dauergast in Talkshows, sein Gesicht aber wird jetzt öfter bundesweit zu sehen sein: Der Hesse ist für die kommenden sechs Monate direkter Konterpart von Kanzler Olaf Scholz, als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz. Am 6. November steht das nächste Bund-Länder-Treffen an. Es geht um Flüchtlinge, überlastete Kommunen und mehr Geld vom Bund. Rhein, der in Hessen mittlerweile als guter Vermittler gilt, wird zeigen müssen, ob das auch über Hessen hinaus gilt.