Berlin. Der Einheitsbericht zeigt: „Den Osten“ – es gibt ihn gar nicht. Doch es lohnt, auf Fakten zu schauen – auch im Kampf gegen die AfD.
Was bleibt von der ehemaligen DDR, 33 Jahre nach ihrem Ende? Unter anderem: rund 108.000 Quadratkilometer Projektionsfläche. Der abhängte Osten, der rechte Osten, der Osten, der mit seiner Erfahrung in dem, was euphemistisch Transformationsprozess genannt wird, jetzt ganz vorn dabei sein soll bei der Energiewende – für alle möglichen Vorstellungen findet sich Platz.
Dabei gibt es „den Osten“ als gleichförmiges Ganzes natürlich gar nicht, wie auch der jüngste Bericht des Ostbeauftragten der Bundesregierung feststellt. Zwischen Rostock und dem Erzgebirge etwa liegen nicht nur gut 500 Kilometer, sondern auch große Unterschiede im Selbstverständnis und der regionalen Kultur. Und einige Viertel Leipzigs haben mehr gemeinsam mit süddeutschen Universitätsstädten als mit den Mittelzentren im Rest Sachsens.
Und doch gibt es immer noch Spuren der Vergangenheit, die das gesamte Gebiet der ehemaligen DDR verbinden. Da sind zum einen die Momente, in denen immerhin rund 13 Millionen Menschen merken, dass sie als Standard oft immer noch nicht mitgemeint sind. Etwa wenn es um „deutsche Geschichte“ geht, und damit regelmäßig nur das gemeint ist, was westlich der Mauer passierte.
Oder die konkreten materiellen Unterschiede, die auch mehr als eine Generation nach dem Fall der Mauer noch bestehen. Niedrigere Löhne, niedrige Tarifbindung und vor allem: niedrige Vermögen und damit auch Erbschaften. Junge Ostdeutsche studieren inzwischen fast genauso oft wie ihre westdeutschen Altersgenossen, aber sie tun das oft mit einem wesentlich dünneren finanziellen Sicherheitsnetz.
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Das Sicherheitsnetz fühlt sich dünner an
Das Gefühl, dass die Maschen des Netzes größer werden, gibt es auch an anderen Stellen: In Ostdeutschland, konstatiert der Bericht, lebe ein höherer Anteil der Menschen in Regionen mit lückenhafter Daseinsvorsorge. Übersetzt heißt das für viele: weniger Ärzte, weit entfernte Einkaufsmöglichkeiten, kaum Busse, die dort hinfahren. Das gilt für Teile Westdeutschlands zwar genauso. Doch vor allem in Ostdeutschland verbindet sich diese Realität mit den Erfahrungen der Nachwendejahre zu einem unguten Gefühl, dass im Zweifel gesellschaftlich nicht aufgefangen wird, wer fällt. Und das ist zumindest ein Teil der Erklärung für den übergroßen Erfolg der AfD in sämtlichen ostdeutschen Flächenländern.
Die gute Nachricht: Fehlende Ärzte und Busse, die nicht kommen, sind konkrete Probleme, die man lösen kann, auch wenn es nicht einfach ist und in vielen Fällen Geld kostet. Dieses Geld sollten die Verantwortlichen in Berlin, aber auch in den Landeshauptstädten bereit sein zu investieren – es gibt dafür viel zu gewinnen.
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Um die tatsächlichen Probleme angehen zu können, braucht es allerdings einen klaren Blick auf die Realität. Für die Politik bedeutet das, ernst zu nehmen, dass die Arbeit noch nicht getan ist. Für viele Menschen in Ostdeutschland bedeutet es, sich der Tatsache zu stellen, dass der Stempel vom „rechten“ Osten der Region nicht nur von einer (immer noch westdeutsch geprägten Medienlandschaft) aufgedrückt wird.
Bei allen Erfolgen, die die AfD in Teilen Westdeutschlands hat – so groß wie in den ostdeutschen Flächenländern ist der Zuspruch sonst nirgends. Und auch wenn die Bundesregierung und die gesamte Gesellschaft dazu beitragen müssen, dass dieser Zuspruch sinkt, ist es am Ende ein Kampf, den Demokraten vor Ort gewinnen müssen.
33 Jahre nach der Wiedervereinigung wird es deshalb für alle Zeit, die Projektionen beiseite zu stellen und auf das zu schauen, was ist.
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