Berlin. Nancy Faeser (SPD) ist doppelt unter Druck: als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen – und als Bundesinnenministerin.
Es geht um mehr Kontrolle in der Migrationspolitik. Um zusätzliche Grenzkontrollen in Sachsen und Brandenburg. Dafür sorgen soll Nancy Faeser (SPD): Das fordern Abgeordnete der Union und der AfD im Bundestag. Sie sehen die Bundesinnenministerin in der Verantwortung.
Klar ist: Faeser ist unter Druck – und zwar auf zwei Ebenen. Schließlich ist sie nicht nur Bundesministerin, sondern auch Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Hessen – und als solche holt sie eine Affäre aus dem vergangenen Jahr ein. Damals hatte sie nach einer kritischen Fernsehsendung einen Behördenleiter aus ihrem Verantwortungsbereich entlassen. Ob das so richtig war und wie sie im Anschluss öffentlich darüber sprach, dazu gibt es viele Fragen. Kurzum: Nancy Faeser ist zweieinhalb Wochen vor der Hessen-Wahl in keiner komfortablen Situation.
Hinzu kommt der Vorwurf, die Ministerin habe zuletzt – womöglich mit Blick auf die anstehende Wahl – versucht, sich vor Antworten auf schwierige Fragen zu drücken. So erschien sie erst gar nicht zu der Befragung zur Abberufung des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, die seit langem vom Innenausschuss gefordert wurde. Dann hieß es, Faeser habe veranlasst, ihre routinemäßig anstehende Befragung zu verschiedenen Themen im Plenum des Bundestages auf einen Zeitpunkt nach der Landtagswahl zu verlegen.
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Kritik an Faeser kommt auch aus der Ampel-Fraktion
Dass beides einen schlechten Eindruck hinterlassen könnte, ist inzwischen offenbar auch Faeser und ihrem Team aufgefallen. Am Mittwoch erscheint sie jedenfalls erst zur Innenausschuss-Sitzung hinter verschlossenen Türen und stellt sich danach der Befragung unter der Reichstagskuppel. Dort ist kurzfristig eine Lücke in der Tagesordnung aufgetaucht, nachdem der ursprünglich für die Befragung angemeldete Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wegen einer Corona-Infektion abgesagt hat.
Dabei wird klar: Ganz kalt lassen die SPD-Politikerin die Attacken im Stakkato-Takt nicht. Das zeigt der gelegentlich ins Sarkastische rutschende Ton, den die sonst meist fröhliche Ministerin bei der Beantwortung der Fragen im Plenum anschlägt. Zumal auch aus den Reihen der Ampel-Fraktionen Kritik kommt. Etwa weil sie dem Innenausschuss über Wochen nicht für Fragen zur Abberufung Schönbohms zur Verfügung stand.
Auf Fragen zur Migrationspolitik verweist die Ministerin im Bundestag auf die Einigung der EU-Innenminister zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Unschön, dass das Europaparlament etwa zur gleichen Zeit eine Blockade von Verhandlungen über die geplante Reform des EU-Asylsystems ankündigt. Begründet wird der Schritt damit, dass sich die Regierungen der Mitgliedstaaten zu einem umstrittenen Teilbereich der geplanten Reform, der sogenannten Krisenverordnung, bislang nicht positioniert haben.
Grober Fehler bei der Reform des kommunalen Wahlrechts
Der Vorschlag, den die Bundesregierung kritisch beurteilt, sieht in Krisensituationen beispielsweise längere Fristen für die Registrierung von Asylgesuchen an den Außengrenzen vor sowie eine Verlängerung des Aufenthalts in Einrichtungen in Grenznähe. Außerdem die Möglichkeit, Standards bei Unterbringung und Versorgung zu senken.
Den Befürwortern stationärer Grenzkontrollen hält Faeser entgegen, die Schleierfahndung im grenznahen Raum sei „an vielen Stellen erfolgreicher“. Während der Befragung steht der AfD-Abgeordnete Martin Hess auf und fragt, wann Faeser „zum Wohle unseres Landes“ zurücktreten wolle.
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Und als ob das alles noch nicht genug Ärger wäre: Die hessische SPD korrigierte diese Woche eine Passage zur Reform des kommunalen Wahlrechts für Ausländer in ihrem Wahlprogramm. In dem Absatz, der für einige Aufregung gesorgt hatte, geht es um das Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer bei kommunalen Wahlen. Im Wahlprogramm wurde bislang eine Dauer von sechs Monaten genannt, was aber nach Angaben der hessischen SPD auf einen Übertragungsfehler zurückgehen soll. Richtig sei ein Zeitraum von sechs Jahren. Die Regelung solle außerdem nur für Nicht-EU-Ausländer mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel gelten.
Wird Faeser sich als Bundesinnenministerin halten können?
Wahlumfragen sind keine Prognosen und in Hessen gibt es, wie Faeser betont, noch viele Unentschlossene. Doch der Blick auf die aktuellen Umfragen zeigt: Es sieht eher nicht danach aus, dass Faeser in Hessen Ministerpräsidentin wird. Ihre SPD liegt in den jüngsten Erhebungen mit einem Abstand von mehr als zehn Prozentpunkten hinter der CDU, die in der Sonntagsfrage zuletzt 31 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte.
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Die Kritik in der Causa Schönbohm sei „Theaterdonner“ der Union, der wohl dem Zweck diene, ihr im hessischen Wahlkampf zu schaden, sagt Faeser. So sehen es auch einige ihrer Parteifreunde. Doch in den Fluren des Bundestages wird inzwischen schon über eine ganz andere Zukunftsfrage, die sie betrifft, spekuliert: Wird sich Faeser als Bundesinnenministerin halten können, wenn die SPD in Hessen nicht zumindest ein respektables Ergebnis einfahren sollte? Die Spitzenkandidatin selbst sagte dazu vor einigen Tagen im Gespräch mit Journalisten: „Ich gehe davon aus, dass ich meinen Ministerposten halten würde, aber das entscheidet natürlich der Bundeskanzler.“ (fmg/dpa)