Berlin. Viele Väter wollen sich stärker in der Familie engagieren. Doch die Realität sieht oft anders aus – auch, weil es ihnen an Mut fehlt.

Immer mehr Väter in Deutschland streben in der Familie eine partnerschaftliche Aufgabenteilung an und wollen sich stärker in die Kinderbetreuung einbringen. Das ist zentrales Ergebnis des neuen Väterreports 2023, den Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Dienstag vorstellen will und der unserer Redaktion vorab vorliegt. Jeder zweite Vater möchte demnach die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. 55 Prozent finden, dass kleine Kinder genauso gut vom Vater betreut werden können wie von der Mutter.

„Ein schöner Befund: Familie spielt für Väter eine wichtige Rolle“, kommentierte Paus das Ergebnis. „Der neue Väterreport zeigt, dass sich Väter viel stärker als früher eine partnerschaftlich organisierte Aufgabenteilung in der Familie wünschen“, sagte die Ministerin unserer Redaktion. Dennoch sei die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit noch immer groß. Denn der Report zeigt auch: So sehr sich das gesellschaftliche Vaterbild in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat – bei der Umsetzung partnerschaftlicher Vorstellungen hapert es noch.

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Auch wenn die Hälfte der Väter die Kinderbetreuung zu gleichen Teilen aufteilen will, in der Praxis setzt nur jeder Fünfte das Vorhaben auch um. Diese Diskrepanz ziehe sich durch viele Bereiche, schreiben die Studienautoren. So befürworten zwei Drittel der Väter gleiche berufliche Chancen und die finanzielle Unabhängigkeit beider Elternteile. Dennoch verharrten mehr als die Hälfte der Väter im traditionellen Familienbild, wenn es um die zeitliche Aufteilung der Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit geht.

Ministerin Paus: So könnte die Familienstartzeit helfen

„Was die tatsächliche Entlastung der Mütter bei der Familienarbeit angeht, ist noch Luft nach oben“, kommentiert Paus den Befund. Es brauche „mehr mutige Väter“, die partnerschaftliche Ziele verwirklichten, aber auch Politik und Wirtschaft müssten die Vereinbarkeit auch für Väter in den Blick nehmen. Die Grünen-Politikerin verwies in diesem Zusammenhang auf die von ihr geplante neue Familienstartzeit: „Ich möchte Vätern Mut machen, ihre Wünsche in die Tat umzusetzen. Die Familienstartzeit soll Eltern darin unterstützen, sich in der frühen Familienphase partnerschaftlich einzuspielen.“

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). © epd | Christian Ditsch

Väter sollten sich künftig für die ersten zehn Arbeitstage nach der Geburt ihres Kindes bei vollem Lohnausgleich freistellen lassen können. „Beide Eltern haben so Zeit, früh eine enge Bindung zum Kind aufzubauen und sich von Anfang an die Aufgaben partnerschaftlich zu teilen“, erklärte die Ministerin das Vorhaben, das noch vom Bundeskabinett und vom Bundestag beschlossen werden muss.

Denn der Report macht einen entscheidenden Zeitpunkt aus, an dem die Weichen für die Qualität der partnerschaftlichen Aufteilung gestellt werden: Die Geburt des Kindes. Was die Partner nach der Geburt an Aufgabenteilung einüben, wird im Laufe der Zeit beibehalten. „Diese Aufteilung bleibt bei fast allen Familien für lange Zeit unverändert bestehen, sie wird im Alltag verfestigt“, sagte Paus.

Der Report unterstreicht deshalb auch, dass Elternzeit und Elterngeld eine „sehr hohe Bedeutung“ haben. 34 Prozent der Familien, in denen beide Partner Elternzeit genommen haben, sagen, dass sie dadurch zu einer gerechteren Aufgabenteilung gefunden hätten.

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Immerhin: Der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen und dabei Elterngeld beziehen, steigt stetig an. Während 2008 der Vater jedes fünften Kindes in Deutschland Elterngeld bezog, erhöhte sich der Anteil bei den 2020 geborenen Kindern auf knapp 44 Prozent. „Insgesamt ist vielen Vätern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Anliegen“, bilanziert der vom Familienministerium herausgegebene Report. Dies werde auch in der weit verbreiteten Bereitschaft deutlich, zugunsten besserer Vereinbarkeit den Job zu wechseln.

Studie stellt fünf Vätertypen vor – von engagiert bis pragmatisch

„Eine familienfreundliche Unternehmenskultur mit aktiver Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird so zu einem Standortvorteil.“ Die Partnermonate im Elterngeld hätten bei Arbeitgebern aber schon zu einem Bewusstseinswandel geführt: In jedem dritten Unternehmen würden auch Führungskräfte als Väter Elternzeit nehmen.

Bei einem Kurs für werdende Väter in Duisburg Tipps holen – das ist für immer mehr Männer selbstverständlich.
Bei einem Kurs für werdende Väter in Duisburg Tipps holen – das ist für immer mehr Männer selbstverständlich. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Doch macht der Report auch deutlich, dass Vater nicht gleich Vater ist. Erstmals werden fünf unterschiedliche Vätertypen identifiziert, die sich in ihren Einstellungen und Wünschen deutlich unterscheiden: Jeder fünfte Vater zählt demnach zu den „überzeugten Engagierten“, die besonders von einer gleichmäßigen Aufgabenteilung überzeugt sind und sich entsprechend in die Kinderbetreuung einbringen – überwiegend Väter mit gutem Einkommen und zwei Kindern.

Drei von zehn Vätern wollen traditionelles Rollenmodell

Der „urbane Mitgestalter“ mit einem Anteil von elf Prozent ist jung, großstädtisch geprägt und partnerschaftlich eingestellt, weshalb er bei der Kinderbetreuung „auch mal mehr übernimmt als die Partnerin“. Der „zufriedene Pragmatiker“ lebt häufig partnerschaftliche Aufgabenteilung, betreut die Kinder relativ oft auch mindestens zur Hälfte – eine eindeutige Haltung hat er aber nicht. Ein Fünftel zählt die Studie zu dieser Gruppe.

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Der „etablierte Konventionelle“ (19 Prozent) ist schon älter, beruflich abgesichert mit relativ hohem Einkommen und tendenziell konservativ – er übernimmt wenig Kinderbetreuung. Das Familienernährer-Modell aufrechterhalten will schließlich der „überzeugte Rollenbewahrer“ (29 Prozent), der wenig für Kinderbetreuung übrig hat; unter allen fünf Typen ist dies die größte Gruppe, insgesamt aber in der Minderheit.

Allen fünf Vätertypen gilt die Empfehlung der Familienministerin: „Paare, die sich die Aufgaben partnerschaftlich teilen, sind zufriedener mit ihrem Familienleben“, schreibt Paus im Vorwort der Studie. „Zudem gelingt die finanzielle Eigenständigkeit beider Eltern besser und die wirtschaftliche Stabilität der gesamten Familie wird gestärkt.“ Voraussetzung sei, dass sich Väter ihren und den Wünschen ihrer Partnerin entsprechend mehr als bisher bei der Kinderbetreuung engagierten.