Berlin. Besitzer können ihr Haus mit Flüssigkeit markieren. Die künstliche DNA soll Täter abschrecken. Das funktioniert – doch bleiben Tücken.

Einbruch ist Alltag in Deutschland. 180 Fälle meldeten Opfer der Polizei im vergangenen Jahr – pro Tag. Nach einem kurzen Rückgang durch den Corona-Lockdown steigen die Fallzahlen bei Einbrüchen in Wohnungen, Eigenheim und Unternehmen wieder. Mehr als 14.000 gestohlene Autos registrierten Ermittler 2022. Die Täter klauen wieder öfter Auto, Wohnmobile oder sogar Lastwagen. Das Bittere für Betroffene: Die Aufklärungsquoten sind gering, selten schnappt die Einbrecher und Diebe. Sie agieren oftmals in Gruppen, sind organisiert, reisen nach Tatserien weiter.

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Die Sicherheitsbehörden raten zu vielen Maßnahmen im Kampf gegen Einbrecher: Vor allem bessere Schlösser, sichere Fenster, Videoüberwachung haben dafür gesorgt, dass Täter es immer schwerer haben, Wohnungen leerzuräumen. Eine Methode allerdings ist wenig bekannt – und doch setzen Ermittler viel Hoffnung im Kampf gegen Einbrecher und Diebe auf diesen Weg: sogenannte künstliche DNA, quasi ein persönlicher Fingerabdruck für Wohnungen, Wertsachen wie Schmuck und Computer, für Autos, Wohnmobile oder sogar Photovoltaik-Anlagen.

kDNA: Der Code ist nur mit einer speziellen UV-Lampe zu erkennen

Firmen bieten sogenannte „Home-Kits“ an mit einer Flüssigkeit zum Markieren von Fenstern, Türen, Uhren, Laptops, mit Tupfern oder Stiften, dazu etwa ein Warnschild mit Ansage an die potenziellen Täter: „Diebstahlschutz“. Der Stoff ist nur mit einer speziellen UV-Lampe zu erkennen, und er trägt einen einzigartigen Code, eingearbeitet durch mikroskopisch kleine Plättchen – die künstliche DNA (kDNA).

Technik allein reicht nicht im Kampf gegen Einbrecher und Diebe: Fachleute fordern mehr Polizeiarbeit und Streifen vor Ort in den Stadtvierteln.
Technik allein reicht nicht im Kampf gegen Einbrecher und Diebe: Fachleute fordern mehr Polizeiarbeit und Streifen vor Ort in den Stadtvierteln. © dpa | Paul Zinken

Die Idee aus Sicht der Ermittler: Die Polizei kann mit Hilfe der Markierung jedes Diebesgut sicher identifizieren. Und: Auch der Täter trägt durch Berührung mit der unsichtbaren Flüssigkeit die Markierung – das kann bei der Aufklärung helfen. Vor allem aber eines soll die künstliche DNA: Sie soll Täter abschrecken, vor allem durch auffällige Warnhinweise.

Erste Versuche, Besitz wie Schmuck, Möbel oder Elektrotechnik gegen Einbrecher zu markieren, gab es schon bei ersten Modellprojekten in den 1970er-Jahren in den USA. Auch in Großbritannien wirbt die Polizei stark für den Schutz. In Deutschland läuft die Methode mit kDNA nach wie vor ziemlich unter dem Radar der Öffentlichkeit. Dabei hat die DNA-Technik in den vergangenen Jahren einen enormen Schub erlebt, Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung werden immer genauer, die Labore arbeiten immer schneller.

Die Abschreckung wirkt anscheinend. Das legen auch Untersuchungen nahe

Immerhin: Polizeidienststellen in Brandenburg und Bremen haben vor einigen Jahren für den präventiven Schutz getrommelt – und auch Beamte mit UV-Lampen ausgestattet. Offenbar mit guten Ergebnissen. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt die Polizei in Bremen mit: Dort, wo Anwohner häufig ihr Hab und Gut markiert haben und dies auch durch Schilder und Siegel für Täter sichtbar machen, waren „die Einbruchszahlen deutlich geringer“ als in anderen Stadtgebieten.

Die Abschreckung wirkt anscheinend. Das legen auch kriminologische Untersuchungen nahe: Nicht schärfere Gesetze hält Täter ab – sondern das Risiko, ertappt zu werden. Täter führen vor Einbrüchen und Diebstählen ein „Kosten-Nutzen-Kalkül“ durch: zu erwartende Beute versus Hürden. Und die kDNA soll dem Täter signalisieren: Dein Risiko wächst.

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Mittlerweile nutzen in Bremen rund 8000 Haushalte und Unternehmen die Schutzmaßnahme. Auch die Bahn markiert ihre Kabel, die häufig gestohlen werden. Genauso schützen Banken Geldautomaten und Transporte mit künstlicher DNA. Wird ein Geldautomat gesprengt, versprüht das Gerät die Flüssigkeit auf die Scheine, erklärt Hans Hülsbeck vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).

Die Polizei in Deutschland rät vor allem zu dem Ausbau der Verriegelungen an Fenstern und Türen zum Schutz gegen Einbrecher.
Die Polizei in Deutschland rät vor allem zu dem Ausbau der Verriegelungen an Fenstern und Türen zum Schutz gegen Einbrecher. © Funke Foto Services | Jörg Schimmel

Forschende in Großbritannien haben für eine Studie 345 Haushalte mit DNA-Kits in der englischen Stadt West Bromwich versorgt. Polizisten streiften durch die Nachbarschaft, erklärten, wie die Markierungen funktionieren. Zugleich wurden die Grundstücke mit Hinweisschildern versehen, am Hauseingang, am vorderen Fenster. Die Beamten registrierten den Haushalt in einer Datenbank. Ein knappes Drittel der Anwohner machte mit.

Für das Experiment schauten sich die Wissenschaftler die Einbruchraten über mehr als zwei Jahre an, und sie untersuchten zugleich mehrere andere Nachbarschaften, in denen die Häuser nicht markiert wurden, um einen Vergleich zu schließen. Das Ergebnis: In den ersten sechs Monaten nach der DNA-Markierung sank die Zahl der Einbrüche signifikant – teilweise um mehr als 80 Prozent. Genauso der Diebstahl von Autos. Sogar die Kriminalitätsraten insgesamt sanken in der Nachbarschaft.

„Die Menschen kommen wieder gemeinsam ins Gespräch, Nachbarn informieren sich“

Noch ein Effekt zeigt sich nach Angaben der Bremer Polizei: Die Nachbarn diskutieren durch gezielten Einsatz von künstlicher DNA viel mehr über den Schutz ihrer Häuser und Autos, über bessere Schlösser oder Überwachung durch Kameras. Es entstehen laut den Behörden Anwohnerinitiativen, jüngere Menschen helfen älteren. „Die Menschen kommen wieder gemeinsam ins Gespräch, Nachbarn informieren sich über geplante Abwesenheiten wie Urlaube und achten wieder vermehrt aufeinander“, sagt eine Behördensprecherin.

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Doch Fachleute sehen auch Hindernisse. So sei der Aufwand für die Ermittler groß, schon allein bei der Schulung der Polizistinnen und Polizisten im Umgang mit der künstlichen DNA, sagt Kriminalbeamter Hülsbeck. Zugleich kostet es Zeit, die ganzen Spuren nach Einbruchsserien auszuwerten, die Behörden müssen die Datenbanken in Strafverfahren dann mit Täter-Datenbanken abgleichen. Und: Auch für die kriminaltechnischen Institute der Landespolizeien oder die Labore bedeutet die Präventionsmaßnahme mehr Personal und Zeit.

Täter kommen wieder – wenn sie keine Folgen ihrer Taten merken.
Täter kommen wieder – wenn sie keine Folgen ihrer Taten merken. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Und auch die Studie in England zeigt die Tücken der kDNA. Denn nach einem Jahr wurde deutlich, dass die Einbrecher in die Nachbarschaften zurückkehrten – und wieder losschlugen. Denn in der Zeit der Untersuchung konnte die Polizei nur weniger Täter fassen und verhaften. Die Macher der Studie weisen darauf hin, dass positive Effekte bei einmaligen Aktionen verpuffen können, obwohl die Hinweisschilder noch an den Türen und Fenstern klebten. Offenbar merken die Diebe, dass ihnen die künstliche DNA wenig anhaben kann, wenn der Einbruch erstmal erfolgreich war.

Künstliche DNA: Spuren in der Nase, im Ohr und am Nacken.

Hier sehen Fachleute einen wichtigen Hebel: Es muss den Tätern durch die künstliche Markierung schwerer gemacht werden, die gestohlene Ware zu verkaufen. Doch organisierte Einbrecherbanden agieren über Landesgrenzen hinaus, und auch die Technik der Täter und die Wege der Ware über illegale Verkaufsplattformen im Internet sind professionell. Das alles macht es den Ermittlern schwer.

Und so bleibt der Kampf gegen Einbrecher auch ein Wettlauf um die raffiniertesten Methoden. Immerhin: In Neuseeland soll ein Bankräuber von der Polizei gefasst worden sein, obwohl zur Tatzeit niemand in der Bank war. Der Täter wurde durch den Alarm auf der Flucht aus der Filiale mit einer flüssigen künstlichen DNA-Wolke eingesprüht. Ermittler entdeckten Spuren des Stoffes später beim Tatverdächtigen in der Nase, im Ohr und am Nacken.