Berlin/Kiew/Moskau. Über die Krim läuft der russische Nachschub für den Krieg. Das macht sie zum Ziel ukrainischer Angriffe – und zwingt Putin zum Handeln.
Die Halbinsel Krim ist sowohl für die Ukraine als auch für Russland ein strategisches Herzstück im Krieg. Seit dem Zarenreich ankert die russische Schwarzmeerflotte im Hafen von Sewastopol, der größten Stadt auf der Krim. Für die Ukraine gehört sie seit 1991 zum souveränen Staatsgebiet. Warum wird um das Gebiet so hart gekämpft? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Welche historische Bedeutung hat die Krim?
Der fruchtbare Landstrich, heute für seinen Wein und Krimsekt bekannt, wurde bereits in der Antike bewohnt. Fast alle waren hier: Griechen, Römer, Goten, Mongolen. Später stand die Halbinsel unter tatarischer, venezianischer, genuesischer und osmanischer Herrschaft. Die Krim wurde schließlich Ende des 18. Jahrhunderts Teil des Russischen Kaiserreichs. Am 8. April 1783 deklarierte Zarin Katharina II. die Halbinsel formell „von nun an und für alle Zeiten“ als russisch.
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Nach der Oktoberrevolution 1917 erklärte sich die Krim für unabhängig. Doch bald danach marschierten sowjetische Soldaten ein und machten sie zu einem Teil der Sowjetunion. Während des Zweiten Weltkriegs besetzten die deutschen Nationalsozialisten drei Jahre lang die Halbinsel. Die Rote Armee eroberte sie 1944 zurück.
1954 gliederte die Russische Sozialistische Sowjetrepublik unter Staatschef Nikita Chruschtschow die Krim an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik an. Die von Moskau gern als „Geschenk Chruschtschows“ dargestellte Übergabe hatte allerdings mehr praktische Gründe: Die mit dem ukrainischen Festland verbundene Halbinsel war bei Wasser- oder Stromlieferungen derart abhängig, dass die Verwaltung von Kiew und nicht von Moskau aus Sinn ergab.
Nach Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde die Halbinsel Teil des ukrainischen Staates. 2014 annektierte Russland die Krim. Moskau rechtfertigte dies mit einem Referendum, wonach 90 Prozent der Bevölkerung für einen Anschluss an Russland gestimmt hätten. Die EU und andere Staaten erkannten das Ergebnis nicht an. Vorwurf: Die Menschen seien eingeschüchtert gewesen, weil der russische Präsident Wladimir Putin dort Soldaten stationiert hatte, während die ukrainischen Kräfte entwaffnet wurden.
Wer lebt auf der Halbinsel?
Ursprünglich waren Krimtataren, eine turksprachige Ethnie muslimischen Glaubens, die größte Bevölkerungsgruppe auf der Halbinsel. Nach der Einverleibung ins Zarenreich veränderte sich die Proportion schnell: Mitte des 19. Jahrhunderts haben die Russen die Krimtataren überholt. Der russische Diktator Josef Stalin ließ die Krimtataren 1944 im großen Stil nach Zentralasien deportieren.
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Vor der Annexion 2014 lebten rund 12 Prozent Krimtataren auf der Halbinsel. Der Anteil der ethnischen Russen lag bei 60 Prozent, der ethnischen Ukrainer bei 25 Prozent. Die gesamte Bevölkerungszahl betrug etwas mehr als zwei Millionen. Seit 2014 sind 200.000 bis 300.000 russische Staatsbürger auf die besetzte Halbinsel gezogen. Die russische Sprache ist auf der Krim dominierend.
Wie viel russisches Militär ist auf der Krim?
Offizielle Zahlen zum russischen Militär auf der Krim gibt es nicht. Nach Angaben russischer Medien sollen rund 220 militärische Objekte über die Halbinsel verteilt sein: Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, Kasernen. Mehrere Zehntausend Soldaten sind angeblich dort stationiert. Die Krim ist eine sehr stark gesicherte Festung, die die Russen nach 2014 systematisch ausgebaut haben. Seit Zarenzeiten wurde die Krim zu einem großen multifunktionalen Militärstützpunkt aufgebaut.
Entsprechend ist die Krim vor allem ein fest verankerter Teil des russischen Militärmythos. Besonders gilt das für die Stadt Sewastopol, deren lange Verteidigungen im Krim-Krieg (1854 bis 1855) und im Zweiten Weltkrieg zu Kernpunkten der russischen Geschichte gehören.
Was unternehmen die Ukrainer, um die Krim zu erobern?
Die Krim ist für die Ukrainer ein strategisches Königsziel: Vor allem von hier aus werden die russischen Truppen im Süden der Ukraine mit Nachschub versorgt. Kiew will diese Basen der Militärlogistik durch Angriffe mit Drohnen und Marschflugkörpern zerstören. Die Ukrainer würden allerdings gern auf eine womöglich sehr blutige Land-Operation auf der Krim verzichten.
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Kämpfe in den Krim-Bergen eignen sich gut für den Partisanenkrieg – sie wären für die ukrainische Armee schwierig. Gelingt es den ukrainischen Truppen, bis an die Verwaltungsgrenze der Krim vorzurücken und die Kertsch-Brücke nachhaltig zu beschädigen, wären die Russen bei der Versorgung mit Nachschub auf Fähren und Schiffe angewiesen. Diese könnten dann leicht unter ukrainischen Beschuss genommen werden. Die Halbinsel wäre für Moskau kaum lange zu halten.
Wieso ist die Brücke von Kertsch so wichtig?
Militärisch gesehen kommt es vor allem auf die Eisenbahnlinie an, die über die Brücke führt. Sie ist die wichtigste Versorgungsroute der russischen Armee in der Südukraine. Aus diesem Grund attackieren die Ukrainer die Brücke immer wieder. Vor allem Seedrohnen – kleine unbemannte Boote mit Sprengstoff an Bord – kommen zum Einsatz.
Die Russen haben die Gefahr erkannt. Sie versuchen, Barrieren um die rund 19 Kilometer lange Brücke zu errichten. Auf Satellitenbildern sind auf einer Strecke von 1,2 Kilometern Lastkähne zu erkennen, die im flachen Meer verankert oder einbetoniert sind. Dazwischen sollen mehrere Barrieren errichtet werden. Ob diese gegen ukrainische Seedrohnen effektiv sein werden, ist offen. Die Kertsch-Brücke kann kaum auf der vollen Länge geschützt werden.
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