Peking. Auch wenn der chinesische Immobilienriese Evergrande wohl keine globale Finanzkrise auslösen wird – beruhigen sollte das niemanden.
Es vergeht kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaft aus China – und nun das: der chinesische Immobilienriese Evergrande hat in den USA Konkurs angemeldet, um seine Vermögenswerte vor den Gläubigern zu schützen. Der spektakuläre Fall des Bauentwicklers, der mit über 300 Milliarden Dollar zu den am höchsten verschuldeten Unternehmen überhaupt zählt, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Baut sich da eine neue globale Finanzkrise auf?
Innerhalb der chinesischen Volkswirtschaft bröckelt es an allen Enden und Ecken. Die Jugendarbeitslosigkeit bricht seit diesem Jahr einen Negativrekord nach dem anderen, lag zuletzt bei über 21 Prozent. Die ausländischen Direktinvestitionen liegen zudem auf dem niedrigsten Stand seit den 1990er Jahren. Und selbst die Exporte der einstigen Werkbank der Welt entwickeln sich nur schleppend.
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Im vergangenen Jahr, als die Stimmung innerhalb der Wirtschaft durch die „Null Covid“-Lockdowns getrübt war, hegte man noch die Hoffnung, dass nach der Corona-Pandemie wieder Normalität zurückkehren würde. Doch die kurzfristige Erholung verpuffte schon bald. Das Vertrauen in den chinesischen Markt schwindet.
Die Zeiten des rasanten Wachstums in China sind endgültig vorbei
Auch im Straßenbild Pekings sieht man das: Die ausländischen Expats, die die Führungsetagen der internationalen Unternehmen bevölkerten, sind nur zu einem kleinen Teil in die chinesische Hauptstadt zurückgekehrt. Viele der hoch qualifizierten Talente haben derzeit kein Interesse, ins Reich der Mitte zu ziehen – trotz weiterhin höher Löhne und komfortabler Zuschüsse.
Doch trotz der vielen schlechten Nachrichten und trotz aller Aufregung um Evergrande: Ein Vergleich mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 ist unangebracht. Zu einem Kollaps der chinesischen Wirtschaft wird es sicherlich nicht kommen. Die Botschaft ist eine andere: Die Zeiten des rasanten Wachstums in China sind endgültig vorbei.
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Stieg das Bruttoinlandsprodukt noch vor einigen Jahren im zweistelligen Bereich, könnte sich das jährliche Plus künftig bei etwa drei Prozent einpendeln. Für ein Land, dessen pro-Kopf-Wohlstand etwa dem Niveau von Russland oder Mexiko entspricht, ist dies zu wenig – insbesondere, wenn man wie China schon bald die USA überholen möchte. Hinzu kommt: Die Zeit arbeitet gegen die Volksrepublik.
Der demografische Wandel trifft China mit voller Wucht
Nicht nur in Europa, auch in China setzt der demografische Wandel mit voller Wucht ein: Die Leute werden immer älter, bekommen weniger Kinder. Das Zeitfenster für das Wirtschaftswunder der letzten Jahrzehnte wird sich bald schließen. Innerhalb des Landes führt dies dazu, dass die Parteiführung in Peking schon bald mit einer steigenden Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung kämpfen muss.
Schon jetzt finden viele junge Menschen keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt mehr. Die Regierung regiert vor allem mit Zensur. In dieser Woche wurde entschieden, einfach keine Zahlen mehr zur Jugendarbeitslosigkeit zu veröffentlichen. Aber auch im Ausland werden die Folgen der stotternden chinesischen Wirtschaft zu spüren sein. Schon jetzt kauft die Bevölkerung von 1,4 Milliarden immer weniger Produkte aus Europa.
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Und mittelfristig werden sich die deutschen Firmen in China nach Alternativen umschauen – etwa im derzeit boomenden Vietnam, langfristig auch in Indien. Für ein Comeback der chinesischen Wirtschaft müsste die Regierung zu einer Reformpolitik zurückkehren, welche die kommunistische Partei jahrzehntelang pragmatisch vorantrieb. Doch Staatschef Xi Jinping hat andere Prioritäten gesetzt: Nationalismus und ideologische Kontrolle.