Moskau. In Belarus werden Lager für Wagner-Söldner errichtet. Doch ihr Chef soll sich in Russland aufhalten – und einen neuen Plan schmieden.
Man weiß nicht, was Wagner-Chef Jewgeni Prischoschin mehr freut: Die Rückgabe seines persönlichen Waffenarsenals. Oder die Rückgabe von zehn Milliarden Rubel – umgerechnet knapp eine Milliarde Euro. Beides wurde nach dem abgesagten Putschversuch bei Durchsuchungen in Prigoschins Firmenzentrale in Sankt Petersburg beschlagnahmt. Nun hat er Geld und Waffen zurückbekommen.
Prigoschin sei in einem weißen 7er BMW, gefolgt von einem Landcruiser mit Sicherheitsleuten, persönlich bei der Petersburger Zentrale des Inlandgeheimdienstes FSB vorgefahren. Das berichtet das Online-Portal fontanka. Er habe seine Gewehre und Pistolen zurückerhalten – darunter auch eine Glock-Pistole. Mit der wurde er einst vom russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu, seinem derzeitigen Lieblingsfeind, persönlich ausgezeichnet. Dann, so das Portal weiter, sei Prigoschin abgereist. Wohin, ist ein Rätsel.
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Nach Angaben des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko hält sich Prigoschin keineswegs – wie er zuvor auch selbst behauptet hatte – in Belarus auf, sondern weilt nach wie vor im russischen Sankt Petersburg. "Vielleicht ist er heute Morgen auch weiter nach Moskau gereist oder woanders hin", sagte Lukaschenko dem Sender CNN. "Aber er hält sich definitiv nicht auf belarussischem Territorium auf." Ob das wirklich so ist, scheint aber genauso unklar wie die Zukunft der Wagner-Truppe.
Prigoschin und seine Soldaten können straffrei ins Exil nach Belarus
Am Samstag vorletzter Woche hatten Prigoschins Söldner mehrere Stunden lang das Hauptquartier der russischen Armee in Rostow am Don im Südwesten Russlands besetzt und begannen dann ihren „Marsch der Gerechtigkeit“ Richtung Moskau. Die Rebellion endete am selben Abend mit einem Deal: Demnach kommen Prigoschins Soldaten und ihr Chef straffrei davon und können ins Exil nach Belarus gehen.
Prigoschin selbst meldete sich in einer Audio-Botschaft zu Wort, die auf dem Wagner-nahen Telegram-Kanal „Gray Zone“ veröffentlicht wurde. „Heute brauchen wir mehr denn je Ihre Unterstützung", sagte er. "Ich möchte, dass Sie verstehen, dass unser 'Gerechtigkeitsmarsch' darauf abzielte, Verräter zu bekämpfen und unsere Gesellschaft zu mobilisieren. Und ich denke, wir haben viel davon erreicht.“
Der Wagner-Chef gab sich zuversichtlich, dass in naher Zukunft jeder „unsere nächsten Siege an der Front“ sehen werde. Zu seinen Zukunftsplänen und seinem Aufenthaltsort äußerte sich Prigoschin nicht. Unklar ist auch, wann die Audio-Botschaft aufgenommen wurde.
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Sicher ist: Am 27. Juni, drei Tage nach dem gescheiterten Aufstand, war Prigoschin mit seinem Privatjet auf dem Militärflugplatz Machulishchi in der Nähe der belarussischen Hauptstadt Minsk gelandet. Das hatte Lukaschenko bestätigt. Seitdem sei der Privatflieger nach Recherchen des Online-Mediums Medusa mindestens zweimal zwischen Belarus und Russland hin- und hergeflogen. Ob Prigoschin jeweils an Bord war, weiß niemand.
In Belarus werden drei Militärlager für die Söldner gebaut
In Belarus werden in der Zwischenzeit Militärlager für die Wagner-Söldner vorbereitet. Bilder im Netz zeigen lange Reihen großer Zelte, Arbeiter verlegen Holzbretter als Böden. Feldbetten sollen dort aufgestellt werden. Von 300 Zelten ist die Rede, bis zu 15.000 Wagner-Söldner könnten dort untergebracht werden. Laut den Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) werden insgesamt drei Militärlager aufgebaut. Doch angekommen sind die Kämpfer dort nach Angaben von Lukaschenko noch nicht.
Aber was ist der neue Auftrag der Wagner-Söldner, deren milliardenteurer Einsatz in der Ukraine bislang aus der russischen Staatskasse finanziert wurde? Ihre schweren Waffen haben die Wagner-Söldner inzwischen an die reguläre russische Armee abgegeben. Doch Belarus ist Aufmarsch- und vor allem Nachschubgebiet des russischen Militärs für den Ukraine-Krieg. Die kampferprobte Wagner-Truppe könnte jederzeit neu bewaffnet und in Marsch gesetzt werden. Nicht nur in der Ukraine wachsen die Ängste. Auch im Nachbarland Polen.
In Afrika vertreten Wagner-Soldaten mit brutaler Gewalt russische Interessen
Sehr viel wahrscheinlicher als ein Vorrücken in die Ukraine ist allerdings, dass Prigoschin die Lager in Belarus als Ausbildungsstandorte und Rückzugsorte für die Wagner-Einsätze in Afrika nutzt. Für Lukaschenko könnte das durchaus von Nutzen sein, meint der Politik-Analyst Alexander Fridman. „Wenn Belarus zu einer Art Transitpunkt würde, könnte Lukaschenko, der ernsthafte Interessen in Afrika hat, mit Prigoschin zusammenarbeiten.“
In Afrika vertreten Wagner-Söldner bereits jetzt zum Teil mit brutaler Gewalt russische Interessen. Das soll auch so weitergehen, falls die Regierungen der jeweiligen Länder sich für eine Weiterführung der Verträge mit den Söldnern entscheiden, sagt der russische Außenminister Sergej Lawrow. „Die Zukunft der Übereinkünfte zwischen afrikanischen Ländern und dem privaten Militärunternehmen Wagner hängt vor allem von den Regierungen der betroffenen Länder ab.“
Auf dem Nachbarkontinent wirbt das international isolierte Russland um Verbündete und kämpft um die Vorherrschaft. „Russland spielt eine wichtige Rolle als Waffenlieferant, als Käufer und lizenzierter Schürfer von wertvollen Rohstoffen, als Exporteur von landwirtschaftlichen Geräten“, betont Philani Mthembu, vom Institute for Global Dialogue, einer südafrikanischen Denkfabrik.
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Wagner-nahe Nachrichtenportale werden in Russland blockiert
Fazit: In Afrika könnte Prigoschins Wagner-Miliz an Einfluss gewinnen. Unklar bleibt aber, was aus Prigoschins Firmenimperium und seinem Anwesen in Russland wird. Russische Staatsmedien meldeten am Morgen, dass es eine Razzia im Wagner-Hauptquartier und Prigoschins Anwesen in Sankt Petersburg gegeben habe. Auf den Aufnahmen sind neben Gold, Geld und Perücken auch mehrere Pässe zu sehen, die Prigoschin unter verschiedenen Decknamen gehören sollen. Die Moderatoren bezeichneten die Bilder laut CNN als "skandalös".
Schon zuvor hatten Russlands Behörden mehrere Nachrichtenportale der Mediengruppe „Patriot“, die mit Prigoschin in Verbindung steht, blockiert. Mehrere Seiten mit aktuellen Politik- und Wirtschaftsnachrichten sind von Russland aus nicht mehr erreichbar. Die Internetadressen von „Patriot“ tauchten auch im Verzeichnis „beschränkter Zugang“ der russischen Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor auf. Zwei weitere „Patriot“-Portale, „Newskije Nowosti“ und „Ekonomika Segodja“, kündigten an, ihre Tätigkeit einstellen zu wollen.
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