Heikendorf. Heizungsgesetz, Trauzeugen-Affäre: Habecks Beliebtheit sinkt. Doch wie kommt er in seiner Heimat an? Ein Ortsbesuch in Heikendorf.

Etwa eine halbe Stunde von Kiel entfernt, direkt an der Kieler Förde, liegt der kleine Ort Heikendorf. Knapp 8000 Einwohnerinnen und Einwohner, ein Strand, auf dessen hellem Sand sich Strandkörbe aneinanderreihen und ein kleiner Hafen mit Segelbooten. Dazu im Zentrum ein paar einzelne Geschäfte – ein Supermarkt, eine Eisdiele und eine Bäckerei. Ein ganz normaler Ort an der Ostsee. Wäre da nicht das berühmteste Kind Heikendorfs: Robert Habeck.

Robert Habeck: Lange war Heikendorf seine Heimat

Als Habeck fünf Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm und seinem jüngeren Bruder Hinrich in das beschauliche Dorf an der Förde. Dort verbrachte der heutige Wirtschaftsminister den Großteil seiner Kindheit, besuchte das örtliche Gymnasium, die Heinrich-Heine-Schule, bis zum Abitur. Erst war er Klassensprecher, dann Schulsprecher – und auch mal Teil der Theatergruppe.

Nach dem Abi zog es ihn hinaus aus dem verschlafenen Ostseebad. Erst studierte er in Freiburg, dann in Kopenhagen und schließlich in Hamburg. 2002 trat Habeck den Grünen bei – vom Vorsitzenden des Kreisverbands wurde er schnell zum Fraktionsvorsitzenden im schleswig-holsteinischen Landtag, dann zum Landesminister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt und schließlich in Berlin zum Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler. Auch wenn Habeck, der mittlerweile mit seiner Familie in Flensburg lebt, nur noch selten in Heikendorf ist – die Menschen dort haben ihn nicht vergessen.

Habecks früherer Lehrer: „Der lässt sich nicht aus der Bahn bringen“

Unter einem weißen Sonnenschirm sitzt Ludwig Dümpelmann im Garten seines Hauses, das nur wenige hundert Meter von der Schule entfernt liegt. Bis 2005 hat er, unter anderem an der Heinrich-Heine-Schule, Englisch und Sport unterrichtet, jetzt ist er pensioniert. Auch Robert Habeck war sein Schüler – in der 9. und 10. Klasse, der problematischsten Altersklasse, wie Dümpelmann sagt.

Habeck hat er allerdings trotzdem in guter Erinnerung: „Der war immer reifer als alle anderen und redete auf Augenhöhe mit einem“, erzählt der 83-Jährige. Vor allem sein Interesse am Umweltschutz habe man schon damals bemerkt, genau wie sein Talent, die Menschen für sich einzunehmen, erinnert sich Dümpelmann. Und: Er sei der einzige Schüler gewesen, dem er jemals im Zeugnis bescheinigt habe, Zivilcourage zu haben.

Dass seine aktuellen Krisen, etwa die Trauzeugen-Affäre um Habecks Staatssekretär Patrick Graichen oder das Hin und Her beim Heizungsgesetz, Habecks politischer Karriere Abbruch tun könnten, daran glaubt Dümpelmann nicht. „Ich habe von Anfang an gesagt: Es ist nicht so, dass man ihn jetzt klein kriegt. Der hält durch“, sagt der ehemalige Lehrer. „Der geht ganz ruhig seinen Weg und lässt sich nicht aus der Bahn bringen.“ Und, fügt er hinzu, gerade beim Heizungsgesetz sei er ja schon etwas verunglimpft worden.

„Der hält durch“, sagt sein ehemaliger Lehrer Ludwig Dümpelmann (83) über Robert Habeck.
„Der hält durch“, sagt sein ehemaliger Lehrer Ludwig Dümpelmann (83) über Robert Habeck. © Michael Rauhe

Habeck: Vom beliebtesten zu einem der unbeliebtesten Politiker

Tatsächlich nehmen viele Bürgerinnen und Bürger dem ehemals beliebtesten Politiker Deutschlands die aktuellen Entwicklungen übel: Nicht nur die Umfragewerte der Grünen sehen düster aus, auch Habecks Beliebtheitswerte sind deutlich gesunken. Ende Mai gaben im ZDF-Politbarometer 53 Prozent der Menschen an, der Wirtschaftsminister würde seinen Job schlecht machen. Auch in den zahlreichen Politiker-Rankings rutschte der Vize-Kanzler ab. In dem zuletzt veröffentlichten Insa-Meinungstrend für die „Bild“ belegte Habeck den 17. Platz der 20 beliebtesten Politiker und Politikerinnen – alle andere Ampel-Ministerinnen und -Minister schnitten besser ab.

Bei den Heikendorfer Grünen kann man das nicht nachvollziehen. „Ich könnte mir menschlich, fachlich und auch rhetorisch keinen besseren vorstellen“, sagt der Vorsitzende des Ortsverbands in Heikendorf, Olaf Bartels. „Er ist in der Sache hart und versucht nicht, sich auf Kosten anderer zu profilieren.“ Klar, sagt er, habe es Kritik an ihm und am Wirtschaftsministerium gegeben und das sei auch berechtigt gewesen. Aber es würde viel zu wenig auf die positiven Dinge geschaut – etwa darauf, wie der die Energiekrise bewältigt habe. „Er hat uns gut durch die Krise gebracht“, findet Bartels.

Robert Habeck (Grüne) beim Bürgerdialog in seinem Heimatort Heikendorf während des Wahlkampfs 2021.
Robert Habeck (Grüne) beim Bürgerdialog in seinem Heimatort Heikendorf während des Wahlkampfs 2021. © imago images/penofoto

Anders als auf Bundesebene läuft es für die Grünen in Heikendorf aktuell besser denn je. Gerade erst wurden sie bei der Kommunalwahl erstmals stärkste Kraft – ein großer Erfolg, sagt Bartels. Ob das auch an Habeck liegen könnte? Der 52-Jährige findet ja, zumindest teilweise: „Ich denke schon, dass wir einen Habeck-Bonus bekommen. Wir liegen über dem landes- und bundesweiten Durchschnitt, da wird uns Robert sicherlich ein paar Prozente geben.“

NameRobert Habeck
Geboren2. September 1969 in Lübeck
EhepartnerinAndrea Paluch (verheiratet seit 1996)
ParteiBündnis 90/Die Grünen
GeschwisterHinrich Habeck
AusbildungUniversität Hamburg (2000)
FamilienstandVerheiratet, vier Söhne
ÄmterVizekanzler und Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland

„Die anderen haben es doch 16 Jahre lang auch nicht besser gemacht“

Im Zentrum von Heikendorf ist an diesem Mittwoch nicht viel los. An den runden Tischen vor der Bäckerei sitzen ein paar Rentnerinnen und Rentner und trinken Kaffee, einige Familien mit Kindern nutzen das gute Wetter und machen an der Eisdiele Halt. „An jedem Politiker kann man etwas kritisieren, aber im Großen und Ganzen macht er seinen Job sehr gut,“ sagt der Besitzer der Heikendorfer Eisdiele, Luca Vettorel, wenn man ihn nach Habeck fragt. Und das hätte nichts damit zu tun, dass er aus Heikendorf komme.

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Auch Roswitha Cromm, die vor dem Geschäft ein Eis isst, stellt ihm ein gutes Zeugnis aus: „Die anderen haben es doch 16 Jahre lang auch nicht besser gemacht“, sagt die 73 Jahre alte Rentnerin. Sowohl als Schriftsteller als auch als Politiker fände sie ihn toll, erklärt sie – vor allem auch seine Rhetorik: „Er hat eine Sprache, die auch die jungen Menschen anspricht. Das finde ich gut.“

Der Hafen von Habecks Heimatort Heikendorf.
Der Hafen von Habecks Heimatort Heikendorf. © Michael Rauhe

In Heikendorf kommt Habeck gut an – zumindest fast überall

Unten am Wasser, direkt gegenüber der Strandkörbe, betreibt Claus Gotzian eine Ferienapartment-Vermietung. Von hier aus kann man über die Kieler Förde bis aufs offene Meer blicken. Er sei zeitgleich mit Habeck auf die Heinrich-Heine-Schule gegangen, wenn auch nicht im selben Jahrgang, erzählt der gebürtige Heikendorfer.

„Ich würde sagen, im Moment haben wir den richtigen Mann an der richtigen Stelle“, findet er. Es werde viel auf Habeck herumgehackt, aber viel zu wenig hervorgehoben, was er alles Gutes gemacht habe. „Er hat es geschafft, dass unsere Gas- und Ölpreise halbswegs stabil geblieben sind, dass wir alternative Lieferanten gefunden haben und ich glaube, das hätte keiner unserer vorherigen Wirtschaftsminister hinbekommen,“ sagt Gotzian.

Doch auch in Heikendorf leben nicht nur Habeck-Fans. Jörg zum Beispiel, der seinen Nachnamen lieber nicht nennen will: „Er hat sicher gute Absichten, aber er verzettelt sich leicht und hat sich zuletzt auch verzettelt“, sagt der 79-Jährige. Wenn jetzt Bundestagswahl wäre, würde er – auch wegen Habeck – eher nicht auf die Grünen setzen.