Rom. Drei Begriffe umreißen das Leben Berlusconis: Fernsehen, Frauen, Politik. Kein anderer hat Italiens jüngere Geschichte derart geprägt.
Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist tot. Der Politiker und Medienunternehmer starb am Montag im Alter von 86 Jahren. Ein Nachruf.
Bis zu seinem Tod war Silvio Berlusconi ein Fixstern am Firmament der italienischen Politik. Mit starkem Griff hat der Großunternehmer und Medienzar seine 1994 gegründete liberal-konservative Partei Forza Italia geleitet, die die Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni unterstützt. Vier Regierungen hat Berlusconi zwischen 1994 und 2011 angeführt, er hat Italiens politische Szene zutiefst geprägt. Nicht umsonst wird in Italien oft der Neologismus „Berlusconismo“ verwendet. Der Begriff steht für eine moderne Form des Populismus im rechten bis zentristischen politischen Spektrum.
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Der 1936 in Mailand als Sohn eines Bankangestellten geborene Berlusconi begann seine Laufbahn als Staubsaugervertreter und Conferencier auf Kreuzfahrtschiffen. Mit 25 Jahren hatte er den Doktortitel der Rechtswissenschaften der Universität Mailand in der Tasche und eine Riesenkarriere im Sinn. Im Jahr 1961 stieg er in die Baubranche ein. Er erwarb mit teils undurchsichtigen Bankkrediten in der Peripherie der expandierenden lombardischen Wirtschaftsmetropole Grundstücke, auf denen er Wohnsiedlungen errichtete. In den folgenden Jahren ließ er ganze Stadtviertel entstehen.
Parallel dazu wurde Berlusconi in den 70er-Jahren in der Medienbranche aktiv. 1977 begann der „Cavaliere“ – wie er sich als Träger des Verdienstordens „Ritter der Arbeit“ nennen ließ – seine Karriere im Mediengeschäft. Nach und nach baute er sich ein Netz von privaten TV-Sendern auf, das bald mit Abstand zum größten seiner Art in Europa wurde. Dass er dabei von oft zwielichtigen Freundschaften in Politik und Finanzwelt profitiert habe, warf man ihm immer wieder vor. In den 1980er Jahren stieg der Unternehmer auch ins Fußballgeschäft ein. Er erwarb den krisengeschüttelten Fußballklub AC Milan, den er in wenigen Jahren zu einer der stärksten europäischen Mannschaften machte.
In den 1990 Jahren mischte Berlusconi Italiens Politik auf
Im Herbst 1993 begann der TV-Magnat schließlich seine politische Karriere. Er verzichtete darauf, sich persönlich um seine Holding Fininvest zu kümmern, deren Eigentümer er aber blieb, und gründete die rechtskonservative Partei Forza Italia. Der Begriff stammt – bei Berlusconi kaum anders zu erwarten – aus dem Fußballjargon und bedeutet sinngemäß „Hoppauf Italien“. 1994 gewann er die Parlaments-und Europawahlen an der Spitze einer Mitte-Rechts-Allianz. Als einzigem Premier in der republikanischen Geschichte Italiens gelang es Berlusconi, eine ganze fünfjährige Legislaturperiode im Amt zu bleiben.
Justizfragen überschatteten Berlusconis politische Karriere seit seinem Einstieg in die Politik. 2013 wurde er wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Daraufhin musste er aus dem Parlament ausscheiden. Die Strafe wurde wegen einer Amnestie auf ein Jahr reduziert. Aufgrund seines hohen Alters leistete Berlusconi zehn Monate Sozialdienst in einem Altersheim als alternative Strafe zur Haft. Am Ende eines langwierigen Verfahrens wurde der TV-Tycoon 2020 in letzter Instanz von den Vorwürfen der Begünstigung von Prostitution Minderjähriger und des Amtsmissbrauchs freigesprochen.
Allerdings erhärtete sich später der Verdacht, dass er dem marokkanischen Callgirl Ruby ein Schweigegeld in Höhe von sieben Millionen Euro und Zeugen für ihr Schweigen Millionen gezahlt haben soll. Ruby ging als 17-Jährige ein und aus bei den inzwischen legendär gewordenen „Bunga Bunga“-Abenden mit vielen jungen Frauen in Berlusconis Mailänder Residenz. Wegen des Verdachts der Zeugenbestechung liefen mehrere Strafverfahren, die erst kürzlich mit einem Freispruch Berlusconis endeten.
Trotz seiner Sex-Affären: Berlusconi war zweimal verheiratet
In den letzten Monaten erlebte Berlusconi eine neue Jugend. Der vielfach politisch totgesagte Ex-Ministerpräsident kehrte nach den Parlamentswahlen im September als Senator im italienischen Parlament zurück. Als Chef der Koalitionspartei Forza Italia konnte er einige Minister in das Kabinett von Premierministerin Giorgia Meloni hieven. Allerdings war er längst nicht mehr der strahlende Milliardär, der Wladimir Putin in seiner Villa auf Sardinien traf und die Welt mit seinen Sexaffären im Bann hielt.
Im Senat wirkte Berlusconi oft hilflos, einsam und angeschlagen. Ihm zur Seite stand bis zuletzt seine Lebensgefährtin Marta Fascina, mit der er im vergangenen Jahr den Bund fürs Leben geschlossen hatte – allerdings nur „symbolisch“. Berlusconi und die 33 Jahre alte Forza-Italia-Abgeordnete Fascina waren seit 2020 ein Paar. Von seinem Wunsch nach einer „echten“ Hochzeit mit Fascina ließ sich Berlusconi von seinen Kindern abbringen, die eine neuerliche Aufsplitterung des Milliardenerbes befürchteten. Aus zwei früheren Ehen, die jeweils geschieden wurden, hatte Berlusconi insgesamt fünf Kinder.
Nach der turbulenten Scheidung von seiner zweiten Frau Veronica Lario 2009 dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis die einstigen Eheleute den Rechtsstreit um die Unterhaltszahlungen in Millionenhöhe beilegen konnten. 2020 hatte sich Berlusconi nach zehnjähriger Beziehung von seiner Lebensgefährtin Francesca Pascale getrennt. Zur Begründung für die nur „Symbolheirat“ mit Fascina teilte Berlusconi vor der Feier mit: „Das Band der Liebe, der Achtung und des Respekts, das mich mit Marta Fascina verbindet, ist so tief und fest, dass es nicht nötig ist, es durch eine Heirat zu formalisieren“.