70 Jahre Grundgesetz – So gratulieren Funke-Chefredakteure
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Berlin. Das Grundgesetz ist 70 Jahre alt. Ein Grund, es zu feiern: So gratulieren die Chefredakteure der Tageszeitungen der Funke Mediengruppe.
Vor 70 Jahren, am 23. Mai 1949, trat das Grundgesetz in Kraft. Der Präsident des Parlamentarischen Rates und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer unterschrieb es. Die unantastbare Würde des Einzelnen, das Recht auf Meinungsäußerung, Gleichberechtigung – diese und viele andere Grundsätze sind darin verankert.
Der Chefredakteur der „Westfalenpost“ und der „Westfälischen Rundschau“, Jost Lübben, seine Kollegin und die Kollegen von den anderen Tageszeitungen der Funke Mediengruppe gratulieren – und feiern das Grundgesetz.
Jost Lübben, Chefredakteur „Westfalenpost“ und „Westfälische Rundschau“: „Mit dem Grundgesetz kann man es sich im Prinzip recht einfach machen. Mit ihm haben wir 70 Jahre Frieden erleben dürfen. Eine bessere Nachricht gibt es nicht.
Die Grundsätze unserer Verfassung sind in ihrem Kern – durch welche Bundestagsmehrheit auch immer – nicht veränderbar. Das gilt im Besonderen für Artikel 20, der das demokratische Prinzip unseres Gemeinwesens festschreibt.
Die Autorinnen und Autoren haben damit kluge Lehren aus der Weimarer Republik gezogen. Damals konnten die Nationalsozialisten sich der Instrumente der Demokratie bedienen, um sie abzuschaffen. Das ginge heute nur noch durch eine Revolution.
Vielleicht gibt uns das die Sicherheit, sensibel aber voller Selbstbewusstsein mit Feinden unserer Freiheitsrechte umzugehen. So leicht sind wir nicht aus den Angeln zu heben: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Außerdem beweist das Grundgesetz eine ganz bemerkenswerte Alltagstauglichkeit. Für jeden, der in unserer Gesellschaft leben möchte, dient es als Richtschnur, die eigenen Rechte wahrzunehmen und die Rechte der anderen zu respektieren. Religion, Herkunft oder politische Orientierung sind unter dem Dach des Grundgesetzes schnuppe. Das soll uns erst mal einer nachmachen.“
Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin: „Der Geburtstag des Grundgesetzes ist für mich ein ganz persönlicher Feiertag. Ich arbeite seit vielen Jahren als Journalist und habe mich in kritischen Situationen von unserer Verfassung immer gut beschützt gefühlt.
Egal, ob es gegen Minister ging, die ihre Macht missbrauchten; oder einen Bundesligapräsidenten, der Schwarzgeld in der Schweiz bunkerte. Die im Grundgesetz verbriefte „Freiheit der Berichterstattung“ ermöglichte mir und meinen Kollegen sogar Recherchen gegen den höchsten Amtsträger des Landes, den Bundespräsidenten.
Ohne diese wunderbare Verfassung könnten Politiker das Land in einen Selbstbedienungsladen verwandeln. Wie schnell das in einer Demokratie gehen kann, erleben wir gerade anschaulich in unserem Nachbarland Österreich. Deshalb lohnt es sich, für die Werte unseres Grundgesetzes zu kämpfen. Ein besseres werden wir nie bekommen.“
Carsten Erdmann, Chefredakteur Digitales Funke Zentralredaktion Berlin: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. So steht es in Artikel 5.
Staatsanwälte und Polizisten standen eines Tages in unseren Redaktionsräumen und beschlagnahmten Akten und Computer. Wir hatten nur unsere Arbeit gemacht. Die Polizei suchte einen Informanten in den eigenen Reihen – und Beweismaterial dafür bei uns. Wir zogen bis vor das Bundesverfassungsgericht – und bekamen recht. Ein unverhältnismäßiger und schwerwiegender Eingriff in das Redaktionsgeheimnis.
Ein Artikel im Grundgesetz, ein Beispiel aus der Praxis. Den Wert unserer Grundrechte lernen wir vielleicht erst schätzen, wenn diese verletzt werden. In Zeiten, in denen Journalisten bei ihrer Arbeit auf der Straße bedroht werden, Staatspräsidenten nachweisbar die Unwahrheit sagen, Fakten und „Fake News“ in einem Satz genannt werden, definiert das Grundgesetz die Leitplanken unserer Gesellschaft. Dafür bin ich dankbar.“
Andreas Tyrock, Chefredakteur „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“: „Nach dem Scheitern der Weimarer Republik, nach den Gräueltaten der Nazis und dem millionenfachen Leid des Zweiten Weltkriegs wussten die Mütter und Väter des Grundgesetzes sehr genau, vor welch großer Herausforderung sie standen: Es ging darum, ein stabiles Fundament der politischen Verfassung Deutschlands zu schaffen, auf dem sich eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft entwickeln und stabilisieren konnte; eine Gesellschaft, die sich zu einem offenen, liberalen, demokratischen, solidarischen Miteinander bekennt und dabei den Schutz des Einzelnen gegenüber dem Staat und die Freiheitsrechte gewährleistet.
Das Grundgesetz als Fundament war nie geeignet und auch nicht dazu gedacht, auf aktuelle gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche Veränderungen zu reagieren. Es lässt sich nicht verbiegen, wie man es gerade braucht. Das Grundgesetz ist ein Meisterwerk, das es zu achten und zu leben gilt. Nicht nur an runden Geburtstagen. Und sein erster Artikel sollte auch in Zukunft das Handeln in diesem Land leiten: Die Würde des Menschen ist unantastbar!“
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Manfred Lachniet, Chefredakteur „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“: „Sechs Worte, die es in sich haben: Die Würde des Menschen ist unantastbar. – Wir müssen den Müttern und Vätern des Grundgesetzes dankbar sein, dass sie diesen Artikel klug und vorausschauend an die Spitze stellten. Die Würde des Einzelnen zu erlangen und nicht zu verlieren, den Zusammenhalt verschiedener Menschen zu ermöglichen – das soll Ziel staatlichen und politischen Handelns sein.
Keine leichte Aufgabe, wenn man sich Armut, Ungleichheit oder auch Bildungschancen in unserem reichen Land anschaut. Doch der Auftrag bleibt: Mit der Ewigkeitsklausel legt unser Grundgesetz fest, dass die Artikel 1 bis 19 niemals geändert werden dürfen. Nicht die Gleichheit vor dem Gesetz, nicht die Meinungs- und die Pressefreiheit, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, Asyl und alle anderen Grundrechte.
Und wir alle sind gefordert, dieses wunderbare Grundgesetz zu achten und zu schützen: Jeder kann sich sozial oder politisch engagieren, sich einmischen, bilden, in seriösen Medien informieren – und natürlich: wählen gehen. Genau das hat NRZ-Gründer Dietrich Oppenberg gemeint, als er seinerzeit den steten Einsatz „für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in einem sozialen Rechtsstaat“ als publizistische Grundhaltung formulierte.“
Lars Haider, Chefredakteur „Hamburger Abendblatt“: „Als wir beim „Hamburger Abendblatt“ das Grundgesetz verfilmt haben, ist mir erst bewusst geworden, wie wunderbar zeitlos die Formulierungen auch nach 70 Jahren sind. Die wichtigsten Passagen des Grundgesetzes MUSS man sich vorlesen oder vorlesen lassen, erst dann entfalten sie ihre Kraft und, ja, Schönheit: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist ein Satz für die Ewigkeit und zugleich Konzept für das Zusammenleben einer modernen Gesellschaft.
Oder: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.“ Sechs Worte, eine Demokratie. Dass die ausgerechnet in Deutschland gelungen ist, ist ein großes Geschenk – das wir heute mehr als früher beschützen müssen. Die Werte des Grundgesetzes sind unsere Werte. Und die sind nicht verhandelbar.“
Christine Richter, Chefredakteurin der „Berliner Morgenpost“: „Artikel 5 des Grundgesetzes ist das Fundament unserer Arbeit. Auch meiner. Mich persönlich berührt Artikel 1 am meisten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Aber schon früh habe ich gelernt, dass Artikel 5 uns alle, die wir uns öffentlich äußern wollen, sichert. Die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit geht so weit, dass es keine staatlich vorgeschriebene Ausbildung geben darf, denn die Meinungs- und Pressefreiheit, die gilt für alle.
Manchmal wünscht man sich das vielleicht anders, in Zeiten von „Fake News“ und des Einflusses der sogenannten sozialen Medien, aber es sichert uns auch. Niemand darf und soll uns zensieren. Wir, die Verlage, die Journalisten, haben uns schon früh eigene Qualitätsstandards gegeben, damit wir wahrhaftig berichten, damit wir zwischen Meinung und Nachricht unterscheiden, damit die Leserinnen und Leser sich auf uns verlassen können. Deshalb gibt es Journalistenschulen und Ausbildungen wie das Volontariat.
Aber das Fundament, das ist der Artikel 5 des Grundgesetzes. Manchmal wünsche ich mir, auch der eine oder andere Politiker würde sich daran erinnern. Wenn er oder sie mal wieder versucht, Einfluss zu nehmen, oder sich abfällig über „die Medien“ und Journalisten äußert. Es kommt leider vor. Zu oft.“
Jan Hollitzer, Chefredakteur „Thüringer Allgemeine“: „Das Grundgesetz hat mir meine Abinote vermasselt. 1998, als ich in der mündlichen Prüfung das Rechtsstaatsprinzip anhand des Grundgesetzes herausarbeiten sollte. Ein Desaster. Oder in Punkten ausgedrückt: sieben von 15. Peinlich. Ich weiß.
Es sei jungen, nein, allen Menschen verziehen, die sich nicht mit den Grundfesten unseres Lebens in Freiheit auseinandersetzen. Errungenschaften gelten als selbstverständlich, solange sie nicht infrage gestellt werden. Doch dies erleben wir leider gerade. Siehe Österreich, wo vermeintliche Gegner korrupter Strukturen Anteile an Zeitungen erwerben wollten, um Propaganda zu betreiben, und entlarvt wurden.
Sie können sich sicher sein, dass ich heute Artikel 20 Absatz 3, in dem die Bindung staatlicher Gewalt an die Gesetze geregelt ist, und Artikel 28 Absatz 1 mit seinen Grundsätzen des Rechtsstaates genauestens kenne. Das Grundgesetz ist die Voraussetzung für unabhängigen Journalismus. Die Achtung vor der Wahrheit und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind für uns täglich gelebte Realität.
Lesen Sie das Grundgesetz. Erstmals oder erneut. So können Sie ihm an seinem Geburtstag die größte Würdigung erweisen, es feiern. Herzlichen Glückwunsch, Freiheit.“
Nils Kawig, Chefredakteur „Thüringische Landeszeitung“: „Jedem Journalisten bietet das Grundgesetz einen Rahmen, aber auch Schutz und Orientierung. Das geht weit über Artikel 5, Absatz 1 hinaus. Aber die darin verankerte Pressefreiheit war den Schöpfern des Grundgesetzes offenbar so wichtig, dass sie sie zu einem Grundrecht erklärten: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, steht da gleich am Anfang. Später folgt noch der für in der DDR aufgewachsene Menschen so bedeutende Satz: „Eine Zensur findet nicht statt.“
Die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit war 1949 mindestens genauso wichtig wie heute. Gerade in einer Zeit des Umbruchs und der Veränderung gewinnt Journalismus an Bedeutung, soll er doch dazu beitragen, dass sich Menschen eine Meinung bilden können. Das muss nicht Ihre Meinung sein. Im Gegenteil: Das Grundgesetz schützt die Vielfalt. Nicht ohne Grund steht im Artikel 5 nämlich auch: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Das heißt, der Staat mischt sich nicht ein.
Mit diesen wenigen Sätzen haben die Schöpfer des Grundgesetzes ein Regelwerk für eine pluralistische Gesellschaft geschaffen. Das weiß ich sehr zu schätzen und gratuliere!“
Jörg Riebartsch, Chefredakteur „Ostthüringer Zeitung“: „Verehrung und Anbetung werden auf Knopfdruck zum Jahrestag des Grundgesetzes fällig. Wie eine Monstranz tragen wir strahlend und stolz Grundwerte vor uns her. Aber stehen Volk und Parteien wirklich zur Gänze hinter den Grundwerten der Verfassung?
Nein! Die Wirklichkeit einer Unterwerfung unter die verfassungsrechtliche Werteordnung des Grundgesetzes, wie sie der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, einfordert, bildet keine gelebte Realität. In der Praxis wird die Würde von Menschen zu häufig angetastet.
Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind nicht verboten. An manchen Stellen dient der Gebrauch von Eigentum nicht dem Wohle der Allgemeinheit, sondern ausschließlich dem Wohle des Eigentümers.
Das Grundgesetz also bitte nicht nur an den Feiertagen aus dem Bücherregal holen, um es abzustauben. Es muss zum gelebten Alltag werden. Die durch die Verfassung gezogenen Grenzen verdienen Vollzug in Schärfe. Da dürfen auch alle mitmachen: Volk und Parteien.“
Armin Maus, Chefredakteur „Braunschweiger Zeitung“: „Wer die Wahl hat, sagt der Volksmund, hat die Qual. Wie gerne würden die Bürger vieler anderer Länder diese Qual mit uns teilen! Artikel 38 des Grundgesetzes macht das ganze Volk – oder immerhin seinen volljährigen Teil – zum Herrn seines Schicksals.
Unsere Verfassung garantiert allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen. Sie verhindert die Anmaßung von Minderheiten: Unter dem Schirm des Grundgesetzes ist die Mehrheit davor geschützt, entmündigt zu werden, nur weil auf der anderen Seite wirtschaftliche Interessen oder die Macht der Waffen konzentriert sind.
Und das Wahlrecht sichert den Wandel. Immer wieder suchen sich neue Themen neue Vertreter, die in Wettbewerb mit den Etablierten treten. Sehr selten setzt sich Macht in einem politischen Lager fest – was die beste Gewähr gegen ihren Missbrauch bietet.
Dieses hohe Gut allerdings ist empfindlich: Es verdirbt durch Nichtgebrauch. Wer nicht wählt, gibt seinen Einfluss auf. Und wer sein Wahlrecht mit einer Art staatsbürgerlicher Stinkbombe verwechselt, sollte sich später nicht über unsachliche, eskalierende, den inneren und äußeren Frieden gefährdende Politik beklagen.
Wer die Wahl hat, hat die Freiheit. Und er hat die Verantwortung.
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