Essen. Heitkamp-Chef Jörg Kranz sieht einen enormen Sanierungsstau: Viele Brücken müssten neu gebaut werden, um ungewollte Sperrungen zu vermeiden.
„Wir haben einen enormen Sanierungsstau“, sagt Jörg Kranz, der Chef des Herner Bauunternehmens Heitkamp. In den vergangenen Jahrzehnten sei Deutschlands Infrastruktur regelrecht „kaputtgespart“ worden. Die marode Rahmede-Talbrücke der A 45 bei Lüdenscheid sei nur ein Beispiel für ein generelles Problem. Mehrere Dutzend Brücken müssten Jahr für Jahr in Nordrhein-Westfalen erneuert werden. „Das muss man auch schnell tun, sonst haben wir Rahmede überall“, mahnt Heitkamp-Chef Kranz.
Heitkamp – das ist in der Baubranche ein traditionsreicher Name. Einst war das Unternehmen aus Herne einer der größten deutschen Baukonzerne. Aber vor zwölf Jahren wäre Heitkamp beinahe von der Bildfläche verschwunden. Im November 2011 musste das damalige Management Insolvenz anmelden. Es folgte eine Zerschlagung. Für den langjährigen Heitkamp-Manager Jörg Kranz war die Krise auch eine Chance. Er wechselte die Rollen und stieg – auch mit persönlichem Risiko – als geschäftsführender Gesellschafter ein. Fortan war Kranz also Eigentümer und Geschäftsführer.
Beim Neustart spezialisierte sich Heitkamp auf den Bau von Straßen, Brücken und die Sanierung von Flächen – insbesondere an Rhein und Ruhr. Mit rund 200 Beschäftigten habe er angefangen, berichtet Kranz. Jetzt seien es mehr als 500 Mitarbeiter.
„Wir haben das halbe Ruhrgebiet umgebuddelt“, erzählt Kranz im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Prestigeprojekte wie der Dortmunder Phoenix-See und die Sanierung der früheren Opel-Fläche in Bochum stehen auf der Auftragsliste von Heitkamp. Während andere einen Flächenmangel in der Region beklagen, versprüht Kranz Tatendrang. Es sei „eine riesige Chance“ für das Ruhrgebiet, dass es hier Industrieflächen gebe, die neu genutzt werden können. Um neue Standorte für Betriebe oder auch den Wohnungsbau zu entwickeln, sei es nicht notwendig, „auf die grüne Wiese zu gehen“.
Beispiel Phoenix-See in Dortmund
Selbst Areale mit Altlasten könnten „revitalisiert“ werden, betont Kranz. „Technisch ist vieles möglich heute“, sagt er. Der Phoenix-See, wo früher die Hermanns-Hütte stand, sei ein gutes Beispiel dafür, „dass es geht“. Derzeit ist Heitkamp über eine Projektgesellschaft unter anderem damit befasst, auf dem Gelände der Schachtanlage Grimberg 3/4 in Bergkamen Platz für Wohnungen zu schaffen.
Belastend wirkt dabei die Krise in der Wohnungsbau-Branche. „Natürlich betrifft uns dieser Trend“, sagt Heitkamp-Chef Kranz. Für den Wohnungsbau sei es eine „sehr, sehr schwierige Zeit“. Aufmerksam registriert Kranz, dass Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia aus Bochum alle für dieses Jahr vorgesehenen Neubauprojekte auf Eis gelegt hat und als Gründe die Inflation, hohe Kosten und die gestiegenen Zinsen nennt. „Es wird sich etwas verändern müssen“, sagt Kranz mit Blick auf den Wohnungsbau. Weniger Bürokratie könne helfen, um „effizienter zu bauen“. Es sei nicht hilfreich, die Häuser „immer dicker zu bauen, immer mehr zu dämmen“.
Dass Deutschlands Infrastruktur in die Jahre gekommen ist, könnte Heitkamp in den kommenden Jahren Aufträge bescheren. Bei der Sprengung der maroden Rahmede-Brücke der A 45 bei Lüdenscheid war Heitkamp der Generalunternehmer. „Es war ein sehr anstrengender Job“, erzählt Kranz. Der Zeitdruck vor der Sprengung war groß. Außerdem habe es sich um die höchste Brücke gehandelt, die jemals in Deutschland gesprengt worden ist.
Der Sparkurs bei der Infrastruktur habe fatale Folgen – insbesondere bei Deutschlands Brücken. „Deswegen haben wir jetzt die immensen Probleme“, sagt Kranz. „Da steht Rahmede nur beispielhaft.“ Allein in Nordrhein-Westfalen seien Schätzungen zufolge mehr als 400 Brücken sanierungsbedürftig.
Rahmede-Brücke – eigentlich ein „ein ganz filigranes, tolles Bauwerk“
Eigentlich sei die Rahmede-Brücke „ein ganz filigranes, tolles Bauwerk“ gewesen, urteilt der Bau-Unternehmer. Letztendlich sei die Brücke kaputtgegangen, weil sie in den 70er-Jahren für andere Verkehrslasten konzipiert worden sei – nicht für eine Vielzahl schwerer Lkw. „Die Lasten, die wir heute haben, die Lkw-Dichte – die gab es damals nicht“, sagt Kranz. Die bestehenden Brücken hätten daher viel früher ertüchtigt werden müssen. Aber dafür habe es in Deutschland kein Geld gegeben. „Ich denke, viele Brücken müssen einfach neu gebautwerden“, sagt Kranz mit Blick auf die kommenden Jahre.
Der größte Auftrag in der Firmengeschichtevon Heitkamp kommt indes aus der Energiewirtschaft. Für den Dortmunder Netzbetreiber Amprion soll die Herner Firma einen Teil der Erdkabeltrasse „A-Nord“ von Emden nach Osterrath bei Düsseldorf bauen – eine „Hauptschlagader der Energiewende“ für den Transport von Strom aus dem windreichen Norden in die Verbrauchszentren im Westen und Süden Deutschlands. Im Jahr 2027 soll die unterirdische Stromleitung in Betrieb gehen.
Für die Energiebranche zu bauen – das hat Tradition bei Heitkamp. Früher waren es Fördertürme für Zechen und Kühltürme für Atomkraftwerke. Ins Bild passt, dass sich die Heitkamp-Zentrale auf dem Gelände der Zeche Pluto in Wanne-Eickel befindet. In der Vergangenheit habe sich Heitkamp mit Kohle und Kernkraft befasst, sagt Kranz, „heute beschäftigten wir uns mit der Zukunft: mit den erneuerbaren Energien“.