Je stärker sich Deutschland im Krisenmodus befindet, desto häufiger wird diskutiert, ob man nicht jemand brauchen könnte wie Helmut Schmidt.
Der ehemalige Hamburger Polizeisenator und Bundeskanzler hat sich als Krisenmanager bei der Sturmflut 1962 und im Kampf gegen die RAF einen legendären Ruf erarbeitet, weshalb in den vergangenen Jahren, bei Corona wie beim Krieg in der Ukraine oder in der Energiekrise, immer wieder die Frage gestellt wurde: Was würde Schmidt tun? Der Publizist Helmut Stubbe da Luz hat sich zusammen mit Sven Felix Kellerhoff jetzt in einem neuen Buch dieser Frage angenommen. Es heißt „Vorbild Helmut Schmidt? Politische Führung in Krisen und Katastrophen“ und ist eine gute Grundlage, um auch darüber zu sprechen, wieviel Helmut Schmidt eigentlich in Olaf Scholz steckt.
Der aktuelle Bundeskanzler hat zwar einmal gesagt, dass er unter anderem wegen Politikern wie Schmidt und Willy Brandt in die SPD eingetreten sei; auf die Frage, ob Helmut Schmidt sein großes Vorbild sei, antwortete er aber auch ziemlich eindeutig: „Ich bin Olaf Scholz.“ Und weiter: „Ich bin wie ich bin.“
Es gibt ein paar Gemeinsamkeiten, nicht nur was die politische und die tatsächliche Herkunft angeht: Scholz ist wie Schmidt im wahrsten Sinne des Wortes ein Besserwisser, beide erklären anderen Menschen gern die Welt – und taten beziehungsweise tun das in einer eher unemotionalen, nüchternen und gern knappen Art und Weise. An die rhetorischen Fähigkeiten Schmidts kommt Scholz bei weitem nicht heran, auch mit Charisma ist er deutlich weniger gesegnet. Schmidt war in seinen Reden und Gesprächen deutlich aggressiver als Scholz, vieles von dem, was und vor allem wie er es gesagt hat, würde heute als mindestens unhöflich, wenn nicht arrogant kritisiert werden.
Zu der Frage, wie Politikerinnen und Politiker sich in schwierigen Situationen verhalten sollte, sagt Helmut Stubbe da Luz zwar: „In schwierigen Situationen braucht es Akteure, die bereit sind, etwas Ungewöhnliches zu tun, das stimmt sicherlich.“ Aber auch: „Bei der Sturmflut 1962 ist leider der Mythos entstanden, dass es in bestimmten Lagen Leute geben muss, die sich über das Grundgesetz hinwegsetzen und die Gewaltenteilung dann hintenanstehen muss.“ Wenn heute Politikern wie Olaf Scholz Helmut Schmidt als Vorbild empfohlen werde, dann gründe sich das auf ein Verhalten, das nicht gesetzeskonform gewesen sei. Die Forderung, dass da „mal einer durchgreifen müsse“ heiße übersetzt: Der oder die macht, was er will – notfalls auch jenseits des Grundgesetzes. „Wenn dieser Weg einmal beschritten ist, öffnet man Türen und Tore“, so Stubbe da Luz. Er erinnert an die Corona-Zeit, in der es Stimmen gegeben habe, dass man jetzt doch mal „auf den Föderalismus pfeifen müsse“ und durchregieren müsse: „Das ist eine Tendenz, die nicht zu begrüßen ist.“ Insofern könne Helmut Schmidt nur begrenzt als Vorbild für Olaf Scholz dienen. Lernen sollte der aktuelle Kanzler von dem ehemaligen nicht, wie man die Grenzen des Grundgesetzes verschiebt oder gar ignoriert, sondern eher, „wie man seine politischen Entscheidungen so verkündet und erklärt, dass die Menschen einem zuhören und sie verstehen.“ Die Kommunikationsbereitschaft von Helmut Schmidt sei wirklich vorbildlich gewesen: „Er hat bei der Sturmflut eine offensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Und in der RAF-Zeit hat er sich immer wieder direkt und schnell etwa via Tagesschau an das Volk gewandt, es informiert, aber auch auf die schwierige Lage eingeschworen“, sagt der Autor. Und weiter: „Ich glaube, dass die Krisenkommunikation eines der zentralen Kriterien sein muss, um die Führungsqualität eines Spitzenpolitikers zu beurteilen.“
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