Hin und wieder ist Olaf Scholz doch für eine Überraschung gut. Am vergangenen Freitag tauchte der Bundeskanzler in einer TV-Sendung auf, in der man ihn überhaupt nicht erwartet hätte – bei „3 nach 9“, einem bewusst unpolitischen Format.
Scholz war dort nicht, wie früher bei „Anne Will“ oder „Maybrit Illner“, der einzige Gast, sondern saß ganz normal in einer großen Runde und ließ sich rund 20 Minuten von Gastgeber Giovanni di Lorenzo befragen (der sehr behutsam mit dem Kanzler umging). War das der Beginn einer neuen Kommunikationsstrategie von Scholz, dem so oft nachgesagt wird, dass eben jene Kommunikation seine große Schwäche ist? „Vielleicht ist das die Mission Nahbarkeit“, sagt Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin der „Welt am Sonntag“, die diesmal im Scholz-Update zu Gast ist. „Ich habe auch das Gefühl, dass Scholz den Wahlkampf bereits eröffnet hat. Wir haben den Friedenskanzler in den vergangenen zwei Wochen erlebt, den Renten- und Respektkanzler, der schon einmal der größten Wählergruppe klar gemacht hat, dass er ihr Kanzler sein will.“ Bei „3 nach 9“ könnte Scholz gewesen sein, um sich als Mensch aus dem Volk zu inszenieren. Wobei Scholz in der Sendung auch politisch wurde: Etwa, als er sagte, dass er Politik genauso gut erklären könnte wie die früheren SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt – er hätte es nur schwieriger, die Menschen zu erreichen, weil es heute nicht mehr nur eine Handvoll, sondern Hunderte Medienkanäle gäbe. Die Probleme, die es in der Dreierkonstellation zwischen SPD, FDP und Grünen gäbe, hätte er gern auch weniger wuchtig, so der Kanzlre weiter, überrascht sei er davon aber nicht: Schließlich sei der erste Versuch, eine Bundesregierung aus drei Partner zusammenstellen, die Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen, schon im Ansatz gescheitert. Für Rosenfeld sind die Argumentationen typisch für Olaf Scholz, Motto: „Er macht alles richtig, nur die anderen verstehen es leider nicht. Rechthaben ist eine seiner Kategorien.“
Das gilt auch bei der Verweigerung des Kanzlers, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Anton Hofreiter (Grüne) und Norbert Röttgen (CDU), Außenpolitiker in ihren jeweiligen Parteien, haben zusammen einen Artikel in der „FAZ“ veröffentlicht, in dem sie Scholz vorwerfen, dass die Gründe für die Nichtlieferung des Taurus nur „vorgeschoben“ seien. „Der Kanzler hat sich in der Taurus-Frage so eindeutig positioniert, dass es da für ihn keinen Spielraum mehr gibt“, sagt Rosenfeld. Aus ihrer Sicht scheide deshalb selbst ein Ringtausch von Waffensystemen aus, die Großbritannien Deutschland angeboten habe. Zu der harschen Kritik von Anton Hofreiter, immerhin Mitglied einer Regierungspartei, sagt sie: „Er reiht sich mit seinen Argumenten in einen beträchtlichen Anteil der Grünen ein, der die Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet hat und das jetzt auch im Fall Taurus tut.“ Einen entsprechenden Antrag, den Taurus auch tatsächlich der Ukraine zur Verfügung zu stellen, wird die CDU/CSU am Donnerstag in den Bundestag einbringen. Rosenfeld sagt: „Hofreiter schreibt mit einem Kollegen von der CDU, dass die Lieferungen von Waffen immer von Diskussionen, Scheinargumenten und Angstrhetorik begleitet worden. Wenn er so weit geht, kann er am Donnerstag nicht anders, als als Grüner gegen den eigenen Kanzler zu stimmen – und vielleicht ist er nicht der einzige.“ Dann hätte Olaf Scholz ein weiteres Problem.
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