Kerstin Münstermann beobachtet die Bundesregierung und die Bundespolitik seit vielen Jahren, früher auch für das Hamburger Abendblatt.

Kerstin Münstermann beobachtet die Bundesregierung und die Bundespolitik seit vielen Jahren, früher auch für das Hamburger Abendblatt. Inzwischen leitet sie das Hauptstadtbüro der „Rheinischen Post“, bei der sie auch Mitglied der Chefredaktion ist und hat natürlich den Besuch von Olaf Scholz bei US-Präsident Joe Biden genau beobachtet: „In Deutschland hat der Kanzler bei den Rosenmontags-Umzügen kräftig sein Fett abbekommen, in Washington hat er Weltpolitik gemacht. Innen pfui, außen hui – das ist vielleicht das, was Scholz‘ Politik im Moment ganz gut beschreibt.“

Das Bundeskanzleramt könne den Besuch in den USA als einen Erfolg verbuchen, von denen es innenpolitisch wenig gebe. Scholz‘ Auftritte auf der weltpolitischen Bühne würden deshalb auch eine große Rolle spielen, je näher die Bundestagswahl im kommenden Jahr rücke. Sie seien auch ein Bestandteil der Strategie, mit dem der Kanzler aus den Umfragetiefs der vergangenen Wochen herauskommen will. Ein anderer: „Er wird in Zukunft öfter den Olaf Scholz zeigen, wie ihn die Parteifreunde in internen Sitzungen erlebt, wo er nicht nur redet, sondern auch tatsächlich etwas sagt“, so Münstermann. „Er wird auch mal offen sagen, was ihm nicht gefällt und worüber er sich ärgert. Der Ton von Olaf Scholz‘ wird deutlich härter und klarer werden, es wird auch einen Kanzler geben, der mal auf den Tisch haut.“

Das ist die eine Hoffnung, die viele in der SPD mit Blick auf die Wahl 2025 haben. Die andere: „Man hofft bei den Sozialdemokraten, dass Friedrich Merz Kanzlerkandidat der CDU/CSU wird, und nicht Markus Söder oder Hendrik Wüst.“ Merz hätte aus SPD-Sicht nicht nur den „Vorteil“, dass er noch nie in Regierungsverantwortung gewesen ist, „er ist auch ähnlich unempathisch wie Olaf Scholz“. Und sollte der CDU-Vorsitzende Kanzlerkandidat werden, wonach es aktuell aussehe, könne die SPD auch wieder mit vielen Querschüssen von Bayerns Ministerpräsident Söder rechnen.

Dass die SPD selbst statt Olaf Scholz Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Rennen um die nächste Kanzlerschaft schickt, hält Münstermann dagegen für unwahrscheinlich: „Scholz müsste von sich aus darauf verzichten, und das tut er nicht.“ Pistorius Aufstieg vom relativ unbekannten Innenminister Niedersachsens zum beliebtesten Politiker Deutschlands hat die Journalistin aufmerksam verfolgt. Ihre Erklärung dafür: „Er hat so eine gewisse ehrliche Ansprache, eine sehr unprätentiöse Art – und trotzdem ist er direkt und gut im Kontakt mit Menschen. Bei der Bundeswehr feiert man ihn, weil er sich immer richtig verhält, und in der Hauptstadt, weil er im Umgang mit den Menschen sehr nahbar ist.“ Für den Kontakt mit Journalistinnen und Journalisten gilt das nicht unbedingt. Seine Kommunikation sei durchaus „wohl dosiert“, sagt Münstermann, die wie so viele andere Zeitungen nach wie vor auf ein Interview mit dem Minister wartet.

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