Berlin. Im Februar sollte Lisa Poettinger als Referendarin anfangen. Nun droht der linken Aktivistin ihr Engagement zum Verhängnis zu werden.

Dass es nicht einfach werden würde, ihren Traum zu erfüllen, hat Lisa Poettinger vielleicht schon im vergangenen Dezember vorhergesehen. Sie „wünsche sich von Herzen, Lehrerin zu werden“, sagte die 28-Jährige aus dem bayerischen Murnau der Zeitung „Neues Deutschland“ in einem Interview, aber sie glaube, „dass ich flexibel sein muss und mich nicht darauf versteifen sollte“.

Nun scheint es tatsächlich so, dass Poettinger sich möglicherweise nach einem anderen Berufsweg umsehen muss. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ zuerst berichtete, stuft sie das bayerische Kultusministerium als Linksextremistin ein und will ihr wahrscheinlich den Zugang zum Referendariat verweigern. Endgültig entschieden ist das noch nicht. Das Kultusministerium teilte nach dem Bericht der „Süddeutschen“ mit, dass Poettingers Fall noch geprüft werde.

Lisa Poettinger bezeichnet sich als Marxistin

Der Fall beschäftigt mittlerweile höchste Kreise. Laut Bayerischem Rundfunk berichtete Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) am Dienstag dem Ministerrat. Florian Herrmann (CSU), Chef der Staatskanzlei, äußerte sich im Anschluss ziemlich unverblümt. „Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen“, sagte Herrmann.

Als Kommunistin will sich Poettinger nicht verstanden wissen. Sie bezeichnet sich selbst jedoch als „Marxistin“. Seit Jahren ist die Studentin für Englisch, Ethik und Deutsch als Fremdsprache (Lehramt an Gymnasien) in diversen linken Gruppen aktiv. Sie macht bei der Klimaschutzbewegung „Extinction Rebellion“ mit, demonstrierte gegen die „Internationale Automobil-Ausstellung“ in München und organisiert Demos gegen Rechtsextremismus.

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Laufende Strafverfahren gegen die angehende Lehrerin

Man könnte Poettinger als engagierte junge Frau bezeichnen, links, aber nicht als extremistisch. Die bayerischen Behörden sehen das jedoch anders. Zum Verhängnis könnte der angehenden Lehrerin ihre Mitgliedschaft in den beiden Gruppierungen „Smash IAA“ und „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“ werden. Beide werden vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft. Poettinger wurde von der Kultusbehörde gebeten, eine Stellungnahme abzugeben. Diese wird aktuell geprüft.

Erschwerend kommt hinzu, dass gegen Poettinger zwei Strafverfahren anhängig sind. Sie soll bei einer Demo gegen den Kohleabbau im nordrhein-westfälischen Lützerath einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte verübt haben. Und sie soll AfD-Plakate zerstört haben. Wie der „Münchner Merkur“ berichtet, hat Poettinger mehrere Gefährderansprachen des Staatsschutzes erhalten.

Lisa Poettinger kämpft um ein Referendariat in Bayern.
Lisa Poettinger kämpft um ein Referendariat in Bayern. © picture alliance / SZ Photo | Stephan Rumpf | picture alliance / SZ Photo | Stephan Rumpf

Darf so jemand ein Referendariat antreten und später möglicherweise verbeamtet werden? Ein Blick ins Beamtenstatusgesetz: Beamtinnen und Beamte „müssen jederzeit Gewähr bieten, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten“, heißt es darin. Sebastian Baunack, Fachanwalt für Verwaltungs- und Arbeitsrecht in Berlin und Mitglied im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, sagte dazu Spiegel Online, es müsse nicht bewiesen werden, dass die betreffende Person verfassungsfeindlich sei oder die Verfassung bekämpfe, es reichten Zweifel. Diese Zweifel müssten jedoch auf „nachprüfbaren Tatsachen beruhen“.

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Poettinger: Stehe aus dem Boden des Grundgesetzes

Poettinger hat immer wieder betont, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes und der bayerischen Verfassung stehe. Die möglichen Zweifel daran, kann man vielleicht aus ihren Äußerungen in den sozialen Medien herauslesen. Nach einem Anschlag auf die Stromversorgung, die im vergangenen Jahr auch die Produktion im Tesla-Werk in Grünheide lahmlegte, postete sie etwa: Jeder Tag ohne Produktion bei Tesla sei „ein guter Tag für unsere Umwelt“. Andere Posts lassen sich als das Gutheißen von Sabotageakten interpretieren. Klimaschutz und Antikapitalismus gingen Hand in Hand, ist Poettinger überzeugt.

Als Referendarin wäre Poettinger eine Beamtin auf Widerruf. Sie müsste sich dann natürlich an geltendes Beamtenrecht halten. Dieses sieht vor, dass Lehrkräfte jederzeit auch ein Vorbild für ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen sein müssen. Es stellt sich die Frage, ob jemand, der bei einer Demo Gewalt angewendet hat oder Wahlplakate zerstört, ein solches Vorbild sein kann.

Letztendlich geht es auch im Fall Poettinger um die Verhältnismäßigkeit. Will man einer jungen Frau wirklich die berufliche Karriere verbauen? Auf der anderen Seite hat der Staat das berechtigte Interesse, verfassungskonforme Beamtinnen und Beamte in seinen Reihen zu haben. Immer wieder kommt es vor, dass Anwärterinnen der Zugang zur Beamtenlaufbahn verweigert wird. In Brandenburg etwa zuletzt einer angehenden Lehrerin wegen rechtsextremer Umtriebe. In Bayern wurde ein Jurastudent nicht zum Rechtsreferendariat zugelassen, weil er Mitglied der rechtsextremen Kleinstpartei „III Weg“ ist.

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Wie Poettinger doch Lehrerin werden könnte

Wer bereits verbeamtet ist, hat dagegen gute Chancen, dies dauerhaft zu bleiben. So erging Anfang Januar ein eher mildes Urteil gegen einen 28 Jahre alten Feuerwehrmann, der eine Frau vergewaltigt hatte. Das Amtsgericht München verurteilte ihn zu elf Monaten auf Bewährung. Ein höheres Urteil hätte seine Entlassung als Beamten zur Folge gehabt. Diese Härte wollte die Richterin dem Feuerwehrmann offenbar nicht zumuten.

Für Lisa Poettinger ist klar, dass sie den Rechtsweg beschreiten will. Sie spricht von einem drohenden „Berufsverbot“ und hat sich eine Anwältin genommen. Sie wolle sich „nicht einschüchtern“ lassen, sagt sie. Falls sie nicht zum Referendariat zugelassen werden sollte, könnte sie auf einem anderen Weg trotzdem Lehrerin werden. Darauf weist Rechtsanwalt Baunack hin. Poettinger könnte sich als Lehrerin anstellen lassen. Über diesen alternativen Zugang zum Referendariat über ein Angestelltenverhältnis entschieden keine Verwaltungs-, sondern Arbeitsgerichte, die deutlich liberaler urteilten, so Baunack zu Spiegel Online. Poettinger könnte sich auch in einem anderen Bundesland bewerben. Das hat sie aber bereits so gut wie ausgeschlossen. Aus Bayern könne und wolle sie nicht weg, sagt sie.