Berlin. Eine Banane wird als „Kunst“ für 6,2 Millionen US-Dollar ersteigert. Wie mag sich der Mann fühlen, der sie als Obst für 35 Cent verkaufte?

Eine Birne kostet bei Shah Alam einen US-Dollar, drei Äpfel zwei Dollar, eine Banane 35 Cent. Wer ihm vier Stück abkauft, zahlt nur einen Dollar. Nicht viel.

Es ist kein schlechter Platz für einen Obststand, hier auf der Upper East Side in New York, im feineren Teil von Manhattan: Ecke York Avenue und East 72nd Street. Zahlungskräftige Kunden. Direkt nebenan das Auktionshaus Sotheby‘s.

Zwölf Stunden steht der Mann aus Bangladesch hier, vier Tage die Woche, bei jedem Wetter, ob es regnet, schneit oder stürmt. Zwölf Dollar bekommt er als Stundenlohn. Am Abend schleppt sich der 74-Jährige in eine Kellerwohnung in der Bronx, die er sich mit fünf Männern teilt.

Ein Mann versteht die Welt nicht mehr

Ein karges Leben, ein Einwandererleben in den USA. Für Alam ist der amerikanische Traum nicht wahr geworden. Das große Los hat er nicht gezogen.

Manchmal ist Nicht-Wissen ein Gnade. In Alams Fall endete sie jäh und unvermittelt, als Reporter seinen Stand belagerten und vom Obsthändler wissen wollten, wie er sich so fühle, nachdem eine bei ihm gekaufte 35-Cent-Banane anschließend als Kunstwerk für 6,2 Millionen US-Dollar versteigert wurde. Alam brach in Tränen aus, „ich bin ein armer Mann, ich habe noch nie so viel Geld gehabt.“

Sozial obszön oder gelungene Provokation?

Das Verkauf von „Comedian“ des Italieners Maurizio Cattelan ging um die Welt. Eine „New-York-Times“-Reporterin ist den umgekehrten Weg gegangen: Zurück auf die Straße, Verkäufer zum Obstverkäufer, zurück zum alten Mann aus Bangladesch.

An einem Mittwoch kam jemand von Sotheby‘s auf einen Sprung vorbei und kaufte die Banane, um sie anschließend für das Kunstwerk mit einem silbernen Klebeband an einer Wand zu befestigen.

Es war das Werk mit dem Los Nummer 10. Und es ging gleich gut los. Das erste Gebot lag schon bei 800.000 Dollar. Innerhalb von Minuten trieben Bieter den Preis auf über sechs Millionen Dollar hoch.

Der Performancekünstler und der Kryptomillionär

Das Rennen machte dann Justin Sun, der chinesische Gründer einer Kryptowährungsplattform. Auf X zelebrierte er den Kauf, die Welt durfte verfolgen, wie er sie aß. „Ich glaube“, sagte er der „New York Times“, „dieses Stück wird in Zukunft zu mehr Gedanken und Diskussionen anregen und ein Teil der Geschichte werden.“

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Total Banane? Es ist eine Geschichte nach dem Geschmack von Maurizio Cattelan. Er ist der Performancekünstler hinter der Banane. Für andere mag sie sozial obszön oder pervers anmuten, für ihn ist es eine künstlerische Provokation.

Der Italiener wollte eine Diskussion darüber lostreten, was Kunst ausmacht und was sie wert ist. Die ersten drei „Comedian“-Kunstwerke stellte er 2019 auf der internationalen Kunstmesse Art Basel Miami Beach aus.

Sie wurden für vergleichsweise kleines Geld verkauft, zwischen 120.000 und 150.000 Dollar, und mit einer Bedienungsanleitung geliefert; einschließlich der Erlaubnis, verfaulte Bananen aufzufrischen. Cattelan sagte der „New York Times“, Alams Reaktion bewege ihn durchaus. „Kunst löst jedoch naturgemäß keine Probleme – wenn sie es täte, wäre sie Politik.“ Shah Alam geht leer aus. „Was für Leute sind die, die sie gekauft haben?“ Shah Alam versteht die Welt nicht mehr.