Paris. Seit Monaten schieben Dutzende Senioren auf ihrem Vereinsgelände in Montmartre Wache. Jetzt rückte die Bereitschaftspolizei an.
Dass sich die Franzosen das Boule-Spielen um wirklich keinen Preis verbieten lassen, stellen derzeit Dutzende äußerst resolute Rentner in Paris unter Beweis. Einem traditionsreichen Verein in Montmartre, in dem der Nationalsport seit mehr als 50 Jahren gespielt wird und der Treffpunkt für viele Bewohner des Stadtteils ist, droht seitens der Stadt der Rauswurf von seinem Gelände.
Die Spieler des Clubs Lepic Abesses Pétanque aber wollen sich der Anordnung aus dem mächtigen Rathaus nicht beugen und proben die Revolte. Sie ziehen bis vor das höchste Verwaltungsgericht des Landes und besetzen am Ende gar Tag und Nacht ihr Vereinsgebäude. Dabei gehen die vorrangig älteren Pariser so entschieden vor, dass sich sogar die nun angerückten Polizisten ein kleines Lächeln nicht ganz verkneifen können.
Revolte in Paris: Resolute Boule-Spieler besetzen Club in Montmartre
Die Stadt will das Gelände begrünen und einem angrenzenden Luxushotel für den Betrieb einer Gartengastronomie überlassen. Das empört Kritiker, darunter auch Schauspieler Fabrice Luchini, der sich aufregte, dass die Stadt Paris, dazu noch unter einem sozialistisch geführten Rathaus, den Luxustourismus dem beliebten Nationalsport vorziehe. Es handele sich nach eigenen Angaben um den mitgliederstärksten Boule-Club von Paris.
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Der Boule-Club, der seit 1971 aktiv ist und jahrzehntelang zum Flair des Viertels beitrug, hatte sich bei der Stadt lange Zeit vergeblich um eine Nutzungsvereinbarung für das Gelände bemüht. Schon 1987 drohte den Boule-Spielern bereits einmal der Rauswurf, weil die Stadt lieber einen Parkplatz auf dem Gelände bauen wollte. Daraus wurde aber nichts.
Anfang der Woche erreichte der Konflikt dann einen neuen Höhepunkt: Bereitschaftspolizisten rückten an, um das Gelände zu räumen. Die rund 80 protestierenden Mitglieder des Vereins hatten sich dort als Zeichen des Widerstands auf den Boden gelegt und wurden am Montagnachmittag vor den Augen etlicher Touristen von den Beamten einer nach dem anderen weggetragen.
Polizisten reißen Vereinsheim des Boule-Clubs in Paris ab
Noch am Abend rissen die Ordnungskräfte das Vereinsheim auf dem Gelände ab, das nach Angaben des Clubs seit mehr als 30 Jahren unter Denkmalschutz steht. Ihre Räumungsaktion begründete die Stadt damit, die Boule-Spieler seien „Besetzer ohne Recht und Titel“, wie die Zeitung „Le Parisien“ berichtete.
Gegen das drohende Aus seines „Boulodrome“ war der Club seit gut zwei Jahren Sturm gelaufen. Mehr als 13.000 Menschen unterschrieben eine Petition gegen den Rauswurf von dem Gelände. Der Club verbinde die ernsthafte Ausübung des Boule-Spiels mit Geselligkeit, hieß es in der Petition. Seit mehr als 50 Jahren trage der Club zum Austausch zwischen Einwohnern aller Generationen bei. Zu seinen Mitgliedern gehörten Handwerker, Künstler und Rentner ebenso wie Kinder, Firmenchefs und Arbeitslose.
Boule-Spieler in Paris vertrieben: Anwälte kündigen Widerstand an
Über die Polizeiaktion empörte sich der französische Linken-Abgeordnete Aymeric Caron. „Dieser Tag ist ein Drama für die Anwohnerinnen und Anwohner in Montmartre, die diesen Ort seit einem halben Jahrhundert jede Woche besuchen und heute wie Rowdys behandelt werden.“ Die Anwälte des Clubs, Clémentine Veltz und Margot Lecourt, kündeten bereits Widerstand an: „Wir werden hier keinen Schlusspunkt setzen. Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nutzen.“
Dabei hatte das Boule-Gelände bereits vier Mal das Verwaltungsgericht beschäftigt, ehe der Staatsrat als höchstes Verwaltungsgericht des Landes im April zugunsten der Stadt und damit gegen die Boule-Spieler entschied. Seit dem höchstrichterlichen Entscheid hatten sich Club-Mitglieder abgelöst, um Tag und Nacht auf dem Gelände für den Fall einer Räumung Wache zu schieben.
Was aus dem beliebten Boule-Club in Montmartre werden soll
Um eine Beruhigung der Lage bemühte sich unterdessen das Projektbüro, das das Boule-Gelände in den „Junot-Garten“, den „Jardin Junot“, verwandeln möchte. Der geschützte Charakter des Geländes werde respektiert, sagte Sprecher Christian Clarke dem Sender Sud Radio. „Es gab den Wunsch des Pariser Rathauses, den Ort wieder zu begrünen.“
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Die Projektpläne zumindest versprechen eine aufwendig gestaltete grüne Oase: Sie soll tagsüber, ehe die Gastronomie öffnet, öffentlich zugänglich sein. Und dort soll weiterhin Platz für den Boule-Sport reserviert werden – ausdrücklich auch für den Club, der nun vor die Türe gesetzt wurde.
In der Zwischenzeit müssen die Vereinsmitglieder ihre Boule-Kugeln aber nicht einmotten. Dank der Solidarität eines Boule-Clubs in einem angrenzenden Stadtbezirk können die Hobbysportler vorerst das dortige „Boulodrome“ nutzen und auch ihre Kurse für Schüler in dem typisch französischen Volkssport fortsetzen.