San Francisco. Wildtiere bevölkern unsere Städte, in Berlin Füchse, in San Francisco Coyoten. Sehr zum Leidwesen der Hundebesitzer. Es ist zum Heulen.
Am Wochenende war es so weit. Grünes Licht für die Jäger. Sie sollten einen Coyoten „tödlich entfernen“, wie es Julian Espinoza ausdrückt, der Sprecher des 1.491 Hektar großen Presidio-Parks direkt an der Golden-Gate-Brücke von San Francisco.
Die Stadt an der US-Westküste gilt als überaus liberal. Aber die Toleranz hat auch in San Francisco ihre Grenzen. Die Hundebesitzer werden wild. Es häufen sich die Berichte, dass frei laufende, meist kleinere Hunde – hier ein Zwergspitz, dort ein Basset – tödlich angegriffen wurden. Selbst ein Labrador wurde gebissen.
Wildschweine, Füchse, Igel, Waschbären – sie alle und noch viele andere Wildtiere erobern sich die Großstädte als Lebensraum. Coyoten in San Francisco verhalten sich nicht anders als Füchse in Berlin. Allerdings jagen Coyoten Hündchen, „als wären sie Eichhörnchen“, wie die Naturforscherin Janet Kessler dem „Wall Street Journal“ sagte.
„Dieses Problem macht mich so wütend“
Die Leute haben gelernt, wegzuschauen, wenn Tausende Obdachlose und Drogensüchtige mitten in der City campieren. Aber sie werden von Jahr zu Jahr wütender, wenn sie ihre Vierbeiner auch nur anleinen müssen. In den lokalen sozialen Medien wie Nextdoor erhitzen sich die Gemüter. O-Ton: „Ich habe noch nie eine Waffe gesehen. Ich habe noch nie eine Waffe angefasst. Aber dieses Problem macht mich so wütend.“
In Presidio schlossen sich die Hundebesitzer zur Crissy Field Dog Group zusammen. Ihre Vorsitzende Martha Walters, 68, erhält nach eigenen Angaben Anrufe und SMS über Coyoten, die am Strand Hunde jagen. Walters war selbst Zeugin von zwei Angriffen. Sie befürchtet, dass am Strand künftig Hunde nur noch an der Leine geführt werden dürfen. In diesem Fall „wird es zu Aufständen kommen“.
Coyoten gelten als anpassungsfähig
Aber es gibt auch eine Gegenbewegung. „Es ist Platz für alle da“, sagt eine andere Anwohnerin. Die Leute wissen mitunter nicht, ob sie die Coyoten bestaunen oder verfluchen sollen. Vermutlich tun sie oft beides.
Coyoten haben ein sandgraues Fell, von der Körpergröße her liegen sie zwischen einem Fuchs und einem Wolf. Mehr als viele andere Tiere hat sich der Coyote, der manchmal Prärie- oder Steppenwolf genannt wird, an die Zivilisation gewöhnt. Er ist extrem anpassungsfähig.
Keulung zwecklos
Ein Anwohner filmte, wie ein Coyote eine Straße entlangspazierte, tatsächlich sogar den Zebrastreifen nutzte (Zufall?) und auf die Stufen eines Hauses kletterte. Auf X stellte ein anderer ein Video von einem Coyoten ein, der in Arizona auf einem Parkplatz auf das Dach eines Autos kletterte und heulte.
A coyote howling from a car roof in an automobile dealership in Tucson, Arizona.
— Apurv Anand (@apurv_anand) 12. Oktober 2024
pic.twitter.com/jaDlOw2z00
Bisons, Wölfe und Bären wurden in den USA verdrängt oder fast ausgerottet. Der Coyote indes hat sich perfekt angepasst. Forscher sagen, seine Lebenserwartung sei in der Stadt sogar höher als in der Natur. Dort wird er seltener gejagt und findet reichlich Nahrung, nicht nur im Abfall. Tatsächlich werden sie auch von Menschen gefüttert, obwohl in Presidio praktisch an jeder Ecke ein Schild genau davon abrät.
Hunde: Nur an der kurzen Leine?
Kalifornien verbietet die Umsiedlung von Coyoten. Keulung und Sterilisation gelten als wirkungslos. Wenn das Rudel kleiner werde, würden die Weibchen mit der Zeit mehr Junge zur Welt bringen, zwölf oder mehr statt nur vier im Jahr, fanden Wissenschaftler heraus. Christine Wilkinson, eine Postdoktorandin an der University of California in Berkeley, die sich mit der Wechselbeziehung Mensch und Wildtier befasst, sagt: „Wissenschaftlich gesehen kann man diese Tiere nicht loswerden.“
In Kalifornien bestimmt das Department of Fish and Wildlife, welche Coyoten eine Gefahr für den Menschen darstellen. Bevor das Tier am letzten Wochenende zum Abschuss freigegeben wurde, hatte man eine DNA-Probe entnommen und sie mit den Proben von zwei Hunden verglichen, die auf dem Crissy Field gebissen worden waren.
„Wir müssen alle zusammenarbeiten, um die wilden Tiere zu erhalten“, sagt Espinoza. „Das Wichtigste, was man zum Schutz seines Hundes tun kann, ist, ihn an der kurzen Leine und in Reichweite zu halten.“ Darüber hinaus sollten Besucher Essensreste und anderen Müll immer sicher entsorgen, um die Tiere davon abzuhalten, ihn zu fressen.
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