San Francisco/Berlin. Jahrzehntelang hängt ein Bild bei einer Familie in Italien an der Wand. Nun stellt sich heraus: ein echter Picasso. Was das Gemälde wert ist.
Die Sachverständige Cinzia Altieri hält die Unterschrift für echt. „Es gibt keine Beweise dafür, dass die Unterschrift fälschlich ist“, beteuerte die Graphologin gegenüber italienischen Zeitungen. Dem „Guardian“ sagte sie: „Es besteht kein Zweifel, dass die Unterschrift von ihm stammt.“ Altieri ist Mitglied des wissenschaftlichen Komitees der Arcadia Foundation, die Kunstwerke restauriert und bewertet. Geschätzter Wert dieses Bildes: sechs Millionen Euro.
Lo Rosso, der 2021 verstorben ist, war vor 60 Jahren Trödelhändler, so schreibt die lokale Presse. Er habe in den 1960er Jahren alte Häuser und Mülldeponien nach kleinen Schätzen durchforstet. Sein Sohn Andrea sagte der italienischen Tageszeitung „Il Giorno“, sein Vater habe ihm erzählt, dass er zwei Leinwände aus dem Keller einer Villa auf der Mülldeponie fand – nur eines davon signiert –, die mit Erde und Kalk bedeckt waren. „Mutter breitete sie aus und wusch sie mit Waschmittel, als wären sie Teppiche.“ Es war ein Ölgemälde, das eine Frau in einem blauen Kleid mit stark rot geschminkten Lippen zeigt. Natürlich auf Picassos Art, abstrakt also.
Picasso-Gemälde im Familienbesitz: Kopie oder Millionenfund?
Sohn Andrea habe in der Schule von Picasso gehört. Weil er sich für Malerei interessiert habe, wusste er, dass der berühmte spanische Maler (1881 - 1973) in den 1950er Jahren eine Zeit lang auf Capri verbracht hatte. Bei der Frau, die das Porträt zeigt, das seiner Mutter so überhaupt nicht gefiel, und das sie immer wieder als „schrecklich“ beschrieb, soll es sich wohl um die französische Fotografin und Dichterin Dora Maar gehandelt haben, die mit ihm damals auf der Insel war und von der es weitere bekannte Gemälde gibt.
„Das Bild, das wir zu Hause hatten, war offensichtlich nur eine Kopie“, glaubte der Sohn viele Jahre. Doch als er älter wurde, habe Andrea Lo Rosso einige Nachforschungen dazu angestellt und verschiedene Experten konsultiert. Die Aufgabe, die Echtheit zu beweisen, war nicht einfach, wie in den Zeitungen zu lesen ist.
Der erste Schritt sei logischerweise der gewesen, Kontakt zu Kunsthistorikern aufzunehmen. Statt Staunen über den Millionenschatz, den sie da bei sich trugen, kam es jedoch ganz anders: Die Familie musste sich sogar mit der Polizei herumschlagen, die dem Verdacht von Diebstahl nachging. So wurde das Gemälde zunächst von der Polizei unter dem Vorwurf der Hehlerei beschlagnahmt.
Abweisung im Picasso-Museum: Lo Rossos Gemälde stößt auf Unglauben
Was Andrea Lo Rosso erlebte, ist selbst in seiner Erinnerung immer noch unvorstellbar. Keiner hat ihn wirklich ernst genommen, wie „Il Giorno“ berichtet. „Vor allem schenkten sie mir in Paris keine Beachtung. Ich fuhr zum Picasso-Museum, mit dem Kunstwerk auf dem Rücksitz meines Autos. Dort sagten sie mir, ich solle draußen warten“. Das hatte er sich aber anders vorgestellt. Und also drehte er um und fuhr mit dem Kunstwerk wieder nach Hause.
Er hat dann versucht, eine Erklärung dafür zu finden, warum die Museums-Mitarbeiter ihm so ablehnend begegnet waren. Vielleicht, weil sich in der Picasso-Sammlung bereits eine „Buste de femme Maar“ befand, vermutete Lo Rosso. Das Gemälde war bei einer Auktion 2016 für mehr als 22 Millionen Dollar verkauft worden, berichtet die schottische Tageszeitung „The Herald“.
Picasso im Wohnzimmer: Gemälde nach 50 Jahren als Original bestätigt
Eine Wende sei erfolgt, als sich der Kunstforscher Luca Gentile Canal Marcante einsetzte. Seiner Meinung nach könnten beide Gemälde Originale sein. „Es handelt sich wahrscheinlich um zwei nicht ganz identische Porträts desselben Motivs, die Picasso zu zwei verschiedenen Zeitpunkten gemalt hat.“ Schließlich habe er sich festgelegt: „Eines weiß ich ganz sicher: Das Exemplar, das auf Capri gefunden wurde, ist echt.“ Seine Gewissheit beruhe auf seiner eigenen sowie der Expertise weiterer Experten.
50 Jahre hing das Bild im Wohnzimmer der Lo Rossos. „Es sind auch Kaufanfragen eingegangen. Wir haben nie daran gedacht, die Leinwand zu verkaufen“, sagt Lo Rosso. Mittlerweile befindet es sich in einem Tresor in Mailand. Die Familie hütet es jetzt wie einen Schatz.