Madrid. Der Vulkanausbruch 2021 ist auf La Palma noch allgegenwärtig. Der Wiederaufbau läuft schleppend. Unter Einheimischen sorgt das für Ärger.
Von Amanda Meliáns Haus auf La Palma sind nur noch der Schornstein und ein Teil der Front zu sehen. Der Rest ist bedeckt von Ascheschichten, die sich beim Ausbruch des Vulkans Tajogaites im September 2021 darüber ergossen. Seitdem ist Meliáns ehemaliges Zuhause zur meistfotografierten Touristenattraktion der Kanareninsel geworden. Das Bild des aus der Asche ragenden Schornsteins entwickelte sich zum Symbol jener Vulkankatastrophe, die auf La Palma ganze Dörfer unter Lavamassen begrub.
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Der Wiederaufbau dessen, was der feuerspeiende Berg in wenigen Wochen verwüstete, dürfte noch Jahre dauern. Weiterhin leben viele Familien, die ihr Dach über dem Kopf verloren, in Notunterkünften – auch Amanda Melián mit Ehemann und zwei kleinen Kindern. Sie durften ihr Haus bisher nicht aus der Asche ausgraben, um dort wieder leben zu können.
Nun verlor Amanda Melián die Geduld: „Niemand erklärt mir, was mit meinem Haus geschehen wird. Das ist nicht gerecht.” Aus Ärger über die schleppende Wiederaufbau-Bürokratie startete sie eine Aufsehen erregende Protestaktion: Sie verhüllte die Überreste ihres Heims mit einer grünen Plastikplane. Seitdem ist das berühmte Postkartenmotiv, das die Titelseiten vieler Zeitungen schmückte, verschwunden.
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„Ich möchte nicht, dass das Haus, so wie es jetzt aussieht, zum Ziel von Touristenausflügen wird – nicht einmal, wenn sie mich dafür bezahlen“, sagt sie. „Ich möchte das Haus endlich ausgraben und reparieren.“ Doch das kann noch lange dauern. Ihr Grundstück, das sich unterhalb des Vulkankraters befindet und auf dem sich während der Eruption eine Lavaspalte öffnete, gilt weiterhin als instabil.
Vulkanausbruch auf La Palma: Tausende verloren ihr Zuhause
Die Katastrophe begann am Nachmittag des 19. September 2021 im Gebirgszug Cumbre Vieja. Amanda Melián erinnert sich: „Eine Explosion, Rauch, Flammen, die aus dem Berg schlagen. Wir schnappten uns eilig die Kinder und sprangen ins Auto”, erzählt sie in dem Buch „Die anderen Geschichten des Vulkans“, in dem die dramatischen Berichte vieler Betroffener verewigt sind.
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Der Ausbruch im Süden der Urlaubsinsel hielt die Welt knapp drei Monate in Atem. Erst kurz vor Weihnachten 2021 kam der Vulkan, den die Insulaner damals „das Biest” nannten, wieder zur Ruhe. Die Schadensbilanz: 1676 Gebäude wurden zerstört. 2329 Menschen verloren ihr Dach über dem Kopf. 350 Hektar an Bananen-, Wein- und Avocado-Plantagen verschwanden unter einer meterdicken Lavaschicht.
Dank der Wissenschaft, die den Ausbruch vorhersagte, konnten alle Menschen rechtzeitig evakuiert werden. 7000 Personen, darunter auch viele Urlauber, mussten binnen Stunden ihre Unterkünfte verlassen. Wie durch ein Wunder gab es nur ein Todesopfer: Ein 72-jähriger Mann starb an einer Gasvergiftung, und zwar beim Kampf gegen die Vulkanasche, die sein Haus verschüttet hatte.
Der Sachschaden überstieg eine Milliarde Euro. Geld, das nun Versicherungen, der spanische Staat und die EU für den Wiederaufbau aufbringen. Am schlimmsten litt das Aridane-Tal, in dem ganze Ortschaften unter den flüssigen und glühend heißen Vulkanmassen verschwanden. Das Dorf Todoque zum Beispiel wurde komplett verschluckt – mitsamt Schule, Kirche, Gesundheitszentrum, Supermarkt und zahlreichen Ferienhäusern.
Drei Jahre nach dem Ausbruch: Wiederaufbau läuft schleppend
Drei Jahre nach der Katastrophe demonstrieren Betroffene, weil die versprochenen Hilfsgelder nur stockend fließen. Und weil die Wiederherstellung ihrer Heimat nicht schnell genug vorangeht. Der Kampf um Baugenehmigungen sei mühsam, klagen sie. „Drei Jahre – und noch immer kein festes Dach über dem Kopf”, steht auf ihren Protestschildern.
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Doch mehr als 1000 Tage nach dem Ausbruch gibt es auch Hoffnung: Die wichtigste Urlaubshochburg der Insel, der Badeort Puerto Naos, ist wieder zugänglich. Das Strandparadies war durch Lavaströme von der Außenwelt abgeschnitten. Tödliche Vulkangase waberten durch die Straßen. Vor Kurzem gab es grünes Licht für die Rückkehr von Bewohnern und Touristen. Inselpräsident Sergio Rodríguez: „Es besteht dort keine Gefahr mehr.“
In der Vulkanlandschaft schlagen inmitten der Aschen- und Lavawüste wieder die Bäume aus. Gelbe Blumen sprießen zwischen Geröll. Vögel und Eidechsen kehrten dorthin zurück, wo vor drei Jahren Feuer und glühende Gesteinsmassen alles Leben zerstörten. Bagger und Bulldozer bahnen neue Straßen durch die bis zu 60 Meter dicken Lavaschichten. Zentimeter für Zentimeter geht es vorwärts. Auch deswegen wird es Jahre dauern, bis die Baumaschinen die insgesamt 75 verschütteten Straßenkilometer freigefräst haben. „Die Bagger arbeiten jeden Tag. Aber es gibt immer noch viel zu tun“, sagt Javier Llamas, Bürgermeister der Kleinstadt Los Llanos, in der 20.0000 Menschen in Nachbarschaft zum Vulkan leben.
„Das Biest“ auf La Palma brodelt weiter
Gerade laufen die Arbeiten an einer neuen Straße zu jenem Ort, an dem sich das Dorf Todoque befand. Der Platz, an dem einmal die Kirche San Pío stand, wurde freigeräumt. Schon träumen die geflüchteten Bewohner Todoques davon, dass ihre Kirche und ihr Heimatdorf wieder aus der Asche auferstehen könnten. Man wird sehen, ob dies Wirklichkeit wird.
Die neue Straße soll zunächst einmal rund 200 Häuser, die von der Lava eingeschlossen wurden, aber intakt blieben, zugänglich machen. Und über allem ragt in der Ferne der Vulkan Tajogaite auf, aus dem immer noch Rauch aufsteigt. Im Kraterinneren tief unter der Erde brodelt es weiterhin. Die Wissenschaftler messen dort Temperaturen von über 600 Grad.
Immer noch registrieren die geologischen Messgeräte kleine Erdbeben, die daran erinnern, dass „das Biest” nicht völlig eingeschlafen ist. „Die Erderschütterungen sind weiterhin höher als vor dem Ausbruch”, sagt Itahiza Domínguez vom kanarischen Vulkaninstitut IGN. Die 85.000 Einwohner La Palmas wissen nur zu gut, dass sie auf einem Vulkan leben. In den letzten 100 Jahren hat die Insel drei Eruptionen erlebt: 1949, 1971 und 2021. Der letzte Ausbruch war der schwerste – aber möglicherweise nicht der letzte.
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