Berlin. Polizisten haben nahe dem israelischen Generalkonsulat einen Mann erschossen. Die Ermittler gehen von einem versuchten Anschlag aus.
Nach dem Schusswechsel nahe dem israelischen Generalkonsulat in München gehen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag des Getöteten aus. Am Donnerstagmorgen hatten Polizisten einen Mann niedergeschossen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gab daraufhin bekannt, dass der Mann ums Leben gekommen ist. Weitere Verletzte gab es nicht, teilte die Polizei mit.
Nach derzeitigen Erkenntnissen sehe man bei dem Angriff des mit einem Gewehr bewaffneten Mannes einen „Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel“, teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München mit. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen 18-Jährigen aus Österreich. Er soll eine „ältere Langwaffe“ mit Bajonett benutzt haben, hieß es. Die Ermittlungen unter Federführung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus konzentrieren sich demnach auf das genaue Motiv.
Nach Informationen von WDR, NDR und der Süddeutschen Zeitung soll der Schütze zuletzt im Salzburger Land wohnhaft gewesen sein. Verschiedenen Medienberichten zufolge soll es sich um den 2006 geborenen Emrah I. handeln, der den Sicherheitsbehörden als Islamist bekannt war.
Österreichische Polizei: Schütze hatte Waffenverbot
Wie die österreichische Polizei bestätigte, wurde gegen den 18-Jährigen im vergangenen Jahr wegen des Verdachts, dass er sich religiös radikalisiert hatte und sich für Sprengstoff und Waffen interessierte, ermittelt. Für den Mann mit bosnischen Wurzen wurde ein Waffenverbot verhängt. Dieses wäre noch bis mindestens Anfang 2028 in Kraft geblieben, hieß es von der Salzburger Polizei.
Der damals noch 17-Jährige war den Behörden nach einer Drohung gegen Mitschüler und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Zusammenhang sei ihm die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden, hieß es.
Wie die österreichische Presseagentur APA berichtet, waren auf dem Mobiltelefon des jungen Österreichers Daten und ein Computerspiel sichergestellt worden, die eine Nähe zu islamistisch-terroristischem Gedankengut bezeugten. Es soll sich dabei um IS-Propagandamaterial gehandelt haben. Auf die Handyinhalte waren die Behörden aufmerksam geworden, nachdem der Jugendliche an seiner Schule gewalttätig gegen Mitschüler vorgegangen war. Das Verfahren wegen Mitgliedschaft bei der radikalislamischen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) sei aber eingestellt worden.
Wohnung des 18-Jährigen n Österreich durchsucht
Nach dem mutmaßlichen Anschlagsversuch wurde noch am Donnerstag die Wohnung des Schützen im Salzburger Land durchsucht. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern. Das teilte ein Salzburger Polizeisprecher der dpa mit.
Der 18-Jährige hatte in Neumarkt zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Im Nachhinein habe aber sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe.
Nach Angaben von Innenminister Gerhard Karner hat Österreich nun seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Die Staatsschutzbehörde DSN habe deswegen bereits mit der israelischen Botschaft und der israelischen Kultusgemeinde Kontakt aufgenommen, sagte er. „Die österreichischen Sicherheitsbehörden sind in intensivem Austausch mit den deutschen Kollegen.“ Details zu dem jungen Mann oder zu dem Wissensstand seiner Beamten nannte er nicht.
München: Video zeigt mutmaßlichen Täter mit Bajonett
Nach Deutschland soll der mutmaßliche Täter der „Bild“ zufolge mit einem Auto mit Salzburger Kennzeichen gekommen sein. In den sozialen Netzwerken wurde zunächst ein Video geteilt, das den Vorfall in München zeigen soll. Die Polizei äußerte sich bisher nicht dazu. Die Sequenz, die mutmaßlich mit einem Handy von einem Zeugen aus einiger Entfernung aufgenommen worden ist und unserer Redaktion vorliegt, zeigt offenbar einen eher jüngeren Mann mit einer älteren Langwaffe, vorne ist augenscheinlich ein Bajonett angebracht. Der Täter wirkt eher unbeholfen, läuft an einer Häuserwand hin und her, gibt Schüsse ab, lädt nach. Am Ende des Videos sind Polizeisirenen zu hören.
Zu sehen ist auch, wie sich der mutmaßliche Täter erst vom Generalkonsulat wegbewegt, hinter einem Container aus Holz versteckt, dann aber mit vorgehaltener Waffe in Richtung Generalkonsulat zieht. Er versucht, mit seinem Bajonett offenbar die Fensterscheibe eines Anbaus zu zerstören. Es gelingt ihm nicht, der Täter geht weiter Richtung Haupteingang des Konsulats. Dann bricht das Video ab.
Unsere Redaktion hat das Video verifiziert mit Geo-Daten aus dem Internet. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zeigt das Video den mutmaßlichen Täter in unmittelbarer Nähe des Israelischen Generalkonsulats, nur etwa 30 Meter entfernt. (Anm. d. Red.: Unsere Redaktion hat sich entschieden, das Video nicht zu zeigen, da solche Videos oft von Gleichgesinnten zur Glorifizierung der Täter genutzt werden.)
Schüsse in München am Jahrestag des Olympia-Attentats
Am Nachmittag gab die Polizei in München mit Vertretern der bayerischen Landesregierung eine Pressekonferenz. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verwies auf das Datum der Tat: der Jahrestag des Olympia-Attentats in München im Jahr 1972 auf die israelische Mannschaft. „Es gibt einen schlimmen Verdacht“, sagte Söder auf der Pressekonferenz am Tatort. Ein Zusammenhang zum Jahrestag sei „möglicherweise gegeben, das muss noch geklärt werden“, sagte Söder.
Am 5. September 1972 erschossen palästinensische Terroristen im olympischen Dorf zwei Männer und nahmen neun Geiseln. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen.
Die Ermittlungen zum mutmaßlichen Attentat auf das israelische Generalkonsulat laufen bei der Generalstaatsanwaltschaft in München. Söder dankte den Polizeikräften und hob hervor: „Wir geben erneut ein Schutzversprechen für jüdische Bürger, jüdische Einrichtungen ab.“ Bis zu 500 Einsatzkräfte waren am Donnerstag vor Ort am Tatort.
News 🔥 Nach @WDRinvestigativ @NDRrecherche @SZ -Informationen handelt es sich bei dem inzwischen verstorbenen Attentäter in München um einen österreichischen Staatsbürger, geboren 2006, wohnhaft in #Österreich. Mehr dazu gleich bei https://t.co/g1uxGqy2p2 | #München #muc0509
— Florian Flade (@FlorianFlade) 5. September 2024
Die Polizei sprach von einem größeren Einsatz in der Innenstadt von München und forderte am Vormittag dazu auf, den Bereich Brienner Straße und Karolinenplatz „großräumig zu meiden“. Dort seien Verkehrssperren errichtet worden und ein Hubschrauber im Einsatz. In der ganzen Innenstadt sei die Polizeipräsenz erhöht worden. Im Bereich des Tatorts laufe die Spurensicherung, auch Spezialeinsatzkräfte mit gepanzerten Fahrzeugen seien noch vor Ort.
München: Polizei schießt Verdächtigen nieder – Mehrere Schüsse in Video zu hören
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete unter Berufung auf Anwohner, dass Schüsse, Polizeisirenen und die Rufe „Lauft! Lauft“ zu hören gewesen seien. In einem Video, das den Einsatz zeigen soll, sind etliche Schüsse zu hören. Zu sehen ist zudem, wie eine Person offenbar flüchtet.
Schüsse vor dem israelischen Generalkonsulat in München. Das NS-Dokuzentrum ist direkt nebenan. pic.twitter.com/k1r819o9Rj
— Ronen Steinke (@RonenSteinke) 5. September 2024
Schüsse in München: Unterschiedliche Versionen zum Ablauf der Tat
Unter Berufung auf Augenzeugen kursieren am Donnerstag zunächst höchst unterschiedliche Details zum Hergang. Eine Augenzeugin berichtete „t-online“, ein großer Mann habe von der Straße aus in die Fenster eines Gebäudes hineingeschossen. Sie selbst habe sich innerhalb dieses Gebäudes befunden, sagte die Frau. Der Schütze sei groß, blond und schlank gewesen. Er habe schwarze Kleidung getragen. Bei dem Gebäude, in dessen Fenster der Mann hineingeschossen habe, habe es sich um die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften gehandelt.
Die „Bild“ meldete hingegen, der Verdächtige sei mit einer Langwaffe vor dem NS-Dokumentationszentrum direkt neben der Akademie der Technikwissenschaften vorgefahren. Er soll dann auf Standposten der Polizei vor dem Gebäude geschossen haben. Die Beamten hätten daraufhin das Feuer erwidert.
München: Israelisches Generalkonsulat wegen Gedenkfeier geschlossen
Das NS-Dokumentationszentrum liegt drei Minuten entfernt vom Israelischen Generalkonsulat. Im Konsulat habe es eine Gedenkfeier zum Olympia-Attentat in München 1972 gegeben, deshalb hatte es den Angaben zufolge geschlossen, wie das Außenministerium in Jerusalem auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Auch das NS-Dokumentationszentrum bestätigte: „Unsere Mitarbeiter*innen sind alle unverletzt.“
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zeigt sich schockiert: „Nach den jetzigen Informationen scheint es erneut einen islamistischen Hintergrund zu geben, wie bereits in Solingen vergangene Woche als drei Menschen von einem Attentäter ermordet wurden“, erklärte er.
Die Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei, Katina Schubert, fordert nun, auch Asylsuchende und Migranten in den Kampf gegen den Islamismus in Deutschland einzubinden. „Eine langfristige Strategie ist dringend erforderlich, und dazu sollten Menschen, die vor dem islamistischen Terror geflohen sind, eingebunden werden, da sie die Mechanismen und Rekrutierungsmethoden des Terrors kennen“, sagte Schubert unserer Redaktion.
Die Ermittler baten darum, dass Zeugen ihre Videoaufnahmen den Ermittlern über ein Upload-Portal zur Verfügung stellen sollen.
Die Polizei schrieb bei X: „Wir erhalten Kommentare mit Spekulationen und Falschinformationen. Ihr könnt uns am meisten helfen, wenn ihr dies unterlasst und Gerüchte nicht teilt. Die Kollegen arbeiten auf Hochtouren, sobald wir mehr gesicherte Informationen haben, veröffentlichen wir diese hier.“
Die israelischen Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher, teilte am Donnerstag mit: „Wir sind der Polizei München für ihr Handeln und ihre Zusammenarbeit sehr dankbar. Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist. Es ist wichtig, dass die breite Öffentlichkeit ihre Stimme dagegen erhebt.“