Berlin. ARD-Recherchen zeigen, dass sich Täter als Betreuer in Ferienlager einschleusen können. Doch die Politik sieht keinen Handlungsbedarf.
Endlich Sommer, endlich raus: Tausende Kinder und Jugendliche nehmen in Deutschland Jahr für Jahr an Zelt- oder Ferienlagern und teil. Für die Kleinen geht es im ersten Urlaub ohne Eltern oft an den nächsten Baggersee, für Teenager mit Jugendreise-Anbietern nach Kroatien oder Spanien. Eltern nehmen die Angebote meist mit gutem Gewissen wahr: Die Reisen sind preiswert und die Kinder werden betreut. Doch ausgerechnet bei der Betreuung der Minderjährigen gibt es zum Teil offenbar eklatante Mängel, wie eine Recherche der ARD zeigt.
Die Rede ist von Alkoholmissbrauch während der Fahrten, sexuellen Übergriffen und ungeschultem Personal. Waren es in der Vergangenheit oft kirchliche oder andere soziale Träger, die Negativ-Schlagzeilen machten – erst 2023 machte der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) öffentlich, dass rund 60 Prozent des nachgewiesenen sexuellen Missbrauchs innerhalb der kirchlichen Jugendarbeit während Ferienlagern stattfinde –, stehen nun die kommerziellen Anbieter im Fokus.
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Expertin warnt vor Ferienlagern als „Täterparadies“
Ursula Enders, Vorständin des Vereins Zartbitter, der Kinder und Jugendliche mit Missbrauchserfahrung betreut, spricht gar von einem „Täterparadies“, das es zu verhindern gebe. Das Problem: „Kommerzielle Anbieter unterliegen keiner fachlichen Aufsicht“, so Enders gegenüber dem Rechercheteam des SWR. „Jede Pommesbude wird vom Gesundheitsamt kontrolliert, aber jeder darf mit Kindern arbeiten, ob er qualifiziert ist oder nicht.“
Tatsächlich unterliegen private Anbieter im Gegensatz zu öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe keiner Kontrolle. Zwar verlangen große Jugendreise-Anbieter oft die Teilnahme an Kursen, bei diesen wird jedoch zum Teil gespart. Mitunter finden die Lehrgänge nur online statt, eine genaue Kontrolle der Befähigung gibt es nicht. Einer der größten Anbieter würde laut ARD nicht einmal einen Erste-Hilfe-Kurs verlangen.
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Ohne Führungszeugnis: Sexualstraftäter könne Betreuer werden
Besonders heikel: Auch ein erweitertes Führungszeugnis ist in vielen Fällen nicht nötig. Zwar gibt es Anbieter, die beides zur Voraussetzung für die Arbeit als Betreuerin oder Betreuer machen. Andere verzichten aber darauf. So ist es theoretisch möglich, dass auch vorbestrafte Sexualstraftäter als Aufsichtspersonen aktiv sind. Gegenüber dem SWR berichteten gar zwei junge Frauen, dass sie als Kinder sexuelle Übergriffe in Ferienlagern erlebt hätten.
Und selbst wenn es nicht zu solch tragischen Extremfällen kommt: Die Aufsichtspflicht wird von den Veranstaltern mitunter eher locker ausgelegt. So berichtet ein Mitarbeiter unserer Redaktion von einer Jugendreise eines großen, privaten Veranstalters, die ihn vor rund zwölf Jahren mit 16 nach Mallorca führte. An Alkohol zu gelangen, sei dabei kein Problem gewesen. Auch mit den Betreuerinnen wurde zum Teil getrunken worden, oft bis spät in die Nacht.
Trotz dieser Mängel sieht das Bundesfamilienministerium auf Anfrage der ARD keinen Handlungsbedarf.