Berlin. Nach einem heftigen Erdbeben ist die Verunsicherung unter Japans Bürgern groß. Die Regierung warnt die eigene Bevölkerung eindringlich.
Japan produziert gerade Bilder, wie man sie in Europa um den März 2020 sah. Damals hatten diverse Staaten ihre Bevölkerungen in den ersten Corona-Lockdown geschickt. Und ehe das Daheimbleiben losging, deckte sich bald jeder ein: Klopapier, Mehl und sonstige Produkte, die offenbar viele Menschen für unverzichtbar hielten, wenn sie damit rechnen mussten, dass sie erstmal kaum mehr nach draußen könnten. So waren die Supermarktregale plötzlich leer.
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Ähnlich sieht es in diesen Tagen in Teilen Japans aus. Die heiß begehrten Waren sind hier Wasserflaschen, lange haltbare Lebensmittel sowie mobile Klos, aber auch Survival-Kits und Rucksäcke. Sowohl in den Läden als auch in Onlineshops sind die Absätze solcher Güter untypisch hoch. So hoch, dass die Regierung die Bevölkerung schon dazu aufforderte, bitte keine Hamsterkäufe mehr zu tätigen. Die unnötige Anhäufung von Vorräten helfe am Ende der Gemeinschaft nicht. Aber was ist passiert?
Japan: Erdbeben verbreitet Panik in der Bevölkerung
Hintergrund der derzeitigen Tendenz zur Panik ist ein Erdbeben am Donnerstag vergangener Woche. Vor der Insel Kyushu im Südwesten Japans war eine Stärke von 7,1 gemessen worden. Es kamen keine Menschen zu Tode, aber das Beben erregte dennoch viel Aufsehen. Denn in der Region verläuft der Nankai-Graben, der sich über rund 800 Kilometer bis zum Südosten Japans zieht, wo die Metropolregion Tokio liegt und rund 30 Prozent der japanischen Bevölkerung leben.
Kurz nach dem Beben machte Japans Behörde für Wetter und Erbeben dann die bemerkenswerte Ansage, die auch die Menschen fern von Kyushu beunruhigte: Man müsse nun mit weiteren starken Erdbeben rechnen. Premierminister Fumio Kishida sagte sogar eine Auslandsreise ab. Und dass die Lage schnell ernst werden kann, ist bekannt. Große Beben der Stärke 8 oder 9, bei der es gewöhnlicherweise zu hohen Todeszahlen kommt, gab es in der Region in der Vergangenheit vermehrt.
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Fukushima-Katastrophe: Krise hält bis heute an
Zudem war diese Warnung die erste ihrer Art, seit Japans Regierung infolge der sogenannten Dreifachkatastrophe von Tohoku im Jahre 2011 ein neues Warnsystem etabliert hatte. Hintergrund war ein Erdbeben der Stärke 9 vor der Nordostküste Japans gewesen, das auch einen Tsunami losgetreten hatte, der ganze Städte mit sich riss. Rund 20.000 Menschen starben, 300.000 verloren ihr Zuhause. Das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi havarierte. Ganze Orte wurden unbewohnbar.
Viele Menschen, die nahe dem Kernkraftwerk Fukushima Daiichi gelebt hatten, zogen nicht mehr in ihre Heimat zurück und hinterließen ihre Häuser als Ruinen. Der vollständige Rückbau der Atomruine dauerte Jahrzehnte. Vor einigen Monaten begann das Krisenmanagement damit, das für die noch glühenden Reaktoren verwendete Kühlwasser gefiltert in den Ozean zu leiten. Regeln für Reaktorsicherheit sind seither strenger. Die Krise hält bis heute an.
Experten alarmiert: Starkes Beben hätte fatale Folgen
Und die Gefahr neuer Erdbeben oder Tsunamis bleibt bestehen. Die vielerorts panische Reaktion auf die jüngste Warnung erklärt sich auch dadurch, dass die Bevölkerung ohnehin alarmiert ist. Schon im Januar hatten die öffentlich beauftragten Seismologinnen errechnet: Die Wahrscheinlichkeit, dass es binnen der kommenden 30 Jahre im Zusammenhang mit dem Nankai-Graben zu einem Beben der Stärke 8 oder 9 kommen würde, liege bei 70 bis 80 Prozent.
Und je nachdem, wo genau sich das Epizentrum befände, wären die Schäden verheerend. Im schlimmsten Fall könnte die Todeszahl bei rund 300.000 Menschen liegen, von einem Tsunami von bis zu 30 Metern Höhe ist die Rede. Gefährdet sind vor allem Menschen, die in Gebäuden wohnen, die vor den frühen 1980er-Jahren errichtet wurden, ehe die Baustandards strenger wurden. Generell gehören alte Menschen – die tendenziell auch in älteren Gebäuden leben – zur Risikogruppe.
Deswegen ist Japans Bevölkerung besonders gefährdet
Und in Japans schnell alternder Bevölkerung kann sich damit gleich ein Großteil des Landes in Gefahr wähnen. Auch so erklären sich die teils leeren Supermarktregale, die sogar in der von Kyushu mehrere Zugstunden entfernten Hauptstadt Tokio zu beobachten sind. Einige Supermarktketten haben schon reagiert, und auch dies erinnert an die Corona-Lockdowns: Es wird angekündigt, die pro Person erhältlichen Produkte zu rationieren.
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Dabei könnte die panische Reaktion auf die erhöhte Erdbebenwarnung dieser Tage – ähnlich wie etwa in Deutschland im ersten Corona-Lockdown – auch eine Lehre für das Land sein. Zumal neben der Warnung der Regierung auch erwähnt wurde, dass das Risiko eines starken Bebens in naher Zukunft zwar erhöht, aber immer noch gering sei. In Zukunft könnte die Bevölkerung auf eine solche Warnung also besonnener reagieren.
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