Berlin. Im „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg muss Claudia Michelsen den Tod einer Influencerin untersuchen. Und stößt dabei an eigene Grenzen.
Schock beim Shopping. Aus höchster Höhe stürzt eine junge Frau durch ein Glasdach in eine Einkaufspassage. Trotz des heftigen Aufpralls lebt sie noch. Aber nur ein Mädchen hilft beherzt, während alle anderen nur herumstehen und gaffen. Oder sogar mit dem Handy filmen.
Der Tod live im Netz – das passt irgendwie tragisch zu der Toten, die sich als Influencerin herausstellt, die ihr ganzes Leben vor der Handykamera zelebriert hat.
Der Fall führt in die absurde Welt der Influencer
Der neue „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg führt in eine Welt, die nicht nur Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen), sondern auch einem Großteil des Fernsehpublikums ziemlich obskur erscheinen dürfte: die von Influencern, die ihr Geld einzig damit verdienen, dass sie Markenartikel in den sozialen Netzen bewerben.
Allerdings hat die Influencerin in diesem Fall, Aalisha Mansou (Hannah Gharib), zuletzt massiv an Followern verloren, weil sie ein fehlerhaftes Mittel empfohlen hat und das dann kleinlaut zugeben musste. Wofür sie viel Häme und Hasskommentare einstecken musste. War es also ein Suizid aus Verzweiflung? Immerhin hat sie vorab im Netz noch eine Überraschung für ihren Todestag angekündigt.
Oder wurde sie gestoßen? Drohungen gab es ja genug. Womit der Kreis der Verdächtigen ziemlich breit gestreut ist. Unter ihnen findet sich allerdings, und nicht mal anonymisiert, sondern unter seinem Klarnamen, ihr eigener Bruder Madhi (Mo Issa), der offensichtlich seit längerem Probleme damit hatte, dass seine Schwester sich so öffentlich zur Schau gestellt hat, und das als Schande für seine Familie ansah.
Die Mitbewohnerin der Toten (Katharina Stark, der deutsche Shooting-Star auf der diesjährigen Berlinale) erklärt schließlich, dass Mahdi seine Schwester geschlagen haben soll. Und zeigt eindeutige Beweise, wieder auf dem Handy.
Für Kommissarin Brasch ist der Fall eindeutig. Aber genau das wirft ihr der junge Mann im Verhör dann auch vor: „Der konservative Bruder. Der Ehrenmord. So sind wir, oder? Arbeiten Sie mal an Ihren Vorurteilen!“ Und die Kommissarin ist sichtlich bestürzt. Weil sie den „Nazi im Kopf“ hat und das nicht mal gemerkt hat.
Nach einem Drittel der Folge gibt es dann eine Wende, die den Zuschauer komplett überrascht. Danach ist der Fall allerdings vorhersehbar. Die Kommissare müssten nur eins und eins zusammen zählen. Aber Frau Brasch will nach der Fundamentalkritik des Jugendlichen offenbar keine übereilten Schlüsse mehr ziehen.
Und Kollege Lemp (Felix Vörtler) ist sowieso sichtlich mit sich selbst beschäftigt, nachdem er im letzten Fall im eigenen Haus beinahe totgeschlagen wurde und noch immer schwer daran trägt. Nicht nur in Form von Krücken. Sondern vor allem seelisch. Weshalb er plötzlich dunkle Gedanken äußert, dass die Welt auch wunderbar ohne ihn auskäme. Und er zum Erschrecken der Kollegin lange auf dem Dach des Tatorts steht und in die Tiefe blickt, in die die Tote gestürzt ist.
Ein Fall, der nach dem ersten Drittel eigentlich vorbei ist
Wie so oft in den Magdeburger Fällen bezieht auch diese Folge ihren Reiz weniger aus vordergründiger Spannung als aus beklemmender Authentizität und starker Milieu- und Figurenzeichnung. Wie nebenbei wird dabei auch die Geschichte einer Familie erzählt, die aus ihrer Heimat fliehen musste, in Deutschland ihr Glück zu machen hoffte und hier doch tragisch zerbricht.
Und doch ist nach der großen Überraschung, für die schon der Titel einen Hinweis gibt, eigentlich alles klar. Danach zieht sich die Folge etwas hin.
„Polizeiruf 110: Unsterblich“. ARD, Sonntag, 2. Mai, 20.15 Uhr.