Berlin. Pet Rocks, einst als Scherzartikel belächelt, haben in Südkorea eine neue Bedeutung bekommen – als Mittel gegen Einsamkeit und Burn-out.
1975 wurde ein Unternehmer reich, indem er den Amerikanern Steine als Haustiere verkaufte. Sein Versprechen: Die steinernen Haustiere würden den Anschein eines Gefährten erwecken, ohne etwas von ihrem Besitzer zu verlangen. Offenbar gefiel die Idee den Amerikanern, denn Gary Dahl verkaufte fünf Millionen seiner Steintiere und wurde damit in kürzester Zeit steinreich. Was heute unglaublich klingt, scheint in Südkorea gerade angesagt zu sein.
Immer mehr Südkoreaner sind einsam und überarbeitet
Rund 350.000 Menschen zwischen 19 und 39 Jahren leben in Südkorea sozial isoliert. Das geht aus einem Bericht des südkoreanischen Ministeriums für Gleichberechtigung und Familie aus dem vergangenen Jahr hervor. Manche würden nur noch zum Einkaufen das Haus verlassen. Die Isolation beginne oft schon in der Jugend, heißt es in dem Bericht weiter, häufig als Reaktion auf gesundheitliche oder finanzielle Probleme oder eine komplizierte Familiensituation.
Hinzu kommt, dass Südkorea im internationalen Vergleich ohnehin zu den Vielbeschäftigten gehört: 1915 Stunden arbeiteten die Südkoreaner im Jahr 2021 durchschnittlich – das sind 199 Stunden mehr als der Durchschnitt innerhalb der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der insgesamt 38 Staaten angehören, die sich zu Demokratie und Marktwirtschaft bekennen. Auch im Vergleich zu Deutschland liegen die Zahlen aus Südkorea vorn: Laut dem jüngsten OECD-Beschäftigungsausblick arbeiteten die Südkoreaner im vergangenen Jahr 566 Stunden mehr als die Beschäftigten in Deutschland.
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Südkorea: Mit Steintieren gegen Einsamkeit und Burnout
Um Einsamkeit und Burn-out zu bekämpfen, adoptieren viele Südkoreaner neuerdings Haustiere. Allerdings keine pelzigen, kleinen Schnauzer, sondern solche der Gattung Stein, die schon der Werbefachmann Gary Dahl als Scherzartikel verkaufte. Die 33-jährige Koo Ah-young ist ein Beispiel für jene Südkoreaner, die sich aufgrund von Alltagsproblemen Steine als Haustiere zulegen. Koo erzählte dem „Wall Street Journal“, dass sie nach ihrem Umzug nach Seoul niemanden hatte, mit dem sie über ihren Burn-out sprechen konnte. Auch ein Haustier sei zu viel Verantwortung für sie gewesen.
Also entschied sie sich für einen Stein, den sie „Bang-bang-i“ taufte, nach dem koreanischen Wort für „vor Freude hüpfen“. Der Stein habe ihr geholfen, die schweren Zeiten zu überstehen, erzählte Koo der Zeitung. „Er gab mir ein Gefühl der Ruhe, weil ich wusste, dass dieser natürliche Stein im Laufe der Zeit viel durchgemacht hat, um zu dem zu werden, was er heute ist.“
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Tiktok-Trend: Steine als Haustier-Ersatz
Neben Koo zeigen Hunderte Südkoreaner auf Tiktok, wie sie ihre Steintiere auspacken und schmücken – mal mit Schnuller und Lätzchen, mal mit Trinkflasche und Besteck. Es gibt auch eigens eingerichtete Webseiten wie die südkoreanische Seite „Coupang“, auf denen die Steintiere für umgerechnet rund acht Euro zum Kauf angeboten werden.
Einem Bericht der koreanischen Tageszeitung „JoongAngDaily“ vom Juli 2023 zufolge löste die Corona-Pandemie den Boom der Haustier-Steine aus – vermutlich durch die Ausweitung der bereits vorhandenen Isolation.