Köln. Das Festival für Popkultur findet jedes Jahr die Stars von morgen, hat aber viel mehr zu bieten als nur Konzerte. Wir waren vor Ort.
„Mann, seid ihr laut hier“, ruft Tränen-Sängerin Gwen Dolyn von der Bühne des Club Bahnhof Ehrenfeld. Soeben spielte das live zum Trio anwachsende Indie-Pop-Duo aus Chemnitz ihren Song „Stures dummes Herz“ im randvollen Club Bahnhof Ehrenfeld in Köln. Das Publikum: Jung, bunt angezogen, fröhlich, ausgelassen – und vor allem textsicher. Mit dem Debütalbum „Haare eines Hundes“ begeisterte die sächsische Formation im vergangenen Herbst die Musikmagazin-Redaktionen des Landes. Noch treten Gwen und Gitarrist Steffen Israel, auch bekannt von der Band Kraftklub, in kleinen Clubs auf.
c/o pop in Köln: Vielseitige Convention
Und passen damit perfekt ins Profil des c/o pop Festivals in Köln. Hier spielen die Stars von morgen, fünf Tage lang in verschiedenen Kulturstätten im Stadtteil Ehrenfeld. Einen Hype unter den Anwesenden lösen aber bei weitem nicht nur Tränen aus. Künstlerinnen und Künstler wie Bibiza, Baby B3ns und insbesondere Pop-Rapper Majan, der am Mittwoch zum Festivalstart die altehrwürdige Live Music Hall ausverkaufte.
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Auffällig im Vergleich zu vielen anderen großen mehrtägigen Musikevents ist der hohe Anteil nicht-männlicher Personen im Line-up. Eine davon ist Jorina Stamm, Sängerin der Gruppe Soft Loft. Sie ist mehrere Stunden vor ihrem Auftritt Interview-Gästin bei einem der Vorträge im Rahmen der „c/o pop Convention“. Diese umfasst in den (Nach-)Mittagsstunden vor den Konzerten zahlreiche Vorträge, Podiumsdiskussionen, Podcasts und weitere Auftrittsformen, bei denen eher das gesprochene Wort und das Netzwerken rund um Popkultur im Fokus stehen.
Darunter zum Beispiel der Auftritt der in Berlin lebenden Rosalie Ernst und Melanie Gollin, die mit Alena Struzh den Musiknewsletter „Zwischen Zwei und Vier“ betreiben und kuratieren. Sie präsentieren zwei Stunden lang interessante Fakten rund um Gender-Aufteilungen bei Spotify-Streams, laden den letzten Chefredakteur des mittlerweile eingestellten „Intro“-Magazins Daniel Koch ein, der spannende Einblicke in die restriktive Welt des K-Pop bietet und präsentieren „goldene Regeln“ für musikalisch interessierte Schreiberlinge. Dies mit dem gewissen Schuss Humor, der dafür sorgt, dass die 120 Minuten wie im Nu vergingen.
c/o pop: Tiefgründige Talks
Großer Beliebtheit erfreut sich seit nun schon seit dreieinhalb Jahren der Podcast „Danke, gut“ vom WDR-Sender Cosmo, bei dem Rap-Journalistin und DJ Miriam Davoudvandi mit verschiedensten Protagonisten aus der Öffentlichkeit Themen rund um mentale Gesundheit diskutiert. Zur Sonderfolge im Rahmen des c/o pop ging es mit Gizem Çelik (u.a. durch den Podcast „More Than Gossip“ bekannt) um den Umgang mit Gossip-News von Prominenten, die in ihrem Leben schon manch tiefgreifenderes psychisches Problem hatten und inwiefern man diesen als Fan entgegentreten sollte. Als Beispiele seien hier Britney Spears, Justin Bieber oder die erst jüngst von vielen wegen ihrer Gewichtszunahme online gemobbte Selena Gomez genannt. Eine Gesprächsrunde, die zum Nachdenken anregte.
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Bei weiteren Convention-Events konnten sich darüber hinaus Newcomer Tipps für den Karrierestart, das Marketing in und außerhalb sozialer Medien sowie Touren im Ausland abholen – oder man lernte viel über den einen oder anderen Musik-Act. Womit wir wieder bei Tränen wären. Denn die bat der stets gut vorbereitete Tocotronic-Bassist Jan Müller eine Stunde vor ihrem Konzert zum Gespräch, im Rahmen einer Folge seines Podcasts „Reflektor“, bei dem er regelmäßig ausführlich mit Künstlerinnen und Künstlern aus verschiedensten Musikgenres redet, die interessante Geschichten zu erzählen haben.
So ging es um die von Selbstzweifeln der Sängerin geprägten Texte, die großen Support-Gigs für Steffen Israels Hauptband Kraftklub, die beide zunächst gar nicht spielen wollten und die soziokulturelle Situation in Chemnitz, wo beide heute wohnen – auch in Hinblick auf den drohenden AfD-Erfolg bei den sächsischen Landtagswahlen im September. Die Folge gibt’s bald, so versprach es Jan Müller, auch online zu hören. Wer vor Ort war, wurde aber nicht nur mit vorübergehender Exklusivität, sondern eben mit einem höchst abwechslungsreichen Popkultur-Tag belohnt. So wie es beim c/o pop traditionell der Fall ist.