Rom. Italiens Bauern bangen um ihre Olivenhaine: Ein neues Bakterium befällt und tötet ihre Bäume. Auch Weinreben könnten in Gefahr sein.
Wenn sich Alfonso Cavallo mit einer Sache auskennt, dann sind es Oliven. Auf seinem 100 Hektar großen Grundstück zwischen Tarent und Brindisi im süditalienischen Apulien baut die Familie des Landwirts seit Generationen Oliven an. Die Gegend ist bekannt für ihre jahrhundertealten Olivenbäume. Noch vor wenigen Jahren produzierte Cavallo 8000 Doppelzentner, umgerechnet 800 Tonnen, der Früchte pro Jahr.
Doch in diesem Jahr ist die Produktion auf Null zusammengebrochen. Der Grund: Das Bakterium „Xylella fastidiosa fastidiosa“, das die Olivenbäume im Salento, der Südspitze des italienischen Stiefelabsatzes, befällt und ausdörrt. Für die Bauern Apuliens ist die Entdeckung eine neue Hiobsbotschaft: Ein früherer Stamm des Bakteriums, „Xylella fastidiosa“ war bereits 2013 durch Kaffeepflanzen aus Costa Rica nach Italien gekommen und hatte große Schäden angerichtet. Noch ist nicht abzusehen, welche Auswirkungen der neue Stamm haben könnte.
Gefährliches Bakterium bedroht Olivenhaine: „Man kann es nicht ausmerzen“
Übertragen wird das sogenannte Feuerbakterium durch ein Insekt namens Wiesenschaumzikade. Seit das Bakterium in Italien vor rund zehn Jahren Einzug gehalten hat, haben sich die Ernte-Erlöse für die Olivenbauern halbiert. 21 Millionen Olivenbäume mussten abgeholzt werden oder es blieben auf riesigen Flächen nur verdorrte Gerippe übrig. Der neue Bakterienstamm „Xylella fastidiosa fastidiosa“ wurde bislang an sechs Mandelbäumen lokalisiert. Labortests bestätigten die Diagnosen. Das italienische Landwirtschaftsministerium hat die Fällung der infizierten Bäume angeordnet, die Behörden führten an mehr als hundert Standorten Kontrollen durch und nahmen Proben.
„Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken“, sagt Landwirt Alfonso Cavallo, der auch Präsident des Landwirtschaftsverbands Coldiretti in Apulien ist. „Wir erleben eine Situation wie bei der Corona-Pandemie mit der Mutation des Virus.“ Der 46-Jährige fordert eine strenge Überwachung und staatliche Unterstützung für die von der Krankheit betroffenen Betriebe.
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Was die befallenen Olivenbäume betreffe, müsse jetzt eine Art von Sicherheitsgürtel errichtet werden, damit sich das Bakterium nicht ausbreitet. „Mit dieser Plage muss man zusammenleben. Man kann dieses Bakterium nicht ausmerzen, sondern lediglich versuchen, es in Schranken zu halten“, meint Cavallo. Seine Hoffnung liegt nun in den zwei Olivensorten „Favolosa“ und „Leccino“, die sich als besonders resistent zeigen und seltener erkranken. Er will sie statt der alten Bäume pflanzen, dafür gibt es jetzt auch eine öffentliche Finanzierung. Aufgeben? Das komme für ihn nicht in Frage.
Killer-Bakterium: Auch Weinberge und Mandelbäume in Gefahr
Zwar kommen die meisten apulischen Oliven aus dem nördlicheren Teil der Region, wo der Anbau intensiver ist, doch wird im Salento traditioneller Anbau betrieben. Viele Familien besitzen kleine oder mittelgroße Olivenhaine, die von Generation zu Generation weitervererbt werden. Wegen der drastischen Ernteeinbußen der vergangenen Jahre prüfen Experten regelmäßig den Zustand der Olivenbäume. In diesem Zusammenhang wurde auch die neue Variante von Xylella entdeckt.
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„Wir dürfen keine Panik verbreiten, dürfen aber auch nicht unvorsichtig sein. Wir wissen noch nicht, ob die Variante mehr oder weniger aggressiv ist, ob sie virulent ist, das werden die Untersuchungen zeigen“, sagt auch der Landwirtschaftsbeauftragte der Region Apulien, Donato Pentassuglia. „Was wir aber tun müssen, ist, äußerste Vorsicht walten zu lassen, da das Bakterium möglicherweise auch Weinreben und Mandelbäume befällt.“
Apulien, die Region mit der zweitgrößten Weinproduktion Italiens, zittert: Denn die neue Xylella-Variante könnte bei Weinreben die sogenannte Pierce-Krankheit verursachen, die zum Austrocknen ganzer Weinberge führt. Dabei verfärben sich die Blätter braun und es werden nur noch kleine harte Früchte gebildet. Letztlich sterben die Pflanzen ab. Neben Weinreben und Olivenbäumen zählen auch die Mandelbäume zu den Wahrzeichen der Region. Sie spielen in der örtlichen Tradition eine wichtige Rolle: für den Verzehr, als Heilmittel, als Kulturgut. Nicht zuletzt für den Tourismus, denn die Besucher zieht es in die idyllisch inmitten von Hainen gelegenen Ferienwohnungen.
Plage wirkt sich auch auf Olivenölpreise aus
Die Wut der apulischen Landwirte richtet sich nicht zuletzt gegen die EU. Die Kontrollen bei der Einführung exotischer Pflanzen nach Europa sei unzulänglich. Über den Seeweg sei das aggressive Bakterium von Costa Rica nach Süditalien gelangt. „Im Hafen Rotterdam fehlt es an Kontrollen und wir zahlen einen enormen Preis dafür“, klagt Cavallo.
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Die Xylella-Plage wirkt sich zusammen mit dem Produktionsrückgang infolge der Trockenheit im vergangenen Jahr auch auf die Preise des Olivenöls aus. Der Chef des Ölbauernverbandes Unaprol, David Granieri, spricht von einer „noch nie dagewesenen Situation“. Italien hat 2023 nur etwa 290.000 Tonnen natives Olivenöl produziert. Zum Vergleich: 315.000 Tonne Öl waren im Vorpandemiejahr 2019 hergestellt worden.
Die Preise steigen rasant. Im Oktober 2023 kostete ein Liter natives Olivenöl in einer großen Einzelhandelsverkaufsstelle um die 9 Euro – laut Konsumentenschutzverband Codacons ein Anstieg von 42 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat aus 2022. Der Bauernverband Coldiretti warnt vor einer Invasion minderwertiger Ware, vor allem aus Tunesien und der Türkei.