Berlin. Michael Krudewig ist seit 59 Jahren Weihnachtsdarsteller. An welche Kunden er noch heute denkt und welche Eltern er schwierig findet.
Als ich vor 59 Jahren zum ersten Mal den Nikolaus gespielt habe, war ich 16 Jahre alt. Es gab damals eine Gruppe in meinem Heimatort in der Nähe von Krefeld, bei der der Nikolausdarsteller krank war und ausfiel. Meine Stimme war damals wohl schon tief genug, dass die Kinder mir die Rolle abnahmen. Heute brauche ich weder den falschen weißen Bart noch den runden Bauch. Die trage ich jetzt das ganze Jahr über.
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In den ersten zehn Jahren spielte ich ab jenem Winter jede Saison den Nikolaus. Doch irgendwann trat der Weihnachtsmann immer mehr in mein Leben. Er spielt heute eine viel größere Rolle in meinem Angebot. Der Weihnachtsmann ist nicht so bierernst wie der Nikolaus, der sich ja an der kirchlichen Figur des heiligen Nikolaus orientiert. Er darf lockere Sprüche und Witze erzählen.
Der Weihnachtsmann ist für die Veranstaltungen nicht nur vielseitiger, sondern er nimmt auch zeitlich mehr Raum ein: Die Saison beginnt im November und geht bis in den Januar hinein, wenn die orthodoxen Christen aus Russland ihr Weihnachtsfest feiern. Ich besuche in der Zeit Firmenfeiern, Betriebsfeste, Kindergärten oder Kaufhäuser – manchmal sogar bis in die Niederlande hinein. Sogar ein Buch über meine Rolle habe ich dieses Jahr veröffentlicht. Es ist eine Art Adventskalender mit 24 Geschichten vom Weihnachtsmann*.
Weihnachtsmann-Darsteller: An diesen Auftritt erinnert er sich
Die größten Spuren hinterlassen bei mir aber die Auftritte, die mir ans Herz gehen. Ich habe mal ein zwölfjähriges Mädchen besucht, seine Eltern haben mich engagiert. Das Mädchen hat nur auf Töne und roten Plüsch reagiert und saß im Rollstuhl. Wenn ich da war, hat es an meinem roten Ärmel gezupft und darüber gestreichelt.
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Das war die einzige Reaktion des Mädchens, und das war den Eltern offenbar sehr wichtig, weil es sich sonst kaum bewegt hat. Ich habe das Mädchen insgesamt vier Jahre lang besucht, doch irgendwann kam der Auftrag nicht mehr. Darüber habe ich mir schon oft Gedanken gemacht.
Ich mache mittlerweile aber ohnehin nicht mehr so viele Hausbesuche. Ich bin 75 Jahre alt und habe kein Auto mehr, da ist mir das körperlich manchmal zu anstrengend. In guten Jahren hatte ich an einem Nikolaustag oder Heiligabend bis zu zehn Buchungen. Zu meinen Auftritten fahre ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, ganz selten holt mich jemand ab.
Weihnachtsmann: Besonderes Kostüm für einen großen Kunden
Die Auftritte an sich sind ganz unterschiedlich: Bei Hausbesuchen singen wir Lieder oder ich lese aus dem Goldenen Buch vor, in Krankenhäusern begrüße ich Patienten auf den verschiedenen Stationen. Letztes Jahr hat mich eine Champagnermarke gebucht, weil der Weihnachtsmann ihr neues Getränk vorstellen sollte. Dafür musste ich ein orangefarbenes Kostüm tragen.
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Ein anderes Mal war ich auf einem Stadtfest als Weihnachtsmann zu Besuch, dort sollte ich auf einer Bühne Tüten mit Süßigkeiten und Obst verteilen. Wir haben damals mitten in der Veranstaltung gemerkt, dass am hinteren Rand dieser Bühne mehrere Tüten verschwunden waren.
Es hat sich dann herausgestellt, dass eine Gruppe von Kindern zwischen die Trennwand und die Bühne gegriffen und sie geklaut hatten, bestimmt 20 Stück waren weg. Wir haben die Kinder nur noch aus der Entfernung wegrennen sehen. Ich fand das lustig. Wären Sie mal vorne zur Bühne gekommen, dann hätten sie auch etwas bekommen!
Weihnachtsmann: Das verdient er in einer Saison
So unterschiedlich die Buchungen sind, so sehr variiert auch das Einkommen. Letztes Jahr habe ich in der Weihachtssaison etwa 1000 Euro verdient, in einem guten Jahr waren es 3000 Euro. Die Preise für Hausbesuche variieren je nach Entfernung und Anzahl der Kinder. Bei einer Familie mit drei Kindern verdiene ich für eine halbe Stunde zwischen 50 und 100 Euro. An den Feiertagen selbst ist es etwas teurer.
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Obwohl ich als Weihnachtsmann schon viele Kinder getroffen habe, finde ich es schwierig, wenn ich die Kindererziehung der Eltern übernehmen soll. Manchmal habe ich das Gefühl, ich soll in 20 Minuten nachholen, was sie das ganze Jahr über versäumt haben. Einmal hatten die Eltern auf den Spickzettel geschrieben, dass ihr Sohn mit sieben Jahren noch Bettnässer sei. Ich sollte das vor allen Verwandten und den anderen Kindern im großen Kreis thematisieren. Ich habe es ihm dann in einem persönlichen Gespräch zugeflüstert, anstatt ihn bloßzustellen.
Ich finde es nicht schlecht, den Kindern zu erklären, wo sie vielleicht etwas falsch machen – vor allem, weil ich ruhiger und nachdrücklicher mit ihnen spreche als ihre Eltern. Dennoch: Mein Job als Weihnachtsmann ist es nicht, Angst und Schrecken unter Kindern zu verbreiten. Ganz im Gegenteil.
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