Sydney. Eigentlich züchtet Arnold Dix Blumen, wie alle in seinem Ort. Was niemand weiß: Er hat eine Expertise, die nun Menschenleben rettete.

In seinem Heimatort Monbulk, einem kleinen Ort eine gute Autostunde außerhalb von Melbourne in Australien, kennen die Menschen Arnold Dix als Blumenfarmer. Dass der Australier noch einen anderen Beruf hat, wussten bis vor wenigen Tagen nur wenige. Doch nun hat Dix 41 Menschen vor dem Tod bewahrt.

Denn in seinem anderen Job ist Dix – ein ausgebildeter Anwalt und Professor für Ingenieurwissen – Notfallexperte und Tunnelbauspezialist. Über 30 Jahre lang hat er an der Verbesserung der Sicherheit in Tunneln gearbeitet. So kam es auch, dass er die Rettung der 41 indischen Arbeiter leitete, die 17 Tage in einem eingestürzten Tunnel im Himalaja-Gebirge in Indien gefangen waren.

Der Tunnel ist Teil eines der Projekte des indischen Premierministers Narendra Modi: Vier hinduistische Pilgerstätten sollten über ein Straßennetz miteinander verbunden werden sollen. Doch der Bau entwickelte sich zum nervenaufreibenden Überlebenskampf, den ganz Indien und teilweise auch der Rest der Welt mitverfolgten. Die Männer waren nach einem Erdrutsch am 12. November in dem Tunnel eingeschlossen gewesen, ihre Rettung: zunächst unklar.

Indien: Dorfbewohner haben eigene Theorie zum Tunnelunglück

Gegenüber dem australischen Fernsehsender Nine erklärte Dix, ein falscher Schritt hätte die Männer töten können. Doch auch nach der Rettung ist die Urasche für den Erdrutsch unklar. Was den 4,5 Kilometer langen Tunnel am Morgen des 12. November zum Einsturz brachte, ist nicht bekannt. Die Dorfbewohner in der Gegend sollen allerdings eine Vermutung haben, erklärt Dix.

In einem Post im Berufsnetzwerk Linkedin schreibt der Australier: „Die Dorfbewohner in Uttarkashi glauben, dass der Einsturz des Silkyara-Polgaon-Tunnels auf die Zerstörung eines Tempels zurückzuführen ist, der der örtlichen Gottheit Baukhnaag Devta gewidmet ist.“ Die einheimische Bevölkerung seien der Überzeugung gewesen, dass die Rettungsbemühungen keinen Erfolg hätten, wenn die Gottheit nicht besänftigt werde. Dix habe sich die Zeit genommen, diesem Glauben zu huldigen und der Gottheit seinen Respekt zu erweisen. Er habe sich vor dem Tempel verneigt, schreibt Dix in seinem Linkedin-Beitrag. Damit habe er auch seinen eigenen Wunsch ausgedrückt, sicher an die Oberfläche zurückzukehren.

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Dix‘ Wunsch ging in Erfüllung: Er habe geweint, als die Geretteten schließlich mit ihren Familien wiedervereint werden konnten., berichtet er. Angesichts der vielen Kameras, die die Rettung auf Fernsehbildschirme in ganz Indien übertrugen, habe es sich angefühlt, als ob 1,4 Milliarden Menschen am Dienstagabend in einem Raum zusammen feierten. Es sei wie „ein großes Wunder“ gewesen, so der Australier.

Tunnelunglück in Indien: Welche Erkenntnis Dix bei der Rettung half

Dabei hatten mehrere Hindernisse die Arbeit der Helfenden zusätzlich erschwert. Obwohl keiner der indischen Arbeiter bei dem Einsturz ernsthaft verletzt worden war, erwies sich die Rettung aus dem von Erdmassen und Geröll verschütteten Tunnelstück als ausgesprochen schwierig. Denn es gab gleich mehrere Rückschläge.

So ging eine der Maschinen kaputt, die die Arbeiter ausgraben sollten. Der Dauereinsatz hatte zu ihrem Verschleiß geführt. Zwar konnten die Eingeschlossenen über eine Bohrung mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden. Doch über 400 Stunden in einem dunklen Tunnel sind eine lange Zeit.

Entsprechend lag auf dem Rettungsteam viel Druck: Lange habe er zwar nicht gewusst wie, sagt Dix im Interview mit dem australischen Radiosender 3AW, doch alle seien entschlossen gewesen, die Männer rauszuholen. „Ich hatte einfach das Gefühl, dass wir es schaffen könnten“, so Dix. Und vielleicht half ihm diese Einstellung bei dem Trick, mit dem sie die Arbeiter schließlich aus dem Tunnel holten.

Indien: Dix nutzt illegale Methode zur Rettung der Arbeiter

Denn zum Durchbruch führte laut Dix eine Erkenntnis., die er heute als „Zen-Moment“ bezeichnet: Die Retter hätten irgendwann erkannt, dass sie „sanft und langsam“ arbeiten müssten, um einen weiteren Erdrutsch zu verhindern – und zwar ohne maschinelle Hilfe. „Am Ende haben wir alle großen, schicken Maschinen weggelassen“, berichtet Dix.

Stattdessen habe das Team „Männer mit bloßen Händen“ eingesetzt. „Wir haben sie dazu gebracht, die Steine ​​jeweils 100 Millimeter wegzukratzen, um den Tunnel zu bauen und auf die andere Seite zu gelangen“, so Dix. Zum Einsatz kamen letztendlich sogenannte „Rat Miner“ – ein Beruf, der in Indien inzwischen eigentlich illegal ist.

Rettungskräfte in dem eingestürzten Straßentunnel.
Rettungskräfte in dem eingestürzten Straßentunnel. © AP/dpa | SDRF

Der Rattenbergbau ist eine gefährliche Abbaumethode, um Kohle aus engen Tunneln abzubauen. Die Arbeiter gehen dabei ähnlich vor wie Ratten, wenn sie sich in die Erde eingraben. „Wir gehen zu dritt in den Tunnel“, erklärte der Arbeiter Rakesh Rajput der Nachrichtenagentur Reuters. „Einer bohrt, der andere sammelt den Schlamm ein, und der dritte transportiert ihn mit einem Wagen nach hinten ab.“

Indien feiert Dix als Helden – doch er hat eine Sorge

Nicht nur wegen seiner Rettungsstrategie feiert Indien Arnold Dix nach dem glücklichen Ende des Tunneleinsturzes als Helden. Von den vielen Einladungen habe er allerdings nur zwei angenommen, erzählt er: den Besuch eines örtlichen Tempels und einen Hubschrauber-Flug aus dem Himalaja. Danach habe er nur nach Hause gewollt, so Dix gegenüber australischen Medien.

Nur Eines bereitet ihm nach dem nervenaufreibenden Ausflug Sorgen: In Monbulk wisse eigentlich niemand, was er in seinem Hauptberuf mache, so Dix. „Ich züchte einfach Blumen wie alle anderen in Monbulk“, sagt er. „Und das wahrscheinlich auch noch deutlich weniger erfolgreich als die anderen alle.“ Sieht so aus, als müsse Dix demnächst das ein oder andre erklärende Gespräch führen.