Berlin. Deutschland ist schon von vielen Sturmfluten getroffen worden. Einige waren verheerend. Werfen wir einen Blick in die Geschichtsbücher.
Sturmfluten sind faszinierende, aber auch äußerst gefährliche Naturphänomene, die Küstenregionen weltweit bedrohen. Diese gewaltigen Wassermassen, die durch starke Stürme, hohe Windgeschwindigkeiten und den Anstieg des Meeresspiegels verursacht werden, können verheerende Auswirkungen auf Mensch, Natur und Infrastruktur haben. Deutschland ist im Laufe seiner Geschichte von einigen Sturmfluten heimgesucht worden.
Sturmflut: Die Nordsee ist stärker betroffen als die Ostsee
Die Nordsee ist besonders anfällig für diese katastrophalen Ereignisse. Auch in der Ostsee kam es im Laufe der Zeit zu Sturmfluten, jedoch sind die Sturmfluten in der Nordsee im Allgemeinen häufiger. Die Unterschiede zwischen den beiden Meeresgebieten und den damit verbundenen Sturmfluten resultieren aus verschiedenen geografischen, topografischen und klimatischen Faktoren:
- Größe der Nordsee: Die Nordsee ist im Vergleich zur Ostsee größer und hat eine breitere Öffnung zum Nordatlantik. Dies ermöglicht es stärkeren Stürmen, sich über dem Meer zu entwickeln, was zu größeren Sturmfluten führen kann.
- Geografische Lage: Die norddeutsche Küste erstreckt sich direkt entlang der Nordsee und ist daher den Auswirkungen von Sturmfluten unmittelbar ausgesetzt. In der Ostsee sind die Küstenregionen oft stärker geschützt, da sie von Inseln und Halbinseln umgeben sind, die als Puffer dienen.
- Tide-Verhältnisse: In der Nordsee gibt es auffällige Gezeitenunterschiede, die zu starken Gezeitenströmungen und erhöhten Wasserständen führen können. Die Ostsee hat im Vergleich dazu geringere Gezeitenunterschiede.
- Stärkere Sturmaktivität: Die Nordsee ist in der Regel stärkeren Sturmsystemen ausgesetzt, die auf dem offenen Atlantik entstehen und dann die Küstenregionen beeinflussen. Diese Stürme können größere Wassermassen auf das Festland schieben und zu Sturmfluten führen.
- Topographie und Küstengeometrie: Die Küstenlinie und die Topographie der norddeutschen Küste sind anfälliger für Sturmfluten als die flacheren Küsten der Ostsee.
Erst vor kurzem gab es eine schwere Sturmflut in Norddeutschland. Allerdings nicht an der Nordseeküste, sondern an der Ostseeküste. Auch Dänemark und Schweden waren betroffen. Meteorologen warnten dort vor mehreren Metern Hochwasser, während an der Nordsee Niedrigwasser prognostiziert wurde. Grund dafür war der starke Ostwind, der das Wasser in die Nordsee zurücktreibt.
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Naturkatastrophe: Sturmfluten in der deutschen Geschichte
Auch wenn die Nordsee in der Regel stärker betroffen ist, kann es auch in der Ostsee zu Sturmfluten kommen. Es gab in Deutschland in beiden Meeresgebieten einige Sturmfluten, die es in die Geschichtsbücher geschafft haben. Darunter waren:
Flut | Jahr | betroffene Küste | Besonderheiten |
Allerheiligenflut | 1304 | Ostseeküste | Die Allerheiligenflut von 1304 gilt als eine der frühesten dokumentierten Sturmfluten an der norddeutschen Küste. Diese katastrophale Flut traf die Küstengebiete und die Hansestädte und verursachte erhebliche Schäden. Zu dieser Zeit gab es noch keine modernen Frühwarnsysteme oder Küstenschutzmaßnahmen, daher war die Bevölkerung weitgehend unvorbereitet. |
Burchardiflut | 1634 | Nordseeküste | Die Burchardiflut von 1634 war eine weitere verheerende Sturmflut, die die Nordseeküste traf. Benannt nach dem Heiligen Burkhard von Würzburg, traf diese Flut besonders die nordfriesische Küste und führte zu schweren Deichbrüchen und Überschwemmungen. Sie forderte Tausende Todesopfer. |
Weihnachtsflut | 1717 | Nordseeküste | Diese Sturmflut ist eine der schwersten Sturmfluten in der Geschichte Deutschlands gewesen. Sie ereignete sich in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1717 und führte zu schweren Überschwemmungen an der Nordseeküste und in Teilen der Niederlande sowie Dänemarks. Mehr als 11.000 Menschen starben, 100.000 Tiere ertranken und 8.000 Gebäude wurden zerstört. |
Jahrtausendflut | 1872 | Ostseeküste | In der Nacht vom 12. auf den 13. November 1872 kam es zu einer solchen Sturmflut an der Ostseeküste, dass sie als Jahrtausendflut bezeichnet wurde. Knapp 300 Menschen starben und Tausende verloren ihr Dach über dem Kopf. Bis heute ist das Wasser an der Ostseeküste nicht mehr so hoch gestiegen wie 1872 – auch nicht während der Sturmflut 2023. |
Große Sturmflut | 1962 | Nordseeküste | Die Große Sturmflut von 1962 traf die Nordseeküste, insbesondere Hamburg, in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 und führte zu katastrophalen Überschwemmungen. In Deutschland kamen mehr als 300 Menschen ums Leben, Tausende wurden obdachlos. |
Sturmflut an Neujahr | 1976 | Nordseeküste | In den Morgenstunden des 3. Januars 1976 erreicht der Orkan „Capella“ die Nordseeküste und löst die bis dato höchste Sturmflut aus. Die Wellen schlagen bis zu 17 Meter hoch. Es kamen 16 Menschen ums Leben, vergleichsweise wenig, doch es entstanden wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. |
Weihnachtssturmflut | 1999 | Nordseeküste | Am 3. Dezember 1999 fegte der Orkan „Anatol“ über Nordeuropa hinweg und löste eine Sturmflut an der Nordseeküste aus. In Dänemark gilt der Orkan als schlimmster im 20. Jahrhundert, infolgedessen die kleine Insel Jordsand von der Landkarte verschwand. Mindestens 20 Menschen kamen ums Leben, darunter drei in Deutschland. |
Sturmflut Xaver | 2013 | Nordsee- und Ostseeküste | Im Dezember 2013 brachte der Sturm „Xaver“ Orkanböen über Norddeutschland und löste Sturmfluten aus, die drei Tage anhielten und zuletzt auch die Ostseeküste erreichten. Xaver verursachte erhebliche Überschwemmungen, so stand beispielsweise der Fischmarkt in Hamburg mannshoch unter Wasser. |
Sturmflut Herwart | 2017 | Nordsee- und Ostseeküste | Das Sturmtief „Hewart“ wütete vom 28. bis zum 29. Oktober 2017 mit Orkanböen insbesondere über Nord- und Ostdeutschland, aber auch in den Nachbarländern Dänemark, Polen, Tschechien und der Slowakei. An der Nord- und Ostsee kam es zu Sturmfluten, die zu Sachschäden, Stromausfällen sowie Verkehrsbehinderungen führten und mehreren Menschen das Leben kostete. |
Die Sturmfluten führten zu großen menschlichen Verlusten und erheblichen wirtschaftlichen Schäden. Als Reaktion darauf wurden in Deutschland Schutzmaßnahmen ergriffen, um zukünftige Sturmfluten zu verhindern oder ihre Auswirkungen zu minimieren. Dazu gehören:
- Ausbau von Deichen
- Bau von Dämmen und Poldern
- Sandaufspülungen
- Absperrbauwerke, um das Wasser bei Sturmfluten zurückzuhalten
- die Einführung von Frühwarnsystemen, beispielsweise durch Apps wie „NINA“ und „Katwarn“
Die Häufigkeit und Intensität von extremen meteorologischen Ereignissen hat laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) in den letzten Jahren zugenommen. 2021 kam es zu einer Flutkatastrophe, die selbst von zuvor getroffenen Schutzmaßnahmen nicht aufgehalten werden konnte.
Die Flutkatastrophe 2021: Der DWD spricht von einem Jahrhundertereignis
Mitte Juli 2021 kam es in Deutschland zu schweren Unwettern. Besonders betroffen waren Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die Niederschlagsmengen waren außergewöhnlich hoch: Mitte Juli fielen in beiden Bundesländern innerhalb von zehn bis 18 Stunden bis zu 150 Liter Regen pro Quadratmeter. Das führte dazu, dass Flüsse wie die Ahr, die Erft und die Mosel über die Ufer traten. In den betroffenen Regionen kam es zu Sturmfluten und Überschwemmungen. Der DWD spricht in einem Bericht von einem „Jahrhundertereignis“.
Die Wassermassen verwüsteten Dörfer und Städte, rissen Brücken mit sich und führten zu Erdrutschen. „Über 180 Menschen verloren in Deutschland ihr Leben. Über 800 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt“, berichtet das Bundesministerium des Innern und für Heimat. Die Rettungskräfte waren überfordert, und Tausende von Menschen wurden evakuiert. Die Schäden an Gebäuden, Infrastruktur und Landwirtschaft waren immens, und viele Menschen verloren ihr Zuhause und ihre Habseligkeiten.
Sturmtief löst Flutkatastrophe aus – trotz Warnung durch den DWD
Der Auslöser der Sturmflut 2021 war das Tiefdruckgebiet „Bernd“. Es war eine lang anhaltende und äußerst intensive Wetterlage, die über Mitteleuropa verharrte. So kam es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Teilen Belgiens, Frankreichs, der Niederlande und Luxemburgs zu extremen meteorologischen Ereignissen. Dass daraus eine Sturmflut entstand, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
- starke Regenfälle: Die langsame Bewegung des Tiefdruckgebiets „Bernd“ führte dazu, dass der Regen über mehrere Tage hinweg anhielt, was die akkumulierten Niederschlagsmengen beträchtlich erhöhte.
- übersättigte Böden: Die Böden konnten die Niederschlagsmassen nicht mehr aufnehmen, weil sie bereits durch vergangene Regenereignisse gesättigt waren.
- topografische Besonderheiten: In einigen Gebieten, wie beispielsweise den Tälern entlang von Flüssen, konnten sich die Wassermassen leicht ansammeln und rasch ansteigen, was die Überschwemmungen verschärfte.
Die Sturmfluten im Juli 2021 führten zu einer breiten Diskussion. Einerseits, weil der DWD die extremen Niederschläge bereits Tage zuvor prognostiziert und vor Hochwasser gewarnt hatte. Andererseits ging es um den Klimawandel und seine Auswirkungen auf extreme Wetterereignisse. Klimaforscher weisen darauf hin, dass solche Ereignisse in Zukunft häufiger auftreten könnten, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, um den Klimawandel einzudämmen.