Kabul. Mehrere Erdbeben innerhalb kurzer Zeit: Rettungskräfte und Angehörige suchen unter den Trümmern weiter verzweifelt nach Überlebenden.
- Das Erdbeben in Afghanistan hatte eine Stärke von 6,3
- 13 Dörfer wurden komplett zerstört
- Laut Behörden kamen mindestens 2500 Menschen ums Leben
- 12.000 Menschen wurden verletzt
Die Helfer graben mit bloßen Händen in den Trümmern des zusammenstürzten Hauses, treiben sich gegenseitig zur Eile an. Sie ziehen den staubbedeckten Körper heraus. Es ist zu spät. Der Vater nimmt die Leiche seines kleinen Jungen in die Arme, weint und schreit. Es ist ein herzzerreißendes Video. Wieder haben die Helfer nur einen Toten bergen können. Tausende Menschen sind bei einer der schwersten Erdbebenkatastrophen in der afghanischen Geschichte gestorben.
Sindadschan im Herzen der Provinz Herat im Westen Afghanistans. Eine ländliche Gegend. Die Häuser in den Dörfern rund 80 Kilometer nordwestlich der Provinzhauptstadt sind aus Lehm gebaut. Am Samstagmorgen sind die meisten Männer auf den Feldern, die Frauen und die Kinder zu Hause. Niemand ist auf den Schrecken vorbereitet, der an diesem Tag über die Region hereinbrechen wird. Große Erdbeben gab es in der Provinz seit Menschengedenken nicht mehr.
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Afghanistan: Erdbeben hatte eine Stärke von 6,3
Gegen 11 Uhr beginnt die Erde zu wanken. Minutenlang und heftig. Die US-Erdbebenwarte USGS wird die Stärke des Bebens später auf 6,3 beziffern. Vier weitere Beben erschüttern danach die Region. Die Lehmhütten brechen zusammen wie Kartenhäuser und begraben die Menschen in ihnen unter sich. 13 Dörfer werden komplett zerstört. Bilder nach der Katastrophe zeigen eine apokalyptische, staubige Ruinenlandschaft. „So etwas haben wir noch nie gesehen“, erzählt Dr. Said Faiz Ahmad Youssufi vom Afghanischen Roten Halbmond in Herat.
Die Helfer vom Roten Halbmond sind die ersten, die am Nachmittag um 16 Uhr im Katastrophengebiet eintreffen. Sie haben kein schweres Gerät, nur Schaufeln und ihre Hände, mit denen sie versuchen, Verschüttete aus den Trümmern zu retten. Sie treffen auf die pure Verzweiflung: „Wir haben viele Menschen getroffen, deren gesamte Familie ums Leben gekommen ist. Das Leid ist unvorstellbar“, berichtet Youssufi.
Am Sonntagmittag beziffern sie die Zahl der Toten bereits auf über 2500. Noch liegen zu diesem Zeitpunkt aber viele Menschen in den Ruinen ihrer Häuser. Viele der mehr als 12.000 Verletzten werden nach Herat gebracht. „Manche müssen im Hof des Krankenhauses behandelt werden“, berichtet Youssufi. Andere werden mit Hubschraubern in Militärkrankenhäuser transportiert.
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Die Europäische Union (EU) versicherte der betroffenen Bevölkerung Afghanistans ihre volle Solidarität, wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) schrieb. „EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen“, teilte er mit, ohne Details zu nennen.
Immer wieder treffen Naturkatastrophen das Land
Die Erdbebenkatastrophe trifft ein Land, das ohnehin am Boden liegt. Nach der Machtübernahme der Taliban vor zwei Jahren ist die Wirtschaft zusammengebrochen, das Gesundheitssystem hat massive Probleme. Viele ausländische Hilfsorganisationen haben sich aus Afghanistan zurückgezogen. Als wäre das nicht genug, treffen immer wieder Naturkatastrophen das Land.
Eine anhaltende Dürre hat vierzig Prozent der Ackerflächen Afghanistans vernichtet. Im vergangenen Jahr starben Hunderte Menschen nach heftigen Regenfällen in Fluten, die Häuser, Straßen und Brücken wegrissen. Im Juni erschütterte ein schweres Erdbeben den Osten des Landes. Über 1000 Menschen kamen ums Leben. Der erneuten Katastrophe steht das Land nahezu hilflos gegenüber.
Der Afghanische Rote Halbmond kann den obdachlos Gewordenen nur wenige Zelte und andere Hilfsgüter zur Verfügung stellen, die Lager sind leer. „Die meisten Menschen schlafen unter freiem Himmel neben den Trümmern ihrer Häuser“, sagt Youssufi. Noch sind die Temperaturen nachts erträglich. In den kommenden Wochen wird es aber deutlich kälter werden. Gebraucht werden Decken, Schlafsäcke, Kleidung, Zelte – und Medikamente.
Eine der wenigen deutschen Hilfsorganisationen, die vor Ort sind, ist das Friedensdorf International. „Die Situation ist verheerend, die Menschen sind auf schnelle Hilfe angewiesen“, sagt Sprecherin Claudia Peppmüller, die gerade in der 600 Kilometer östlich von Herat gelegenen Hauptstadt Kabul ist. Auf dem Gelände der dortigen Zentrale des Roten Halbmondes packen Helfer am Sonntagmittag Hilfsgüter in Lastwagen. Bis sie im Katastrophengebiet sind, werden mindestens 24 Stunden vergehen, die Straßen sind in einem schlechten Zustand. Das Friedensdorf organisiert Medikamentenhilfe für die Erdbebenopfer. Sie wird in den nächsten Tagen eintreffen.
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