Stockholm. In Göteborg arbeitet ein verurteilter IS-Terrorist in einem Freizeitheim für Grundschüler. Ein Fall zwischen Integration und Ängsten.
Ein Straftäter ist unschuldig, wenn er seine Haft abgesessen hat. Er soll wieder Teil der Gesellschaft sein, das ist sein Recht. Das Gefängnis soll ihn sogar per Gesetz auf die Zeit nach der Zelle vorbereiten. Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, die für Aufsehen und Diskussionen sorgen. Meist, wenn es um entlassene Sexualstraftäter geht. Oder um Extremisten.
Schweden diskutiert nun hitzig über den Fall eines verurteilten früheren Kämpfers der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Vor drei Monaten kam ein 45 Jahre alter Mann frei, er hat seine Strafe abgesessen – und beginnt einen neuen Job in einem kommunalen Fritidshem in Göteborg.
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Darf ein ehemaliger IS-Terrorist mit Kindern arbeiten?
Das Brisante: Ein Fritidshem ist eine Art Hort, ein Freizeitheim für Vor- und Grundschüler, das die Kinder nach der Schule betreut. Es geht also nicht um eine Arbeit im Büro oder in der Industrie, sondern um einen Beruf, in dem der Mann täglich mit Kindern zu tun hat. Entscheidend ist die Frage: Konnte er seine islamistische Ideologie ablegen? Hinweise darauf, dass er noch radikal ist, gibt es offenbar bisher nicht. Das macht ein Berufsverbot heikel.
Rückblick: Der Mann hat seine Strafe, acht Monate Gefängnis, abgebüßt. Im Februar 2022 war er auf dem Flughafen Landvetter von der schwedischen Geheimpolizei Säpo festgenommen worden. Laut Säpo und Gerichtsurteil war der heutige Kinderbetreuer damals erneut auf dem Weg nach Syrien oder den Irak, um sich dort dem IS anzuschließen. Er soll laut Medienberichten zuvor auch an Kämpfen teilgenommen haben, und von der Terrororganisation Al-Qaida in militärisch und religiös ausgebildet worden sein.
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Terrorismus: Das Problem mit dem Führungszeugnis
Den Job im Kinderbetreuungshort hat der Mann bekommen, obwohl er das polizeiliche Führungszeugnis bei der dortigen Leitung vorzeigte. Das Problem war offenbar: Das Führungszeugnis zeigt für die Arbeit mit Kindern zwar Delikte wie Mord und Sexualstraftaten an – Urteile wegen Terrortaten jedoch nicht.
Die liberale Schulministerin Lotta Edblom kommentiert den Fall gegenüber dem Sender SVT: „Das ist völlig unakzeptabel“. Die Ministerin will nun eine Gesetzesänderung für Führungszeugnisse initiieren, damit so etwas nicht wieder vorkommt.
Larisa Muslijovic ist Personalchefin der Stadt Göteburg und verantwortlich für die Anstellung des Ex-Terroristen. „Wir sind bei seiner Beschäftigung unseren Routinen gefolgt, konnten aber nicht sehen, dass der Mann wegen Terrorismus verurteilt war“, sagt sie dem Sender SVT. Muslijovic begrüße eine Gesetzesänderung für polizeiliche Führungszeugnisse, damit so etwas nicht wieder passiert.
So ist die Gesetzeslage in Deutschland
Wie heikel das Thema ist, zeigt ein Blick nach Deutschland: Die freie Berufswahl ist per Grundgesetz geschützt, natürlich auch für Entlassene. Und ein Arbeitgeber hat in der Regel auch nicht zu wissen, was ein Mensch in seiner Freizeit macht. Bei einzelnen Berufen gibt es allerdings Ausnahmen, etwa der Bundeswehr, der Polizei, in der Schule oder Kita.
Bei Entlassenen kann die Justiz zudem in sehr engen Grenzen Auflagen verhängen, etwa wenn ein Sexualstraftäter rückfallgefährdet ist. Dann schließen die Behörden eine Arbeit in Kindergärten oder Schulen aus.
In Deutschland soll sich die Führungsaufsicht nach der Haft um einen Entlassenen kümmern, der wegen schweren oder bestimmten Straftaten verurteilt ist – und ihn zugleich vor erneuten Straftaten abhalten. Darunter fallen Sexualstraftaten, jedoch nicht eine mutmaßliche extremistische Ideologie. Für Radikale ist in Deutschland in der Regel der Verfassungsschutz zuständig, auch nach der Haft. Der Inlandsgeheimdienst will auch die zahlreichen inhaftierten früheren IS-Kämpfer prüfen.
Was kann der Arbeitgeber machen?
Entscheidend ist dann die Frage, ob die islamistischen Gedanken noch verankert sind. Gibt es dafür keine Belege, kann es bei einer Kündigung eng für den Arbeitgeber werden. In der Vergangenheit hat der Verfassungsschutz in einzelnen Fällen potenzielle Arbeitgeber auch schon einmal gewarnt.
Zurück nach Schweden: Noch ist unklar, ob der Mann seinen Vertretungsjob mit Kindern behalten darf, alles deutete in der vergangenen Woche allerdings darauf hin, dass das Beschäftigungsverhältnis gekündigt wird.
Mitarbeit: Christian Unger