Berlin. „Nothing Compares 2 U“ – es war die Hymne für Liebe und Trauer. Sinéad O’Connor kannte den Schmerz des Lebens. Sie wurde 56 Jahre alt.
„It’s been seven hours and fifteen days….“ – mit welcher Hingabe Sinéad O’Connor schon die ersten Zeilen von „Nothing Compares 2 U“ sang, erzeugt immer noch Gänsehaut. Einer der größten, traurigsten Lovesongs der Musikgeschichte ließ die irische Sängerin mit einem Wimpernschlag unvergleichlich berühmt werden. Jetzt ist die Künstlerin, deren Leben von Schicksalsschlägen gefüllt war, mit 56 Jahren gestorben. Die Ursache ist noch nicht bekannt.
Britischen Medien zufolge wurde sie in ihrem Zuhause in London tot aufgefunden worden. Der Todesfall werde nicht als verdächtig behandelt, hieß es weiter. Die britische Polizei darf aus rechtlichen Gründen die Identität nicht ausdrücklich bestätigen. Es gibt aber keinen Zweifel, dass es sich um O’Connor handelt. Laut Sky News hatte O’Connor erst vor zwei Wochen ihre Fans über ihre Rückkehr nach London nach 23 Jahren informiert. Sie sei „glücklich, wieder zuhause zu sein“, ließ sie damals wissen. Sie kündigte auch ein neues Album und eine weltweite Tournee an.
„Nothing Compares 2 U“: Sinéad O’Connors Hymne des Liebeskummers
„Nothing Compares 2 U“– die Ballade, die sie vor 33 Jahren zum Mega-Star machte, war auch in Deutschland ein Nummer-eins-Hit, stand 1990 mehrere Wochen an der Spitze der Charts. Eine Hymne geradezu: Wie oft wurde nach diesem Song der Liebeskummer mit Rotwein betäubt? Wie oft sich getrennt und sich neu verliebt? O’ Connor, psychisch extrem labil, stärkte Millionen Liebeskranken mit ihrer unverwechselbaren Stimme das Herz.
Doch kein Grund, sich im Erfolg zu sonnen. In ihr steckte ein Punk. Eine Aktivistin, die im Kampf gegen die katholische Kirche 1992 das Bild des Papstes Johannes Paul vor laufender Kamera zerriss. Eine Individualistin, die sich 1999 von einer Abspaltung der Kirche zur Priesterin weihen ließ und sich 2017 Magda Davitt nannte. Ein Jahr später trat sie zum Islam über.
Sinéad O’Connor: Mit kahl rasiertem Schädel behauptete sie eine neue Schönheit
War es Selbstinszenierung oder doch die Authentizität einer verzweifelten Frau auf der Suche nach einem Ich, das ihr entsprach? Einer Frau, die mit kahl rasiertem Schädel eine Schönheit behauptete, die anders war als jedes herkömmliche Bling-Bling. Ihre Schönheit hatte etwas Pures. Nichts verbarg mehr ihren Schmerz.
Oft erzählte Sinéad O’Connor in Interviews von ihren psychischen Problemen. Als Kind sei sie missbraucht worden – von ihrer Mutter und von einem Geistlichen. „Dieser Schmerz geht nie wieder weg“, sagte sie. „Die Musik ist der Ort, wo ich damit umgehen kann.“
Nach diesen Erfahrungen geriet ihr Leben früh aus der Spur: Mit 15 wurde sie beim Stehlen erwischt und kam in ein Heim für auffällig gewordene Jugendliche. Strafen waren hier an der Tagesordnung. Aber eine der Nonnen erkannte ihr Talent und kaufte ihr eine Gitarre, so schreiben Fachmagazine. Per Zeitungs-Annonce lernte sie ihren späteren „Ton Ton Macoute“-Band-Kollegen Colm Farrelly kennen – der Beginn einer großen Karriere.
Der Suizid ihres Sohns riss Sinéad O’Connor den Boden unter den Füßen weg
Doch ihr Leben war mehr von Tiefen als Höhen bestimmt. An ihrem 33. Geburtstag versuchte sie, sich das Leben zu nehmen. Ein Schock für die Öffentlichkeit, die nur den Erfolg sah. Und nicht die Frau, bei der neben einer bipolaren Störung eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde. Körperlich litt sie unter Endometriose. Angeblich unternahm sie ab 1999 drei Suizidversuche. Von mehreren Aufenthalten in der Klinik berichtete sie danach selbst, eine Zeit lang soll sie sogar obdachlos gewesen sein.
Doch der absolute Tiefpunkt kam 2022, als ihr Sohn Shane im Alter von 17 Jahren starb. „Seitdem lebe ich als untote Nachtkreatur. Er war die Liebe meines Lebens, die Lampe meiner Seele.“ Sie hinterlässt ihre weiteren drei Kinder.
Poplegende Prince schrieb den Song „Nothing Compares 2 U“
O’ Connors Musik war in der ganzen Welt beliebt. Mit ihrem Debütalbum „The Lion and the Cobra“ von 1987 wurde sie erstmals für einen Grammy Award nominiert. Doch der Durchbruch kam dann mit ihrem zweiten Album „I Do Not Want What I Haven’t Got“ von 1990 – mit dem Song, der sie zur Ikone machte: „Nothing Compares 2 U“. Das Stück wurde von Prince geschrieben und war bereits 1985 von seiner Band The Family veröffentlicht worden. In der Version von O’Connor wurde es zum internationalen Nummer-1-Hit.
Die Trauer um die Künstlerin ist groß. Schauspielerin Jamie Lee Curtis schreibt: „Ich liebte sie. Ihre Musik. Ihr Leben. Sie war Opfer von Kindesmissbrauch und eine riesige Kämpferin gegen unfaire und ungerechte drakonische Gesetze, die sie in Irland zu ändern half. Sie war eine Kriegerin und Rebellin“.
Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.