Berlin. In der Nordsee brennt ein Autofrachter. Sollte das Schiff sinken, droht eine schwere Umweltkatastrophe. Deutschland schickt Hilfe.
- Seit Mittwoch brennt vor der Insel Ameland ein Autofrachter mit knapp 3800 Fahrzeugen an Bord
- Bundesumweltministerin Lemke warnt vor einer "Umweltkatastrophe ungekannten Ausmaßes"
- Spezialisten überlegen nun, wie sie das Schiff bergen könnten
- Am Donnerstag wurde das Feuer zumindest etwas kleiner – eine Entwarnung gab es allerdings noch nicht
27 Kilometer vor der niederländischen Insel Ameland hängen dichte Rauchwolken über dem Wattenmeer. Seit Mittwochnacht steht dort ein Auto-Frachter in Flammen. Rettungskräfte versuchen mit aller Kraft, das Schiff vor dem Sinken zu bewahren – sollte das nicht gelingen, droht eine Umweltkatastrophe. Am Donnerstag war der Brand noch immer nicht unter Kontrolle. Spezialisten und die Wasserbehörde überlegen nun, wie man das etwa 200 Meter lange Schiff bergen könnte. Immerhin: Am Donnerstagabend brannte der Frachter nicht mehr lichterloh. Es seien keine Flammen mehr zu sehen, sagte eine Sprecherin. Für eine Entwarnung sei es aber zu früh. Das Feuer könne auch wieder aufflammen.
3783 Autos hat der Frachter "Fremantle Highway" laut Angaben der japanischen Reederei Kawasaki Kisen Kaisha geladen. Die niederländische Küstenwache hatte zuvor von 2857 Autos gesprochen, davon 25 E-Autos.
Warum der Frachter in Brand geraten ist, steht noch nicht fest. Die Löscharbeiten dauerten an, hieß es von der Reederei. Die Besatzung musste nach Ausbruch des Brandes Hals über Kopf das Schiff verlassen. Ein Mensch kam dabei ums Leben, die übrigen 22 wurden leicht verletzt.
Bei einem Sinken des Schiffes könnten Treibstoff, Öl und die etwa 3000 Autos ins Wasser und auf den Meeresboden gelangen. "Wir tun alles, um das zu verhindern", sagte ein Sprecher der Wasserbehörde dem Radiosender NOS. Aber die Rettungskräfte bereiteten sich "auf alle Szenarien" vor.
Frachter in Brand: Deutschland will umfassend helfen
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) warnte am Donnerstag vor einer "Umweltkatastrophe ungekannten Ausmaßes" wenn das Schiff untergehe. Das Ökosystem der Nordsee könnte großflächig verschmutzt werden. Der Nationalpark Wattenmeer sei dann "in ernsthafter Gefahr". "Das gilt es mit allen Kräften zu verhindern", erklärte Lemke.
Sie verwies auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit des deutschen Havariekommandos mit der niederländischen Seite. Derzeit werde ein Bergungsplan entwickelt. "Deutschland wird alles zur Verfügung stellen, was helfen kann", sicherte Lemke zu.
Feuer auf Frachter weiterhin nicht unter Kontrolle
Noch immer ist es den Angaben zufolge unmöglich, dass Bergungsspezialisten die "Fremantle Highway" betreten. Die Kühlung der Seitenwände des Frachters wurde inzwischen unterbrochen. Das sei möglich, weil die Intensität des Feuers abgenommen habe. Zu viel Seewasser auf dem Schiff könnte die Stabilität gefährden.
Inzwischen wurde der Frachter an einen anderen Schlepper, die Fairplay 30, gekoppelt. Diese Notverbindung sei stärker als die bisherige. Durch die Verbindung mit einem Schlepper wird das Schiff stabil gehalten und dafür gesorgt, dass es nicht den Schiffsverkehr behindert und zu sehr abdriftet.
Das Feuer auf der "Fremantle Highway", die unter der Flagge von Panama fährt und von Bremerhaven unterwegs nach Ägypten war, war in der Nacht zum Mittwoch ausgebrochen. Die Besatzung versuchte, den Brand einzudämmen. Doch der breitete sich so schnell aus, dass die Besatzung das etwa 200 Meter lange Schiff verlassen musste. Einige Menschen mussten von Bord springen – rund 30 Meter in die Tiefe.
"Einer nach dem anderen sprang", sagte Kapitän Willard Molenaar vom Amelander Rettungsboot, das als erstes an der Unglücksstelle war, am Mittwoch. "Die waren echt in Not, sonst springt man nicht einfach so tief." Sieben Menschen retteten er und seine Crew aus der See. Die übrigen wurden mit Hubschraubern von Bord geholt und in mehrere Krankenhäuser gebracht.
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Autobatterien könnten Ursache für Brand gewesen sein
Lösch- und Bergungsschiffe waren schnell zur Stelle – auch aus Deutschland kam Hilfe. Doch das Feuer war nur schwer zu löschen. Vor allem die Lithium-Batterien der E-Autos erschwerten die Löscharbeiten, sagte der Sprecher der Küstenwache.
Möglicherweise waren sie auch die Ursache des Brandes. Erst kürzlich hatte der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport der Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen gewarnt. Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse, schreibt der Versicherer in seiner neuesten Schifffahrtsstudie. Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wieder entzünden könnten. "Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen", sagte der Schifffahrtsexperte Justus Heinrich.
Feuerwehrverband: Kein erhöhtes Risiko durch Elektroautos
Carsten-Michael Pix vom Deutschen Feuerwehrverband hingegen widerspricht der AGCS. "Das Löschen von Bränden bei E-Autos kann zeit- und wasserintensiver sein, es ist allerdings nicht unbedingt schwieriger", sagt Pix. Wenn ein Lithium-Ionen-Akku in Brand gerate, würde ein chemischer Prozess in Gang gesetzt werden. Dadurch sei es notwendig, die Batterie zunächst für einige Zeit zu kühlen, erklärt er. Dafür könne allerdings, genau wie bei anderen Bränden auch, Wasser verwendet werden.
Eine Gefahr durch E-Autos sieht Pix nicht. "Mir ist nicht bekannt, dass von E-Autos ein höheres Brandrisiko ausgeht als von Verbrennern", sagt der Experte. Wenn eine Lithium-Ionen-Batterie in Brand gerate, kämen dafür zwei Ursachen in Betracht, sagt Pix: "Das ist zum einem ein Unfallgeschehen oder eine externe Einwirkung und zum anderen ein Verarbeitungsfehler."
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Untergang des Frachters könnte schwere Umweltschäden auslösen
Umweltorganisationen und auch Bürgermeister umliegender Gebiete sind jedoch besorgt über mögliche Schäden durch Öl oder Müll. "Das könnte eine Umweltkatastrophe für die Nordsee und das Wattenmeer bedeuten", warnte ein Sprecher der Stiftung De Noordzee am Mittwoch. Ein Untergang des brennenden Auto-Frachters könnte aus Sicht des Bürgermeisters der deutschen Nordseeinsel Borkum schwere Umweltschäden zur Folge haben. "Das Schlimmste wäre, dass das Schiff sinkt und unkontrolliert Schadstoffe in das Meer gespült werden", sagte Jürgen Akkermann (parteilos).
Einige denken nun auch zurück an die Katastrophe des Containerschiffs MSC Zoe 2019. Damals hatte das Schiff in der stürmischen Nordsee auf der Fahrt nach Bremerhaven 342 Container verloren. Die meisten zerbarsten beim Aufprall auf dem Wasser, in der Folge trieb tonnenweise Müll an die Strände. (cse/pcl/dpa)
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